Der inhaftierte Ex-Präsident möchte gerne wieder Präsident werden. Das wollen seine politischen Gegner verhindern. Der UN-Menschenrechtsausschuss mahnt, Lula da Silva dürfe nicht seiner politischen Rechte beraubt werden.
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Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen forderte die brasilianische Regierung auf, den wegen Korruption inhaftierten Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva bei der Präsidentschaftswahl im Oktober antreten zu lassen. Lula dürfe als Kandidat nicht von der Wahl ausgeschlossen werden, solange er nicht alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft habe, gegen seine Verurteilung vorzugehen, erklärte das Gremium in Genf.
Daher werde Brasilien aufgefordert, "sämtliche notwendigen Schritte zu ergreifen, um dafür zu sorgen, dass Lula seine politischen Rechte als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl auch vom Gefängnis aus wahrnehmen kann", verlangte der UN-Menschenrechtsausschuss. Brasilien ist als Unterzeichnerstaat der internationalen Konvention über die Bürgerrechte dazu verpflichtet, dem Hinweis des Ausschusses zu folgen.
In einer ersten Reaktion erklärte das Außenministerium in der Haupstadt Brasilia, die UN-Konventionen über die Bürgerrechte würden vollständig eingehalten. Diese entsprächen zudem der Verfassung des Landes, die ohne Wenn und Aber auch im Fall Lula eingehalten werde.
Streitpunkt: Darf Lula kandidieren ober nicht
In Brasilien wird am 7. Oktober ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Der in eine Reihe von Korruptionsaffären verwickelte rechtskonservative Amtsinhaber Michel Temer tritt nicht wieder an. 13 Politiker aus allen politischen Lagern werden sich zur Wahl stellen.
Doch die spannendste Frage ist immer noch nicht geklärt: Wird der inhaftierte Ex-Präsident Lula, der populärste Politiker des südamerikanischen Landes, überhaupt antreten dürfen? Vor zwei Tagen erklärte er formell seine Kandidatur für die linke Arbeiterpartei (PT). In allen Umfragen liegt Lula vor allen seinen Mitbewerbern um das Präsidentenamt.
Brasiliens Generalstaatsanwältin Raquel Dodge und eine Reihe rechter Politiker legten direkt nach Lulas Einschreibung in die Kandidatenliste Beschwerde dagegen ein. Das Oberste Wahlgericht muss nun bis Mitte September entscheiden, ob die Kandidatur Lulas zulässig ist.
Stolperstein: Gesetz aus Lulas Präsidentenzeit
Ausgerechnet ein von ihm selbst als Präsident eingebrachtes Gesetz verbietet die Bewerbung von Vorbestraften für öffentliche Ämter. Demnach sind in zweiter Instanz verurteilte Staatsbürger nicht wählbar, was bei Lula der Fall wäre, sollten alle juristischen Wege ausgeschöpft sein. Genau darum wird in Brasilien gestritten.
Der 72-Jährige trat erst im April eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Korruption und Geldwäsche an. Er bestreitet weiter alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe und erklärt seine Verurteilung für politisch motiviert. "Weil alle Umfragen zeigen, dass ich die Wahl im Oktober leicht gewinnen würde, versucht die extreme Rechte in Brasilien, mich aus dem Rennen zu nehmen", schrieb der Ex-Präsident zuletzt in der "New York Times" und fuhr fort: "Wenn sie mich schlagen wollen, sollen sie es bei den Wahlen tun."
qu/mak (rtr, afp, dpa, ape)
Brasilien: Präsident gesucht
13 Kandidaten haben sich für die Präsidentschaftswahlen in Brasilien registriert. Der Prominenteste sitzt hinter Gittern. Ob sein Name auf dem Wahlzettel stehen wird, ist fraglich. Dahinter ist das Rennen offen.
Bild: Reuters/P. Whitaker
Luiz Inácio "Lula" da Silva, PT (Arbeiterpartei)
Ex-Präsident Lula da Silva beendete seine zwei Präsidentschaften mit unübertroffener Beliebtheit. Und auch jetzt führt er seit 2017 die Umfragen an, obwohl er wegen Korruption verurteilt im Gefängnis sitzt. Seine Kandidatur dürfte daher abgelehnt werden. Wenn es so kommt, will der PT den ehemaligen Bürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad, aufstellen.
