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Politik

UN: Maas als Vermittler in unruhigen Zeiten

24. September 2021

Der Disput zwischen den USA und Frankreich wirft ein Schlaglicht auf geostrategische Realitäten. Mitten drin in einer turbulenten Woche bei den Vereinten Nationen in New York: Heiko Maas, der Bundesaußenminister.

Bundesaussenminister Maas in New York USA
Bild: Felix Zahn/Photothek/picture alliance

Es ist noch früh am Morgen und dennoch herrscht schon geschäftiges Treiben in der deutschen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York. Deutschland ist Gastgeber eines Treffens zum libyschen Friedensprozess. Es ist der Versuch, dem Land auf seinem Weg zu den ersten demokratischen Wahlen Ende des Jahres unter die Arme zu greifen.

Außenminister Heiko Maas hat die Sicherung der Stabilität in Libyen zu einem seiner wichtigsten Themen in den vergangenen vier Jahren gemacht. Im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW) in New York schwingt in seiner Stimme Stolz auf das Erreichte mit: "Der Bürgerkrieg ist dort beendet, der Waffenstillstand hält. Dass uns das gelungen ist, ist eine sehr, sehr positive Entwicklung."

Unaufgeregt und unbewaffnet

Heiko Maas steht kurz vor dem Ende seiner Amtszeit, am Sonntag wird in Deutschland gewählt, ob er einer künftigen Bundesregierung angehören wird, ist ungewiss. Für den zurückhaltenden Sozialdemokraten aus dem kleinen Bundesland Saarland an der französischen Grenze sind es Treffen wie diese in New York, die deutlich machen, was Deutschland auf der Weltbühne ausmacht: Andere zusammenzubringen, um Probleme in einem Rahmen zu lösen, dem sie vertrauen können. Unaufgeregt und unbewaffnet: Für Maas ist dies die Verkörperung des "Multilateralismus", zu dem sich Deutschland traditionell in der Welt bekennt.

Die Zusammenkunft ist die letzte in einer ganzen Reihe von Treffen, zu denen Maas eingeladen hatte, um die Spannungen zwischen den ehemals verfeindeten libyschen Fraktionen einerseits und zwischen rivalisierenden Gruppierungen ausländischer Streitkräfte, die von Ländern wie der Türkei und Russland unterstützt werden, andererseits zu bewältigen.

Es ist keine einfache Gemengelage und zu allem Überfluss wird das Treffen dieses Mal noch von einem ganz anderen Konflikt überlagert: Zum ersten Mal seit dem Ausbruch eines gewaltigen diplomatischen Disputs sitzen die Spitzendiplomaten Frankreichs und Amerikas im selben Raum zusammen. Grund für den Streit: Ein US-Rüstungsgeschäft mit Australien, das ursprünglich mit Frankreich vereinbart worden war und Paris nun fünfzig Milliarden Euro kosten soll.

Der französische Außenminister Le Drian (links) und sein amerikanischer Amtskollege Blinken begrüßen sich in New YorkBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Melodrama par excellence

Die Stimmung ist dementsprechend angespannt und wird auch dann nicht besser als US-Außenminister Tony Blinken als einer der letzten zu dem Treffen dazustößt: "Jean-Yves!" ruft er etwas zu bemüht fröhlich durch den Raum als er seinen französischen Amtskollegen Le Drian erspäht. Die Männer schütteln sich kurz die Hände, tauschen die inszenierte Vertrautheit von Politikern mit einem Klaps auf den Oberarm aus, bevor Blinken schnell weiter durch den Raum geht. Heiko Maas sieht in diesen Minuten aus wie jemand, der ein unglückliches Paar zum Abendessen eingeladen hat. Es folgt ein recht unbeholfenes Foto mit den Gastgebern, bevor sich die beiden Männer an einen Tisch setzen, der sie über die gesamte Dauer des Treffens dazu zwingen wird, sich gegenüber zu sitzen. Als Le Drian später aus dem Gebäude kommt, ist er nicht in der Stimmung, der DW zu erzählen, wie alles gelaufen ist. Er eilt mit einem "Merci, bonne journée a vous!" vorbei.

