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UN: Eine Million Haitianer sind obdachlos

25. Januar 2010

Nach Experten-Einschätzung wird es noch Wochen dauern, bis alle Obdachlosen zumindest in Zelten leben können. Über den Wiederaufbau Haitis wurde unterdessen bei einer internationalen Konferenz in Montreal beraten.

Ein Obdachlosen-Lager in Port-au-Prince (Foto: AP)
Elend, so weit das Auge reicht: ein Obdachlosen-Lager in Port-au-PrinceBild: AP

Die Erdbebenkatastrophe in Haiti hat nach einer Schätzung der Vereinten Nationen rund eine Million Menschen obdachlos gemacht. Jeder neunte Haitianer ist damit auf eine Notunterkunft angewiesen. Doch gebe es viel zu wenig Zelte, beklagte die Internationale Organisation für Migration (IMO). Es könne Wochen dauern, bis ausreichend Flächen für Zeltstädte gefunden seien, sagte der Leiter der IMO-Mission in Haiti, Vincent Houver, am Montag (25.01.2010) in der Hauptstadt Port-au-Prince. In dem dortigen Lager der IMO befänden sich 10.000 Familienzelte, benötigt würden aber mindestens 100.000.

Plastikplanen als Ersatz-Dächer

UN-Soldaten entladen LKW voller WasserflaschenBild: AP

Allein in der Hauptstadt sind nach Angaben der haitianischen Regierung etwa 700.000 Menschen obdachlos geworden. Die meisten müssen derzeit unter Bettlaken, Kartons oder Plastikplanen Schutz suchen. Die Regierung ermutigt die Menschen, Port-au-Prince zu verlassen, etwa um in anderen Landesteilen bei Verwandten unterzukommen. Etwa 235.000 Bewohner hätten das Angebot eines kostenlosen Transportes angenommen, viele andere hätten die Stadt auf eigene Faust verlassen, erklärten Behördenvertreter.

Von Frankfurt aus flog unterdessen eine Frachtmaschine mit 75 Tonnen Hilfsgütern in die Dominikanische Republik. An Bord waren Anlagen zur Trinkwasser-Aufbereitung, Fahrzeuge, Generatoren, Lebensmittel und Medikamente. Sie kamen vom Technischen Hilfswerk (THW) und weiteren deutschen Hilfsorganisationen. Die Maschine vom Typ MD-11 hat Lufthansa Cargo kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Hilfsgüter sollen vom Flughafen Santo Domingo auf dem Landweg nach Haiti gebracht werden.

Schuldenerlass?

Bei einer Haiti-Konferenz im kanadischen Montreal regte Kanadas Außenminister Lawrence Cannon einen umfassenden Schuldenerlass für den bitterarmen Karibikstaat an. Der Verzicht auf die Rückzahlung müsse als eine Möglichkeit auf den Verhandlungstisch, betonte der Minister. Die Schulden Haitis bezifferte Cannon auf etwa eine Milliarde Dollar (rund 710 Millionen Euro).

Montreal: Das Vorbereitungstreffen für eine große Geberkonferenz, die im März stattfinden sollBild: AP

An dem Treffen in Montreal nahm auch der haitianische Regierungschef Jean-Max Bellerive teil. Er erklärte, Haiti sei stark auf die Hilfe von außen angewiesen. Seine Regierung werde aber in der Lage sein, die Federführung über das Wiederaufbauprogramm zu übernehmen.

Konferenz-Gastgeber Kanada hat enge Verbindungen zu Haiti. Mehr als 100.000 Menschen haitianischer Abstammung leben im Land, die meisten davon in Montreal. Auch die kanadische Generalgouverneurin Michaelle Jean, die Vertreterin von Königin Elizabeth II. als Staatsoberhaupt, wurde in Haiti geboren.

EU schickt 300 Militärpolizisten

Die Außenminister der EU-Staaten vereinbarten bei einem Treffen in Brüssel, rund 300 paramilitärisch ausgebildete Polizisten nach Haiti zu entsenden. Dort sollen sie die Verteilung der internationalen Hilfe für die Erdbebenopfer unterstützen. Die EU-Polizisten werden im Rahmen der UN-Mission im Einsatz sein, die den Hilfseinsatz in dem Karibikstaat koordiniert.

Italien und Frankreich stellen nach EU-Angaben je 100 Sicherheitskräfte bereit, die Niederlande 50, und weitere Mitgliedstaaten kleinere Kontingente. Deutschland und Großbritannien entsenden keine Sicherheitskräfte, da es in diesen EU-Ländern keine Militärpolizei gibt.

"200.000 Tote? 300.000? Wer weiß das schon?"

Ein Haitianer zieht einen LeichenkarrenBild: AP

Wie dringend notwendig die Hilfe ist, machte auch die jüngste, von Haitis Regierung veröffentlichte Zahl der Toten deutlich. Bislang bestätigt seien mehr als 150.000 Todesopfer, teilte Kommunikationsministerin Marie-Laurence Jocelyn Lassègue mit. Doch niemand wisse, wie viele Opfer direkt von ihren Angehörigen beerdigt oder verbrannt worden seien und wie viele noch unter den Trümmern lägen. Und auch die Toten in den abgelegeneren Gegenden sind bislang ungezählt. Auf die Frage, wie viele Menschen wohl tatsächlich ums Leben gekommen seien, antwortete Jocelyn Lassègue: "200.000? 300.000? Wer weiß das schon?"

Autor: Stephan Stickelmann (apn, afp, rtr, dpa, epd)
Redaktion: Christian Walz

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