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UN-Konferenz gegen Plastikmüll: Wer setzt sich durch?

Alistair Walsh
30. Mai 2023

Mit einem globalen Abkommen soll der Plastikverschmutzung ein Ende gesetzt werden. Beobachter warnen, dass Lobbyisten der Gas-, Öl- und Plastikindustrie den Umwelt- und Gesundheitsschutz ausbremsen und verhindern.

Pariser Eifelturm und Plastikmüll in einer Straße
Sichtbar, was sonst unsichtbar bleibt: Plastikmüll in den Straßen von Paris während eines Streiks der MüllabfuhrBild: Thomas Padilla/AP/picture alliance

Der norwegische Klima- und Umweltminister Espen Barth Eide spielt Forderungen nach einer strikten Obergrenze für die Kunststoffproduktion herunter, sagt jedoch gegenüber der DW, dass die Herstellung von sogenanntem "Neuplastik" reduziert werden sollte.

Eide ist Ko-Vorsitzender der sogenannten High Ambition-Koaliton aus 50 Ländern, einschließlich der EU, Ruanda, Norwegen, Chile und Japan, die die Produktionsmenge von Plastik stark zurückfahren will und dies mit anderen Regierungsvertretern aus der ganzen Welt in Paris bis Freitag verhandelt. 

Andere Staaten mit großer petrochemischer Industrie wie China, USA und Saudi-Arabien wollen das Problem lediglich mit Recycling und Abfallmanagement angehen.

Mit zunehmendem Recycling und Wiederverwertung von Plastik in einer Kreislaufwirtschaft wird die Nachfrage nach neuen Kunststoffen zurückgehen. "Wir sind uns einig, dass wir zumindest die Produktion von Neukunststoffen reduzieren müssen", sagt Eide. "Je zirkulärer es wird, desto weniger (Neuplastik) muss man natürlich produzieren."

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), dass die Gespräche in Paris Woche leitet, veröffentlichte im Vorfeld einen Bericht zur möglichen Reduzierung der Plastikverschmutzung um 80 Prozent. Das Problem der Plastikproduktion könnte weitgehend vermieden werden und der Schwerpunkt stattdessen auf einer Kreislaufwirtschaft liegen.

Der norwegische Klima- und Umweltminister Eide wirbt für ein ehrgeiziges UN-PlastikabkommenBild: James Wakibia/SOPA/ZUMA/picture alliance

Umweltverbände warnen jedoch davor, dass sich die Gespräche zu sehr auf Recycling konzentrieren, anstatt die Produktion von Kunststoffen überhaupt zu reduzieren. Die Umweltgruppe Greenpeace fordert eine Reduzierung der Produktion um 75 Prozent im Vergleich zu 2017, da das Recycling der meisten Kunststoffe nach wie vor äußerst schwierig ist.

"Wenn wir uns weiterhin auf das Recycling konzentrieren und eine Reihe falscher Lösungen wie chemisches Recycling, Zementöfen oder die Umwandlung von Abfall in Energie fördern, werden wir uns mit einigen der schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels befassen", sagt Graham Forbes, globaler Projektleiter für Kunststoffe bei Greenpeace in den USA.

Wie schlimm ist das Plastikproblem?

Laut UNEP wird weltweit jährlich rund 460 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon wird global derzeit weniger als 10 Prozent recycelt, rund 65 Prozent vergraben oder verbrannt und rund 25 Prozent verbleibt in der Umwelt, im Boden und im Meer.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 wird sich der Plastikmüll bis 2060 ohne Schutzmaßnahmen verdreifachen.

Plastik wird aus Erdöl und Erdgas hergestellt und ist inzwischen überall auf der Welt, in den tiefsten Ozeanen und den höchsten Bergen, bis hin zu den Mägen von Seevögeln und menschlichen Körpern zu finden. Der Norweger Eide fand in seinen eigenen Bluttestergebnissen sogar Plastik und den dort beigemengten Chemikalien. Während das Ausmaß der Plastikverschmutzung an Land noch nicht ausreichend erforscht ist, ist sie für 80 Prozent der Meeresverschmutzung verantwortlich.

Das meiste Plastik wird nicht recyceltBild: Jurnasyanto Sukarno/epa/dpa/picture alliance

Melanie Bergmann, Meeresbiologin am deutschen Alfred-Wegener-Institut, begann mit der Untersuchung der Plastikverschmutzung, als sie mit riesigen Mengen an Plastikmüll konfrontiert wurde, die ihre Studien selbst auf dem tiefen Meeresboden der Arktis beeinträchtigten. Seitdem hat Bergmann gefrorenes Plastik im arktischen Meereis, in Algen, in winzigem Zooplankton und in Tiefseesedimentproben gefunden.

Dennoch haben Erdöl- und Erdgasunternehmen wie Shell und ExxonMobil ihre Produktion hochgefahren und Milliarden in neue Kunststoffproduktionsanlagen investiert. Sie wollen so neue Märkte für ihre Produkte erschließen und der Verlagerung auf erneuerbare Energien entgegenwirken. "Während wir über die Reduzierung der Plastikverschmutzung diskutieren, bauen sie neue Fabriken. Und wir haben nicht einmal die Kapazitäten, die Auswirkungen oder das Ausmaß der Verschmutzung zu überwachen", sagt Bergmann.