Wie tiefgreifend die Irritationen auf diplomatischer Ebene waren, war für Pressevertreter in dieser kurzen Sekunde nur erahnen. Allen voran französische Diplomaten waren allerdings regelrecht schockiert über den US-Deal mit Australien, der im Geheimen ausgehandelt worden war und die Regierung in Paris anscheinend völlig überrascht hatte. Für Emanuel Macron, den stolzen Führer einer noch stolzeren Nation, war es eine Demütigung vor den Augen der gesamten Welt. Daran konnte auch ein kurzfristig anberaumtes Telefonat mit US-Präsident Joe Biden nichts ändern. Der deutsche Außenminister zeigte sich mit der französischen Regierung in New York solidarisch. Für Heiko Maas war es eine "ernüchternde" Erfahrung zu sehen, wie die USA ihre Verbündeten behandeln können, das habe eine ganze Menge "Irritationen" hervorgerufen. "Da fragt sich natürlich jeder selber: Wie wäre das in einem Fall, in dem ich der Betroffene bin?!", so Maas gegenüber der DW.

Wie umgehen mit den USA?

Schon bei dem chaotischen Truppenabzug aus Afghanistan hatten viele US-Verbündete das Gefühl, nicht vollständig konsultiert worden zu sein. Die jüngste Episode verstärkt nun die Befürchtung, dass Joe Biden, wenn es darauf ankommt, US-amerikanische Interessen genauso knallhart durchsetzen könnte wie sein Vorgänger im Amt Donald Trump. Auf viele Diplomaten in New York wirkt Bidens gefeierter Slogan "America is back" in diesen Tagen bemerkenswert inhaltsleer.

Ein Foto aus besseren Tagen: Emanuel Macron und Joe Biden im Gespräch beim NATO-Gipfel im Juni 2021Bild: Dursun Aydemir/AA/picture alliance

Doppelt verwirrend an dem Deal mit Australien erschien vielen Diplomaten die Tatsache, dass er sich auf den indopazifischen Raum konzentrierte. Genau dort war die Biden-Administration bisher am meisten darauf bedacht, demokratische Verbündete auf ihre Seite zu ziehen, um gegen das autoritäre China vorzugehen. Gerade im Umgang mit China ist die Uneinigkeit des Westens für Heiko Maas geradezu kontraproduktiv, im Gespräch mit der DW richtet er seinen Blick daher auf die zukünftige Rolle der Europäische Union (EU): "Wir sehen, dass sich die Vereinigten Staaten vor allem im Indo-Pazifik engagieren wollen und möglicherweise nicht mehr in anderen Regionen, in denen sie vorher auch gewesen sind." Für die EU werde es daher zwingend notwendig sein, "eine eigene europäische Linie zu entwickeln", hin zu einer Art "europäischen Souveränität".

Das "M"-Wort als Lösung

Dass ihm Europa als Antwort allerdings nicht reicht, hatte Maas in dieser Woche in New York noch einmal deutlich gemacht und dabei auf sein eigenes Projekt verwiesen. Getreu der traditionellen Linie deutscher Außenpolitik hatte er auf der UN-Generalversammlung 2019 die "Allianz für Multilateralismus" mit ins Leben gerufen. Sie war gedacht als Gegenentwurf zu Donald Trumps "America First". Diese Woche war die Allianz, inzwischen auf sechzig Mitgliedsstaaten einschließlich der Vereinigten Staaten angewachsen, erneut zusammengekommen und Heiko Maas gab noch einmal alles: "Wir wissen, dass Multilateralismus harte Arbeit ist, dass er Zeit braucht", so der deutsche Außenminister zum Abschluss seiner Rede. "Aber wir wissen auch, dass er aller Anstrengungen wert ist."