UN fordern Rückzug der sudanesischen Armee
22. Mai 2011Krieg im Sudan ist traurigerweise nichts Neues - zahlreiche Konfliktherde bestimmen teilweise seit Jahrzehnten den Alltag der Bevölkerung und die Politik. Am deutlichsten spürt man die tiefe Zerrissenheit des flächengrößten afrikanischen Staates zwischen dem nördlichen und dem südlichen Landesteil. Nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges kam 2005 der Waffenstillstand, 2011 stimmten die Südsudanesen in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit ab. Im Juli soll der 54. Staat Afrikas entstehen - nun kämpfen beide Teile wieder gegeneinander.
Es geht um Macht und um das Öl in der Grenzregion Abyei. Die nordsudanesischen Truppen haben nach eigenen Angaben die Kontrolle über die Stadt Abyei am Sonntag (22.05.2011) übernommen. Augenzeugen berichteten, dass Panzer in die Stadt gerollt seien. Der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die nordsudanesischen Truppen nun zum Rückzug aufgefordert und die Gewalt der Südsudanesen verurteilt. Der US-Botschafter bei den UN nannte die Eskalation der Gewalt "durchaus gefährlich". Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verurteilte die Kampfhandlungen.
Neue Eskalation
Die nordsudanesische Armee SAF hatte Abyei aus der Luft angegriffen, berichtete der Sprecher der Bezirksverwaltung, Juak Agok. Auch die Armee des Südsudan (SPLA) bestätigte dies. Zahlreiche Zivilisten sollen dabei getötet worden sein. Sudans Präsident Omar al-Baschir hat unterdessen die Auflösung des Verwaltungsrates der Stadt angeordnet, dessen Mitglieder vom Norden und Süden gleichermaßen gestellt werden. Dies stelle eine klare Verletzung des Friedensabkommens vor sechs Jahren dar, sagte der Informationsminister des Südsudans.
Auch die Vereinten Nationen vor Ort sind "tief besorgt" über die Lage. Für die eigenen Mitarbeiter haben die UN Alarmstufe Rot ausgerufen. Niemand darf das Gelände und die Gebäude der Vereinten Nationen in Abyei verlassen.
Was wird aus dem Sudan?
Die Auseinandersetzungen hatten am Donnerstag begonnen. Laut Angaben der nordsudanesischen Armee sind 22 ihrer Soldaten in einem Hinterhalt von den Südsudanesen getötet worden. Unweit der Stadt Abyei sollen ihre Fahrzeuge unter Beschuss genommen worden sein. Beide Landesteile deklarieren die ölreiche Region für sich - eine diplomatische Lösung ist nun erneut in weite Ferne gerückt. Tausende Menschen sind auf Flucht.
Die USA haben die Angriffe der sudanesischen Armee verurteilt und sie zum sofortigen Rückzug aufgefordert. Auch die französische Regierung sprach von einer "schwerwiegenden Verletzung" des Friedensabkommens von 2005. Die Regierung hat ihren Sitz in der Hauptstadt Karthoum im nördlichen Teil des Landes, der vorwiegend muslimisch gesprägt ist, der Süden ist vorwiegend christlich. Versuche, den Süden stärker in die Strukturen des Nordens zu integrieren und beispielsweise landesweit die Scharia einzuführen, haben im Süden für Widerstand gesorgt. In sieben Wochen soll der Südsudan nun nach jahrzehntelangen Bestrebungen unabhängig werden.
Die Bevölkerung Abyeis besteht vorwiegend aus Schwarzafrikanern wie im Südsudan, obwohl die Region geografisch gesehen eher dem Norden zuzurechnen ist, in dem der Alltag vorwiegend arabisch dominiert ist. Daher wurde auch das Referendum im Januar, in dem der Süden für die Unabhängigkeit stimmte, in Abyei auf unbestimmte Zeit vertagt. In der Region konnte man sich nicht einigen, ob man zum Süden oder Norden gehören wolle. Experten befürchten nun, dass es zu einem neuen Bürgerkrieg kommen könnte.
Autor: Nicole Scherschun (dpa, afp, epd)
Redaktion: Annamaria Sigrist