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PolitikHaiti

UN beklagen kriegsähnliche Zustände in Haiti

25. April 2023

Haiti versinkt zunehmend in einem Sumpf der Bandenkriminalität. In einem UN-Bericht heißt es, die Unsicherheit in der Hauptstadt sei vergleichbar mit der in einem Kriegsgebiet. Dort gab es einen mehrfachen Lynchmord.

Entsetzte Passaten am Tatort des Lynchmords in Haiti
Entsetzte Passaten am Tatort des Lynchmords in HaitiBild: Odelyn Joseph/AP/picture alliance

Der Bericht von UN-Generalsekretär Guterres Antonio weist darauf hin, dass in der Hauptstadt Port-au-Prince in den ersten drei Monaten dieses Jahres 815 Menschen getötet worden seien - 21 Prozent mehr als im letzten Quartal 2022. Die Zahl der Entführungen sei sogar um 63 Prozent auf 637 gestiegen.

Verantwortlich für die wachsende Gewalt in Haiti seien rivalisierende Banden. Bewaffnete Gangs "wetteifern weiterhin um die Ausweitung ihrer territorialen Kontrolle im gesamten Stadtgebiet von Port-au-Prince und breiten sich auf bisher nicht betroffene Stadtteile aus", schreiben die Autoren. Zusammenstöße zwischen Banden und mit der Polizei seien "gewalttätiger und häufiger geworden" und forderten viele zivile Opfer. "Die Bevölkerung von Haiti leidet nach wie vor unter einer der schlimmsten Menschenrechtskrisen seit Jahrzehnten und einer großen humanitären Notlage."

Polizeikräfte im Einsatz gegen kriminelle Banden im Viertel Lalue in Port-au-Prince im März 2023Bild: Odelyn Joseph/AP/picture alliance

In dem Dokument wird insbesondere auf die katastrophale Lage der Bewohner von Cite Soleil am Hafen der Hauptstadt hingewiesen, wo Scharfschützen von Dächern aus auf Passanten auf der Straße schießen würden. "Die Einwohner fühlen sich belagert. Sie können ihre Häuser aus Angst vor bewaffneter Gewalt und dem Terror der Banden nicht mehr verlassen", erklärte der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Haiti in einer separaten Erklärung. Allein zwischen dem 14. und 19. April seien bei Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Banden fast 70 Menschen getötet worden, darunter 18 Frauen und mindestens zwei Kinder, erklärte er.

Mutmaßliche Bandenmitglieder gelyncht

Derweil wird aus der Hauptstadt ein krasser Fall von sogenannter Lynchjustiz gemeldet. Eine aufgebrachte Menschenmenge habe mindestens zehn mutmaßliche Bandenmitglieder getötet, teilte die Polizei mit. Nach Berichten lokaler Medien gab es sogar 14 Todesopfer. Polizisten hatten zuvor im Stadtteil Canape Vert einen Minibus mit bewaffneten Männern angehalten und Waffen, Patronen und Mobiltelefone beschlagnahmt. Danach hätten Passanten die Männer in ihre Gewalt gebracht und getötet.

In Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, dass den Leichen Autoreifen übergestülpt wurden, die mit Benzin übergossen und angezündet wurden. Die festgenommenen Männer sollen auch Munition transportiert haben. "Zündet sie an" und "Wir bringen sie um" sollen aufgebrachte Anwohner gerufen haben, als sie die Insassen des Busses erblickt hatten.

 

Die Polizei äußerte sich nicht zu den Umständen, unter denen sie die Verdächtigen aus den Augen verlor. Vorausgegangen waren in Canape Vert nächtliche Schießereien, wie Zeugen berichten. Demnach drangen Bandenmitglieder in mehrere Wohngebiete der Hauptstadt ein, plünderte Häuser und griffen Bewohner an. Hunderte Familien ergriffen die Flucht.

Bewaffnete Banden auf dem Vormarsch

Haiti leidet seit Jahren unter der Gewalt von Banden, die bisweilen politischen Akteuren nahestehen. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass mindestens 60 Prozent des Stadtgebietes von bewaffneten Banden kontrolliert werden. Die Interimsregierung, die seit der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moise im Juli 2021 an der Macht ist, bat vor rund einem halben Jahr um Hilfe durch eine bewaffnete internationale Truppe. Guterres leitete das Ersuchen von Premierminister Ariel Henry an den UN-Sicherheitsrat weiter. Zwar haben einige Länder ihre Bereitschaft signalisiert, sich an einer Hilfsmission zu beteiligen, doch hat sich bisher kein Land bereit erklärt, die Führung zu übernehmen. Im jüngsten UN-Bericht betont Guterres nun: "Ich wiederhole die dringende Notwendigkeit des Einsatzes einer internationalen bewaffneten Spezialtruppe."

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat sich letzte Woche bereit erklärt, "technische Hilfe und Unterstützung für den Aufbau von Kapazitäten zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte" zu leisten und einen Experten zur Überwachung der Situation zu ernennen. "Die Barbarei der Banden hat einen Höchststand erreicht", sagte der haitianische Botschafter Justin Viard vor dem Rat und wies darauf hin, dass sie "alte Menschen, Kinder und schwangere Frauen entführen, hinrichten und lebendig verbrennen".

Haiti gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Es wurde in den vergangenen Jahren zudem von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert. Hinzu kommt ein Cholera-Ausbruch, bei dem nach den jüngsten Zahlen des Gesundheitsministeriums seit Oktober mindestens 670 Menschen ums Leben gekommen sind.

kle/ehl (rtr, afp, kna)

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