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KonflikteSudan

UN-Vermittler zum Sudan: Müssen langen Krieg verhindern

Kossivi Tiassou
5. Mai 2023

Volker Perthes weist Vorwürfe einer Schuld des Westens am Sudan-Konflikt zurück. Im DW-Interview spricht der UN-Sonderbeauftragte auch über die russische Wagner-Gruppe - und die Gefahr durch "Glückssucher".

Ein Junge von hiten aufgenommen am Hafen
Warten in Port Sudan auf ihre EvakuierungBild: El Tayeb Siddig/REUTERS

DW: Herr Perthes, Sie sind gestern am sudanesischen Seehafen Port Sudan angekommen, von wo aus Menschen versuchen, per Schiff den Kämpfen zu entfliehen. Die Frustration der Zivilisten im Sudan ist groß. Sie wurden bei Ihrer Ankunft im Sudan von Demonstrationen begrüßt. Welche Botschaft nehmen Sie mit?

Volker Perthes: Wir wurden nicht von Demonstranten begrüßt, sondern vom Gouverneur des Red Sea State, also des Bundesstaates, in dem sich Port Sudan befindet. Aber Sie haben Recht: Es gab gestern eine Demonstration von ungefähr 150 Personen aus einem bestimmten politischen Lager, die sich gegen die Anwesenheit der UN und gegen meine Anwesenheit ausgesprochen haben. Das ist Teil der politischen Auseinandersetzung, die hier im Sudan zwischen sudanesischen Parteien und Kräften stattfindet.

In der Hauptstadt Khartum, aber auch in anderen Landesteilen wie Darfur oder Kordofan wird gekämpft. Der amerikanische Geheimdienst rechnet damit, dass der Konflikt sich noch lange hinziehen wird. Ist das auch Ihre Meinung?

Wir arbeiten als Vereinte Nationen darauf hin, auch mit anderen internationalen Partnern und vor allem mit der sudanesischen Gesellschaft, dass es kein langer Krieg wird. Der erste Schritt muss ein fester Waffenstillstand sein, nicht nur eine Erklärung von Waffenruhen, sondern ein Waffenstillstand mit einem Überwachungsmechanismus. Von da muss es dann einen Schritt geben zu Gesprächen zwischen den kämpfenden Parteien, in der Hoffnung, wieder eine funktionierende Regierung in einer stabileren Situation zu installieren. Der amerikanische Geheimdienst hat seine eigenen Einschätzungen, die werde ich nicht kommentieren. Aber unser Ziel ist, genau das zu verhindern: dass es einen langen Krieg gibt, der das Land an den Abgrund bringen dürfte.

Volker Perthes, Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs für den Sudan Bild: ASHRAF SHAZLY/AFP/Getty Images

Welche Rolle spielen hier die nördlichen Nachbarländer Ägypten und Libyen? Einige Beobachter gehen davon aus, dass der Konflikt ohne Ägypten und den libyschen General Chalifa Haftar nicht gelöst werden kann, zwei Unterstützer der kämpfenden sudanesischen Militärs Abdel Fattah al-Burhan und Mohamed Hamdan Daglo.

Haftar ist der Unterstützer einer der beiden Parteien, aber er hat keine entscheidende Rolle in diesem Krieg. Richtig ist die Frage nach den Nachbarstaaten - Ägypten, Südsudan, aber auch andere. Für eine feste Lösung, für eine Lösung, die das Land stabilisiert, brauchen wir den Beitrag dieser Nachbarstaaten. Südsudan hat sich bereits sehr aktiv ins Spiel gebracht. Die derzeitige Waffenruhe, die allerdings nicht voll eingehalten wird, ist von Salva Kiir, dem südsudanesischen Präsidenten, verhandelt worden. Auch Ägypten setzt sich für einen Waffenstillstand als ersten Schritt zur Beendigung des Krieges ein.

Es gibt auch Spekulationen über die Beteiligung von Söldnern der russischen paramilitärischen Wagner-Gruppe, die im Sudan präsent ist, in dieser Krise. Was wissen Sie darüber?

Ich habe keine konkreten Anzeichen dafür, dass es eine Beteiligung von Wagner-Söldnern an diesem Krieg gibt. Ich kann das weder bestätigen, noch kann ich sagen, dass es nicht der Fall wäre.

Nachbarländern wie Ägypten kommt eine doppelte Bedeutung zu: als Vermittler im Konflikt und Empfänger von FlüchtlingenBild: -/AFP via Getty Images

Die Gewalt hält an - allen Waffenstillstands-Vereinbarungen zum Trotz -, die humanitäre Lage spitzt sich zu. Was kann jetzt konkret getan werden?

Die Vereinten Nationen sind hier, um unter den beschränkten Möglichkeiten, die wir heute haben, weiter humanitäre Hilfe zu leisten. Das ist schwierig geworden: Die Lagerhäuser des Welternährungsprogramms in Darfur sind geplündert worden, mehrere Lastwagen mit Lebensmittelhilfen sind auf dem Weg nach Darfur überfallen und geplündert worden. In Khartum haben wir große Schwierigkeiten, Zugänge zu bekommen, um etwa Krankenhäuser mit Medikamenten auszurüsten. Es gibt ein Schiff der Weltgesundheitsorganisation, das in Port Sudan jetzt angedockt ist, wo wir aber noch auf eine Genehmigung warten, es überhaupt entladen zu dürfen.

