Harte Vorwürfe an die katholische Kirche
5. Februar 2014Fälle von Kindesmißbrauch in katholischen Institutionen müssten öffentlich untersucht werden, fordern die Experten in einem Bericht, der am Mittwoch in Genf vorgestellt wurde.
Der Vatikan habe bislang keinerlei Informationen über die "schrecklichen Verbrechen" zugänglich gemacht, sagte die Vorsitzende des UN-Ausschusses, Kirsten Sandberg. Die katholische Kirche habe das wahre Ausmaß der Missbrauchsfälle bewusst vertuscht und allen Geistlichen ein Schweigegelübde auferlegt: "Der Heilige Stuhl hat bei der Aufarbeitung die Reputation der Kirche und den Schutz der Täter über die Interessen der Kinder gestellt." Die Kirche habe die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verletzt, so die aus Schweden stammende UN-Expertin, "denn sie haben nicht alles getan, was sie hätten tun sollen!"
Priester und andere Mitarbeiter der katholischen Kirche hätten sich weltweit an Zehntausenden Kindern sexuell vergangen, erklärte das UN-Gremium. Das Komitee sei "zutiefst besorgt" über diese Verbrechen.
Kriminologe mahnt Kirchenrechtsänderung an
Unterdessen forderte der hannoversche Kriminologe Christian Pfeiffer die Katholische Kirche auf, das Kirchenrecht zu ändern, um die Aufklärung von Kindesmissbrauch in ihren Reihen zu ermöglichen. Bis heute seien Kirchenvertreter gehalten, bei verstorbenen Priestern und bei solchen, deren Tat mehr als zehn Jahre zurückliegt, "den Teil der Akte zu vernichten, der detailliert beschreibt, was vorgefallen ist", sagte Pfeiffer der Deutschen Welle. "Da muss sie für Klarheit sorgen und sich darum bemühen, diese Vorschrift ihren guten Absichten anzupassen. Andernfalls gebe es keine Chance, "rückwärts aufzuklären, wie man in den 50er, 60er und 70er Jahren mit solchen Tätern umgegangen ist.
Der Sprecher der deutschen Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, bejahte die Frage, ob die Kirche in der Vergangenheit Kirchenraison über Kinderrechte gestellt habe: "Wenn ein Priester, ein Ordensmann kriminell gehandelt hat, dann wurde oft gesagt: 'Das regeln wir kirchenintern, nach dem Kirchenrecht. Wir schalten nicht die Staatsanwaltschaft ein'"so Weisner in einem DW-Interview. "Dieser Priester oder Ordensmann wurde dann versetzt in ein anderes Kloster, in eine andere Gemeinde." Dem Täter sei das Versprechen abgenommen worden, es nicht wieder zu tun. Die neue Gemeinde sei häufig nicht vorgewarnt worden, so Weisner, "das hat sich als fatal erwiesen, als ein schwerwiegender Fehler." Derlei Verhalten müsse in der Katholischen Kirche "ausgemerzt" werden.
Im Dezember war bekanntgeworden, dass Papst Franziskus einen Ausschuss für den Schutz der Kinder vor Missbrauch einrichten möchte. Dieses Gremium müsse auch den Umgang der Kirchenführung mit dem Skandal untersuchen, verlangt nun der UN-Ausschuss. Die UN-Experten fordern außerdem verbindliche Regeln im Kirchenrecht, die Kinder besser vor Missbrauch in katholischen Institutionen weltweit schützen.
Vatikan: Wir gehen gegen Mißbrauch vor
Der Vatikan als Vertragsstaat der internationalen Kinderrechtskonvention musste sich im Januar erstmals wegen der Missbrauchsfälle vor den 18 unabhängigen Experten des Kinderrechtsausschuss verantworten. Bei der Anhörung am 16. Januar hatten die UN-Experten dem Vatikan unter anderem vorgeworfen, Details über das Ausmaß von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche unter Verschluss zu halten. Vertreter des Kirchenstaats betonten dagegen, der Vatikan gehe mit aller Kraft gegen Missbrauchsfälle vor. "Es gibt keinerlei Rechtfertigung für irgendeine Form von Gewalt oder Ausnutzung von Kindern", sagte der Botschafter des Vatikan-Staates bei den Vereinten Nationen, Silvano Tomasi bei der Anhörung.
4.000 Mißbrauchsfälle nach Rom gemeldet
Der Vatikan hatte es im Dezember abgelehnt, dem UN-Ausschuss auf im Juli übermittelte Fragen zu antworten, in welchen Missbrauchsfällen die Glaubenskongregation des Vatikan derzeit ermittelt. Insgesamt wurden von den Diözesen in den vergangenen Jahren rund 4.000 Fälle an die Glaubenskongregation weitergeleitet. Kritiker werfen dem Vatikan vor, mit seinem Schweigen die Missbrauchsvorwürfe gegen Kirchenmitarbeiter vertuschen zu wollen. Der Vatikan macht geltend, dadurch Zeugen und Opfer schützen zu wollen.
Der Heilige Stuhl erklärte nach der Veröffentlichung des Berichts, er nehme die Vorwürfe "zur Kenntnis" und werde den Bericht gründlich auswerten. Gleichzeitig warf er den UN-Experten aber einen "versuchten Eingriff" in die katholische Morallehre vor. Damit reagierte der Vatikan offenbar auf Passagen des Berichts, in denen es um Abtreibung und Homosexualität geht
Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes überprüft die Einhaltung der Kinderrechtskonvention. In diesem Rahmen hatte sich der Vatikan erstmals öffentlich und ausführlich zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche geäußert.