Eine aktuelle Studie ergab, dass nur 20 petrochemische Unternehmen für mehr als die Hälfte des weltweiten Einwegplastikmülls verantwortlich sind.

USA und Saudi-Arabien zögern beim Plastikabkommen

Letztes Jahr einigten sich die Länder auf die Verabschiedung eines Plastikabkommens und erkannten an, dass die Plastikverschmutzung ein ernstes Umweltproblem darstellt. Aber der Umgang mit diesem Problem bleibt zwischen den Ländern umstritten.

Mehrere Insider berichteten im vertraulichem Gespräch gegenüber der DW, dass das große Erdölförderland Saudi-Arabien den größten Widerstand gegenüber einem ehrgeizigen Plastikabkommen zeige mit Verzögerungen bei Verfahrensfragen und Abstimmungsregeln. Ebenfalls wenig ambitioniert zeigten sich die USA, China und Indien bei den Gesprächen.

Den USA wurde vorgeworfen, die Forderungen von Lobbygruppen wie dem American Chemical Council (ACC) nachzuahmen, den Schwerpunkt weiterhin auf Recycling zu legen und Kontrollen einzuschränken. Außerdem wurde den USA vorgeworfen, dass sie Maßnahmen unterstützten, die lediglich auf freiwilligen Zusagen der Staaten zur Plastikreduktion beruhen.

Andere, wie der norwegische Klimaminister Eide und Umweltgruppen, fordern, dass der globale Vertrag rechtsverbindliche Regeln festlegen sollte. Es den einzelnen Ländern zu überlassen, wäre unfair gegenüber Regionen wie Lateinamerika und Afrika, die nicht viel Plastik oder Chemikalien herstellen, sagt Björn Beeler vom internationalen Netzwerk zur Schadstoffbeseitigung und giftfreie Zukunft (IPEN) mit Sitz in Schweden. "Das Klimamodell mit nationalem Ansatz (anstelle verbindlicher globaler Regeln) wäre also wieder ein Misserfolg, weil man ein globales Problem nicht wirklich auf nationaler Ebene lösen kann", sagt Beeler.

Umgang mit Plastikmüllflut und darin enthaltenen Giftstoffen

Die High Ambition-Koalition will einen umfassenden Ansatz zur Beendigung der Plastikverschmutzung bis 2040 und verknüpft das Problem mit der Klimakrise und dem Verlust der biologischen Vielfalt.

In einer Pressemitteilung weist die Gruppe auch auf die Beschleunigung der Produktion von Einwegkunststoffen hin und betont, dass die Welt nicht mit der wachsenden Abfallmenge umgehen könne. Eide aus Norwegen sagt, man solle den Fokus auf die Herstellung von besserem Kunststoff setzten, dort gefährliche chemische Zusatzstoffe vermeiden und so das Recycling erleichtern.

"Wir wollen Plastik natürlich nicht loswerden, denn Plastik wird es in Zukunft in vielen Formen geben", sagt Eide im Gespräch mit der DW.

Der Vertrag sollte sich auf "Kunststoffe konzentrieren, die am stärksten zur Umweltverschmutzung neigen, entweder weil sie giftige Substanzen enthalten, weil sie nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt sind oder weil sie so hergestellt sind, dass sie sehr schwer oder sogar unmöglich zu recyceln sind", so Eide.

Die High Ambition-Koalition betont die gesundheitlichen Bedenken von Kunststoffen und verweist auf die darin enthaltenen gefährlichen Chemikalien. Laut UNEP gelten mindestens 3.200 der 13.000 verschiedenen Chemikalien, die mit Kunststoffen in Zusammenhang stehen, als besorgniserregend.

Was machen die Kunststoffhersteller?

Der Verband der Plastikhersteller, die Plastics Industry Association, will keine Begrenzung der globalen Plastikproduktion. Gegenüber der DW verteidigt dies der Verband und erklärt, er unterstütze den Ansatz einer Kreislaufwirtschaft.

Durchgesickerte Informationen an die Nachrichtenagentur Reuters ergaben, dass die US-Lobbygruppe ACC und ihr Brüsseler Gegenstück Plastics Europe hinter den Kulissen daran gearbeitet haben, den Umfang des geplanten Plastikabkommens einzuschränken. Sie haben die Allianz "Business for Plastic Pollution Action" gegründet, um auf die Vorteile von Kunststoff hinzuweisen.

Eine Gruppe von 174 NGOs, Wissenschaftlern und Organisationen – darunter die bekannte Verhaltensforscherin Jane Goodall, Greenpeace und das Center for International Environmental Law – haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie UNEP auffordern, den Einfluss von Lobbyisten der Gas-, Öl- und Plastikindustrie in den Verhandlungen zu begrenzen.

Die Gruppe zitiert im Brief das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte: Das sagt, es bestehe ein "grundlegender und unversöhnlicher Konflikt zwischen den Interessen der Kunststoffindustrie … und den Menschenrechten und politischen Interessen der von der Kunststoffkrise betroffenen Menschen."

Redaktion: Jennifer Collins

Adaptiert aus dem Englischen von Gero Rueter

Mikroplastik auf der Spur

28:36

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