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Politik

UN: Viele Ortskräfte in Afghanistan getötet

14. Dezember 2021

Seit der Machtübernahme der Taliban müssen einheimische Helfer des Westens um ihr Leben bangen. Die Islamisten üben Rache - und buhlen zugleich um Anerkennung.

Afghanistan Taliban Tötungen Symbolbild
Zahlreiche Exekutionen: Taliban-Kämpfer im Oktober in der Provinz Badghis (Symbolbild)Bild: HOSHANG HASHIMI AFP via Getty Images

Mehr als 100 ehemalige afghanische Sicherheitskräfte, andere Militärangehörige, Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit der Machtübernahme der Taliban am Hindukusch getötet worden. In mindestens 72 Fällen seien die Taten von der radikalislamistischen Gruppe verübt worden, sagte die stellvertretende Hochkommissarin für Menschenrechte, Nada Al-Nashif, in Genf.

Auch seien mindestens acht afghanische Aktivisten und zwei Journalisten sowie mindestens 50 mutmaßliche Mitglieder eines Ablegers der mit den Taliban rivalisierenden IS-Miliz umgebracht worden. Al-Nashif zufolge wurden mehrere Leichname "öffentlich zur Schau gestellt". Darüber hinaus rekrutierten die Taliban Kindersoldaten und sie unterdrückten Frauen. Mit Blick auf Richter, Staatsanwälte, Anwälte und vor allem auf Frauen im Justizwesen, sei die Sicherheitslage alarmierend.

Errungenschaften aus zwei Jahrzehnten zunichte

Auch der Gesandte der ehemaligen afghanischen Regierung, der von den Vereinten Nationen noch immer als UN-Botschafter seines Landes anerkannt wird, zeichnete vor dem Menschenrechtsrat ein düsteres Bild. Nasir Ahmed Andischa warf den Taliban zahlreiche Menschenrechtsverstöße, gezielte Tötungen und Verschleppungen vor. Die Islamisten begingen völlig ungestraft Misshandlungen. Hierbei gebe es eine hohe Dunkelziffer. Seit der militärischen Übernahme der Hauptstadt Kabul würden die Errungenschaften der vergangenen zwei Jahrzehnte ins Gegenteil verkehrt, sagte der UN-Botschafter.

Wer der alten Regierung gedient hat, schwebt in Gefahr - hier ein Polizist vor der Machtübernahme der Taliban (Archivbild)Bild: WAKIL KOHSAR/ AFP via Getty Images

Die Taliban hatten im August die vormalige Regierung in Afghanistan gestürzt. Zuvor waren das US-Militär und dessen Verbündete aus dem Land abgezogen. Die Islamisten bemühen sich seither um die internationale Anerkennung und um humanitäre Hilfe, um eine Hungerkatastrophe zu verhindern. Die Weltbank hatte am Freitag eingefrorene Hilfsgelder für Afghanistan freigegeben. Die Mittel waren nach der Machtübernahme der Taliban blockiert worden.

"Nicht einfach die Hände in Unschuld waschen"

Heather Barr, die stellvertretende Leiterin der Frauenrechtsabteilung von Human Rights Watch, sagte der Deutschen Welle (DW), die Islamisten hätten viele Frauen aus der Erwerbsarbeit gedrängt. Deshalb seien Familien, die von arbeitenden Frauen unterstützt wurden, am schnellsten und am stärksten in Not geraten.

In Kabul verkauft ein Straßenhändler zurückgelassene Essensrationen des US-Militärs (Archivbild)Bild: ALI KHARA/Reuters

Die internationale Gemeinschaft könne aber nicht einfach "ihre Hände in Unschuld waschen" und auf die Taliban verweisen, obwohl westliche Mächte Afghanistan seit 20 Jahren kontrolliert und eine "unglaubliche Abhängigkeit von Hilfsgütern" erzeugt hätten, sagte Barr.

Auch UN-Vertreterin Al-Nashif äußerte sich im DW-Interview besorgt über den "schrumpfenden zivilen Raum" in Afghanistan, besonders für Frauen. Dennoch müsse man "praktisch mit den De-facto-Behörden zusammenarbeiten". Die Vereinten Nationen unterstützten die Menschen im Land, "ohne die Augen vor den Gräueltaten der Taliban zu verschließen".

jj/uh (afp, rtr, epd, DW)