Bild: Getty Images/V.Moriyama
Jair Bolsonaro, PSL (Sozialliberale Partei)
Bolsonaro, 63, ein ehemaliger Soldat und langjähriger Abgeordneter, gilt als ultrakonservativ. Er spricht sich gegen Homosexualität aus, will den freien Waffenbesitz erlauben, lobt die vergangene Militärdiktatur und billigt Folter. Ohne Lula würde er die Meinungsumfragen anführen. Bolsonaro setzt auf die sozialen Medien, um die fehlenden Ressourcen seiner kleinen Partei auszugleichen.
Bild: Reuters/L. Benassatto
Marina Silva, REDE (Mitte-links-Umweltpartei)
2010 und 2014 war die ehemalige PT-Ministerin Drittplatzierte. Bei ihrer dritten Kandidatur tritt sie erstmals mit ihrer eigenen Partei an. Aber ihre TV-Sendezeit und ihre Wahlkampfmittel sind sehr begrenzt, und sie hatte Probleme, einen Koalitionspartner zu finden. Nun zählt sie auf die Unterstützung der kleinen Grünen Partei. Silva wirbt im Wahlkampf für ethische Grundsätze in der Politik.
Bild: Imago/Fotoarena
Ciro Gomes, PDT (Mitte-links-Partei)
Der ehemalige Gouverneur und Minister kandidiert mit 60 Jahren zum dritten Mal für die Präsidentschaft. 2018 stellt er angesichts der Probleme Lulas eine Alternative für das linke Spektrum dar. Er konzentriert sich vor allem auf Wirtschaftsthemen. Trotz Annäherungsversuchen mit der PT fehlt ihm der Koalitionspartner.
Bild: Imago/Fotoarena
Geraldo Alckmin, PSDB (Mitte-rechts-Partei)
Der ehemalige Gouverneur des Staates São Paulo versucht zum zweiten Mal, die Präsidentschaft zu erringen. Der 65-Jährige hat zwar mit dem "Zentrum", ein für Ämterpatronage bekanntes Bündnis von Kleinparteien, die größte Unterstützerallianz, scheitert aber in den Umfragen. 2006 schaffte er es zwar völlig überraschend in die Stichwahl, unterlag dann aber.
Bild: Getty Images/AFP/E. Sa
Alvaro Dias, Podemos (Liberale Partei)
Der Senator aus dem Bundesstaat Paraná pflegt einen moralisierenden Diskurs und ist voll des Lobes für die Anti-Korruptionsermittlung "Lava Jato". Dias, 73, gehörte schon acht Parteien an, was selbst für brasilianische Verhältnisse viel ist. Besonders in Südbrasilien hat er gute Umfragewerte und gilt daher als gefährliche Konkurrenz für Alckmin, dessen Partei dort eine starke Basis hat.
Bild: Agência Brasil/A. Cruz
Henrique Meirelles, MDB (Mitte-Partei)
Der ehemalige Finanzminister (r.) ist der Kandidat der Regierung von Präsident Michel Temer und verteidigt dessen Wirtschaftspolitik. Aber seine Verbindung mit dem unbeliebten Präsidenten schadet seiner Kampagne. Auch der 72-Jährige hat keine potenziellen Koalitionspartner gefunden. Meirelles ist nach 24 Jahren der erste Präsidentschaftskandidat seiner Partei.
Bild: Reuters/A. Machado
Guilherme Boulos, PSOL (Links-Partei)
Boulos, 36, ist Anführer der Obdachlosenbewegung. An seiner Ernennung zum Kandidaten spaltete sich seine Partei. Seine Nähe zum PT-Kandidaten Lula wurde von innerparteilichen Gegnern stark kritisiert. Er kämpft für eine gleichmäßigere Einkommensverteilung und gegen Präsident Temer, ist aber in den Umfragen bisher abgeschlagen.
Bild: Agência Brasil/R. Riosa
Sechs weitere Kandidaten
Unter ihnen ist der liberale Ex-Bankier João Amoêdo der Partei Novo und die Gewerkschaftlerin Vera Lúcia der sozialistischen Arbeiterpartei PSTU. José Maria Eymael tritt mit seiner christdemokratischen DC zum vierten Mal an. Cabo Daciolo (Bild) vertritt die rechtsradikale Partei Patriota, João Vicente, Sohn des früheren Präsidenten João Goulart, tritt für die linke Partei "Freies Vaterland" an.