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PolitikEuropa

UN-Gerichtshof: Israels Besatzungspolitik ist rechtswidrig

19. Juli 2024

Der Internationale Gerichtshof stuft Israels Politik in den palästinensischen Gebieten in einem Gutachten als illegal ein und fordert deren Ende. Was bedeutet das?

Ansicht Gebäude Internationaler Gerichtshof in Den Haag
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat sein Gutachten zur israelischen Besatzungspolitik in den Palästinensergebieten vorgelegt (Archivbild). Bild: Peter Dejong/AP/dpa/picture alliance

"Israels anhaltende Anwesenheit in den besetzten palästinensischen Gebieten ist unrechtmäßig", befand der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag am Freitag. Außerdem müsse diese so schnell wie möglich beendet werden, betonte der IGH in seinem Gutachten. Im Dezember 2022 hatte die UN-Vollversammlung den Gerichtshof damit beauftragt - und somit vor den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 und dem Israel-Hamas-Krieg. 

An diesem Tag wurden bei einem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas nach israelischen Angaben rund 1200 Personen getötet und mehr als 250 Personen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die folgende Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen kostete nach nicht überprüfbaren Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde bislang mehr als 38.000 Menschen das Leben. 

Diese Geschehnisse spielten bei der Bewertung der Rechtslage des IGH keine Rolle, wie der vorsitzende Richter Nawaf Salam bei der etwas über einer Stunde dauernden Lesung erklärte.

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Israels Politik seit 1967 auf dem Prüfstand 

Vielmehr ging es um die seit dem Sechstagekrieg von 1967 andauernde Praxis der israelischen Politik in den besetzten Palästinensergebieten. Die Resolution, die dem IGH-Gutachen zugrunde liegt, erwähnt neben Ost-Jerusalem und dem Westjordanland explizit auch den Gazasteifen und die Lebensbedingungen dort.

Der IGH erklärte auch, dass Israel sofort alle neuen Siedlungsaktivitäten einstellen und alle Siedler aus den Gebieten evakuieren müsse. Nach Angaben der Deutschen Presseagentur liegt die Zahl der israelischen Siedler im Westjordanland und Ost-Jerusalem zusammengenommen bei 700.000. Der UN-Sicherheitsrat hat diese Siedlungen zuletzt 2016 in der Resolution 2334 als einen "flagranten Verstoß" gegen das Völkerrecht bewertet und Israel aufgefordert, alle Siedlungsaktivitäten sofort einzustellen.

Stefan Talmon, Völkerrechtsprofessor an der Universität Bonn, hält das Gutachten für "monumental", denn der IGH habe vollumfänglich festgestellt, dass alle vom Gericht geprüften Maßnahmen und Handlungen Israels in den besetzen palästinensischen Gebieten rechtswidrig seien.  

Für Israels Ministerpräsidenten Netanjahu spielt das Gutachten keine RolleBild: Nir Elias/Pool Photo/AP/picture alliance

Nach Veröffentlichung des Gutachtens wies Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Papier zurück und signalisierte, dass sich sein Land nicht daran halten werde. Netanjahu sprach auf der Online-Plattform X von einem "absurden Gutachten aus Den Haag". Aus dem Büro des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, hieß es, dies sei eine "historische" Entscheidung, zu deren Umsetzung Israel "gezwungen" sei, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.

Wirkung der Entscheidung - für alle Staaten

Das Gutachten ist rechtlich nicht bindend. Nach Angaben des IGH kann die antragstellende Organisation - hier die UN-Vollversammlung - entscheiden, was sie mit dem Ergebnis macht. In jedem Fall hätte ein solches Gutachten laut IGH "großes rechtliches Gewicht und moralische Autorität" und könnte den politischen Druck auf Israel auch im Hinblick auf den Krieg in Gaza erhöhen. 

Völkerrechtsprofessor Talmon sagte der DW, dass das Gutachten trotz der fehlenden Bindungswirkung von großer Bedeutung sei, denn der IGH habe grundsätzlich die Rechtslage geklärt.

Der IGH erklärte in seinem Gutachten auch, dass andere Staaten und internationale Organisationen die Situation nicht als legal anerkennen dürfen. Auch dürften Staaten keine Hilfe dazu leisten, dass die Situation weiter aufrechterhalten wird.

Daraus könnten sich etwa Fragen für den Verkauf von Produkten, die in israelische Siedlungen im Westjordanland hergestellt werden, oder für Entwicklungshilfeprojekte dort ergeben, sagt Talmon. Man dürfe zwar keine sofortigen und unmittelbaren Auswirkungen von dem Gutachten erwarten, doch könnte es in zukünftigen Verfahren vor dem Gerichtshof der EU und vor nationalen Gerichten eine wichtige Rolle spielen. 

Der illegale israelische Siedlungsaußenposten Evyatar im besetzen WestjordanlandBild: Tania Kraemer/DW

UN-Generalversammlung zum Handeln aufgefordert 

Die spürbarste Konsequenz könnte jedoch von der UN-Generalversammlung kommen, meint Talmon. Diese könnte beispielsweise eine Resolution verabschieden, in der sie Israel auffordert, das Gutachten umzusetzen. Auch wenn Israel sich an eine solche nicht halten würde, würde Israels Position mit Blick auf die besetzten Gebiete rechtlich immer unhaltbarer, meint der Völkerrechtler.

Der IGH hat insbesondere die UN-Vollversammlung, welche das Gutachten angefragt hatte, aufgefordert, Maßnahmen und weitere Handlungen zu erwägen, um die "unrechtmäßige Anwesenheit des Staates Israel in den besetzen palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu einem Ende zu bringen."

Dieser Fall ist nicht zu verwechseln mit der Klage Südafrikas gegen Israel wegen des Vorwurfs der Verletzung der Völkermord-Konvention, die auch beim IGH anhängig ist. Israel weist die Vorwürfe zurück. 

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