Drei Jahre nach dem Angriff des "Islamischen Staats" auf Jesiden haben die Vereinten Nationen ein internationales Eingreifen gefordert. Noch immer seien viele Mitglieder der Volksgruppe in der Gewalt der Islamisten.
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Tausende jesidische Geiseln in der Gewalt des "Islamischen Staats" (IS) müssten befreit werden, verlangte die UN-Kommission für Syrien, die im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates auch im Irak ermittelt.
Vom IS als Kindersoldat missbraucht
03:16
Weiter fordert die Kommission, dass die internationale Gemeinschaft den Angriff des IS auf die Jesiden als Völkermord anerkennt und die Täter bestraft werden. Den Angaben zufolge gelten Tausende jesidische Jungen und Männer seit dem Angriff vor drei Jahren im irakischen Gebiet Sindschar nahe der syrischen Grenze als vermisst. 3000 jesidische Mädchen und Frauen seien in den Händen des "Islamischen Staats".
Misshandlung, Folter und Mord
Die weiblichen Geiseln würden als Sexsklaven missbraucht, männliche Geiseln würden manipuliert und in die Reihen des IS gepresst. Die Jesiden, die ihre eigene Religion ausüben, würden misshandelt, gefoltert und getötet.
Die internationale Untersuchungskommission zu Syrien unter dem Vorsitz des brasilianischen Diplomaten Paulo Sérgio Pinheiro soll Verstöße gegen internationales Recht im syrischen Bürgerkrieg untersuchen, wo der IS ebenfalls aktiv ist.
Neue Hoffnung für jesidische Opfer des IS
Sie wurden vergewaltigt und versklavt: Jesidinnen, die vor der Terrormiliz IS flüchten konnten, haben Schreckliches berichtet. Die Universität Dohuk im Irak widmet sich dem Thema und eröffnet jetzt ein Trauma-Zentrum.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Martins
Hoffen auf Hilfe
Zwei Jahre war die heute 23-jährige Perwin Ali Baku mit ihrer Tochter in der Gefangenschaft der Terrormiliz Islamischer Staat. "Ich fühle mich nicht gut", sagt sie. Heute lebt sie in einem Flüchtlingslager im Norden des Irak, gemeinsam mit ihren Schwiegereltern. Aber Ali Baku ist angespannt: "Ich kann einfach nicht mehr schlafen", sagt sie.
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Quälende Flashbacks
Wenn Ali Baku laute Stimmen hört, zuckt sie zusammen. Es erinnert sie an ihre Entführer. Sie setzt große Hoffnung auf das Trauma-Zentrum im Irak. Es ist das erste seiner Art in der Region und wird als Teil eines größeren Projektes mit Geldern aus Baden-Württemberg finanziert. Durch ein Sonderkontingent konnte das Bundesland 1100 jesidische Frauen - verteilt auf 21 Städte und Dörfer - aufnehmen.
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Hilfe für Flüchtlinge im Kabarto-Camp
Jetzt kann auch im Irak direkt geholfen werden. Auf drei Jahre ist das Programm Baden-Württembergs angelegt, 95 Millionen Euro stellt das Land dafür bereit. Die Betroffenen sollen in der Zeit mit sozial- und traumapädagogischen sowie psychologischen Maßnahmen so weit gebracht werden, mit ihrem Schicksal zurechtzukommen.
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(Noch) keine Trauma-Behandlung
Während im 75 Kilometer entfernten Mossul die Kämpfe zwischen dem IS und den irakischen Streitkräften unvermindert weitergehen, schaffen es immer mehr Entführte, den Terroristen zu entkommen. 26 Psychiater gibt es insgesamt in der Autonomen Region Kurdistan, doch keiner ist auf Traumata spezialisiert. Zumindest noch nicht.
Licht am Ende des Tunnels
Die jesidische Gemeinschaft in Deutschland zählt 100.000 Mitglieder. Einer von ihnen ist der Trauma-Spezialist Jan Kizilhan. Er kam im Alter von sechs Jahren nach Deutschland und war die treibende Kraft bei der Einrichtung des Trauma-Instituts in Dohuk. Das Programm sieht vor, lokale Fachkräfte fortzubilden, so dass sie Frauen wie Perwin Ali Baku behandeln können.
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Fachpersonal ausbilden
30 Therapeuten sollen innerhalb der kommenden drei Jahre von lokalen und deutschen Fachkräften geschult werden. Das Programm wird dann regional ausgebaut. Ziel ist es, in den nächsten zehn Jahren mehr als 1000 Psychotherapeuten auszubilden. Studenten könnten dann einen doppelten Master-Abschluss machen - in Psychotherapie und in Traumapsychologie.
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"Pflicht, zu helfen"
Jan Kizilhan hat sich zu dem Thema auch mit dem jesidischen Oberhaupt Baba Scheich ausgetauscht, aber auch mit Tausenden jesidischen Frauen in Flüchtlingslagern: "Es geht hier um kollektive Traumata und auch um Genozid. Deshalb müssen wir helfen - es ist unsere Pflicht, zu helfen."