Wo wir arbeiten können zurzeit, das ist in den Gebieten, wo es keine Kämpfe gibt, insbesondere im Osten und im Zentrum des Landes. Da können wir effektiv helfen, sei es mit Gütern, sei es mit Geld für Flüchtlinge, sei es mit Medikamenten, sei es mit der Ausstattung von Krankenhäusern oder mit Chemikalien oder Geräten, um Wasser aufzubereiten und trinkbar zu machen.

Über das jordanische Amman (Bild) und Port Sudan kommen viele Hilfsgüter ins Land. Doch manches wird dort geplündert.Bild: ICRC/AFP

Die andere Sorge der humanitären Helfer gilt den Flüchtlingen, die teils in schwierigen Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik oder dem Tschad Zuflucht gefunden haben. Wie groß ist jetzt die Gefahr, dass die Region weiter destabilisiert wird?

Ein Krieg destabilisiert immer, und selbstverständlich ist es so, dass Nachbarstaaten in der einen oder anderen Weise beeinträchtigt sind und beeinflusst sind von einem solchen Krieg. Der eine Aspekt, den haben Sie angesprochen, sind Flüchtlingsbewegungen. Aber wir haben auch Bewegungen in die andere Richtung: Aus den Sahel-Staaten, aus Mali, aus dem Niger, aus dem Tschad kommen, ich will mal sagen, "Glückssucher" und Söldner, und das sind nicht wenige, zur Unterstützung einer der Kriegsparteien, der RSF, in den Sudan. Das ist keine offizielle Politik dieser Staaten, sondern das sind Menschen, die im Bürgerkrieg im Sudan versuchen, Gelegenheiten zu finden, häufig auch einfach nur Gelegenheiten, um zu rauben und sich zu bereichern.

Einige geben der internationalen Gemeinschaft und insbesondere dem Westen die Schuld an der aktuellen Situation im Sudan wegen der Beziehungen, die sie in der Vergangenheit zu den beiden Generälen gepflegt haben. Tragen die westlichen Länder eine Verantwortung für diesen Konflikt?

Die Verantwortung für diesen Konflikt liegt in erster Linie bei den sudanesischen Militärs, also bei den militärischen Führern beider Seiten und bei den militärischen Institutionen, die hier im Krieg miteinander liegen. Beide Seiten versuchen, internationale Unterstützung zu gewinnen. In meiner Position als Vertreter der Vereinten Nationen kann ich die Politik einzelner Mitgliedsstaaten hier nicht kommentieren, aber mein Rat auch an sudanesische Gesprächspartner ist, die Schuld bei denen zu suchen, die den Krieg führen, und nicht bei ausländischen Akteuren, die in der einen oder anderen Weise versucht haben, Spannungen zu mildern. Ob wir davon genug getan haben, ob wir es energisch genug getan haben, das ist etwas, was Historiker und Journalisten später sicherlich beurteilen werden.

Liegt ein Problem nicht auch darin, dass die Demokratiebewegung im Land zu wenig Unterstützung erhalten hat?

Wissen Sie, diese Kritik an dem, was die Internationalen tun, einschließlich der Vereinen Nationen, die in einem Satz sagt, wir haben die Demokratiebewegung nicht genug unterstützt oder wir haben zu stark gepuscht, dass der Sudan nach dem Militärcoup vom 25. Oktober 2021 zurück zu ziviler Regierung und Demokratie führt... diese Kritik bezieht sich auf das gleiche Phänomen, und entweder Sie sagen, die Internationalen haben zu viel von dem einen gemacht, oder sie haben zu wenig von dem Gleichen gemacht. Ich denke, die internationale Gemeinschaft hat versucht, die sudanesischen Akteure von allen Seiten dabei zu unterstützen, nach dem Militärcoup von 2021 wieder zurück zu einer Transition zur Demokratie zu finden. Dabei haben wir all die unterstützt, die bereit waren, miteinander zu reden und miteinander eine neue Verhandlungsgrundlage zu finden.

Die Zivilgesellschaft ist frustriertBild: Mahmoud Hjaj/AA/picture alliance

Die internationale Gemeinschaft ist ja nicht eine Gemeinschaft, die unbedingt einer Meinung ist. Aber es gibt hier genügend internationale Akteure - die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union, die subregionale Organisation IGAD sowie einige Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen -, die sich aktiv darum bemühen, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Teile der sudanesischen Zivilgesellschaft fordern sicherlich eine aktivere Politik im Sinne von afrikanischen oder internationalen Truppen, aber dies braucht auch den notwendigen internationalen Konsens, etwa im Sicherheitsrat, den wir hier sicherlich nicht haben würden.

Volker Perthes ist seit 2021 Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs für den Sudan und Leiter der UN-Mission UNITAMS. Zuvor leitete er die Stiftung Wissenschaft und Politik und das Deutsche Institut für Internationale Politik und Sicherheit.

Das Interview führte Kossivi Tiassou.