Warum Unabhängigkeit für Frauen in Indien so schwer ist
18. November 2025
Für die 40-jährige Sutapa Sikdar bedeutete die Suche nach einer eigenen Wohnung am Stadtrand von Neu-Delhi, dass sie sich einem wahren Fragenhagel von Vermietern und Maklern zu ihrer Familiengeschichte stellen musste.
"In manchen Wohngebieten durfte ich nicht einziehen, weil ich eine Frau bin", sagt Sikdar. "Wenn man alleinstehend oder geschieden ist, sagen die Vermieter, dass das nicht geht."
Sikdars Erfahrung ist kein Einzelfall. Die DW sprach mit mehr als einem halben Dutzend allein lebender Frauen in indischen Städten - von Metropolen wie Mumbai, Delhi, Chennai und Bangalore bis hin zu kleineren Städten wie Raipur.
Viele von ihnen stoßen auf Hürden wie Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt und werden von ihren Nachbarn kritisch beäugt. Ständig müssen sie zwischen Sicherheit und Unabhängigkeit abwägen. Im Alltag begegnen sie oft Vermietern, die wohnungssuchende Frauen ohne Familie ablehnen. Und selbst Frauen, die eine Wohnung finden, müssen feststellen, dass ihre neuen Nachbarn sie ständig beobachten.
Mietwohnungssuche "schwierig"
Sangita Rajan aus der Küstenstadt Chennai lebt jetzt in einer Wohngemeinschaft. Die 30-Jährige hat schon einmal alleine gewohnt. Der Prozess bis dahin sei aber "schwierig" gewesen.
"Wo immer ich hinkam, fragten mich die Makler, ob ich Single oder verheiratet bin oder mit jemandem zusammenwohne", sagt sie.
Rajan berichtete, dass sie mit ähnlichen Vorurteilen konfrontiert gewesen sei, als sie allein in Delhi lebte. "Man geht davon aus, dass der Lebensstil von Singles fragwürdig ist, dass man ständig feiert oder Unruhe stiftet."
Auch jetzt noch, so Rajan, behielten ihre Nachbarn sie genau im Blick. "Sie beobachten, wann ich komme und gehe."
Kampf um Privatsphäre
Für eine 29-jährige Frau aus Raipur, die Sanjana genannt werden möchte, wurden die Probleme noch heftiger, nachdem sie eine Wohnung gefunden hatte.
"Eine Wohnung zu finden, war nicht schwer", sagt sie, "aber das Wohnen so zu gestalten, dass man sich dort psychisch und physisch sicher fühlt, ist die eigentliche Herausforderung."
Nur einen Monat nach ihrem Einzug in die neue Wohnung beschwerten sich die Nachbarn bei ihrem Vermieter, "dass viele männliche Freunde zu Besuch kommen". Und es gebe, fügt sie hinzu, "viele Vorurteile gegenüber Alkohol- und Zigarettenkonsum".
Sanjana erzählt von einem Vorfall, als sie frühmorgens die Tür öffnete, um einen Handwerker hereinzulassen. "Ich trug ein Nachthemd, und die Frau von unten rief mich später an und sagt, sie habe zwei kleine Jungen, und fragte, ob ich mich nicht für meine Kleidung schäme."
Schließlich begann ihr Vermieter, sie wegen der Übernachtungsgäste zu befragen und ermahnte sie, "sich an die Regeln zu halten".
Eine andere Frau, mit der die DW sprach, die 32-jährige Aishwarya Dua aus Delhi, erzählt, die ständigen Vorurteile belasteten sie sehr. "Das Schlimmste ist die Rufmordkampagne", sagt sie. "Anscheinend bedeutet der Wunsch einer Frau, allein zu leben, dass sie zu mutig oder zu modern ist."
"Das ist die Art von alltäglichem Frauenhass, dem Frauen wie ich ausgesetzt sind. Er ist nicht immer laut oder gewalttätig, aber er ist allgegenwärtig - in den Zweifeln, den Blicken, den herablassenden Ratschlägen", sagt Dua. "Ich wollte einfach nur Freiraum zum Arbeiten und Wachsen - und nicht Fremden meinen Charakter beweisen müssen."
Auch für junge Männer in Indien ist es nicht immer einfach, alleine zu leben. Sie gelten manchen Vermietern als potenzielle Unruhestifter und müssen höhere Kautionen zahlen. "Die meisten Wohnanlagen vermieten nicht an Unverheiratete. Es wird davon ausgegangen, dass man Ärger macht oder unerwünschte Aufmerksamkeit erregt", sagt der 32-jährige Ronit Chougule aus Pune in Westindien.
Gleichzeitig gib es Frauen, die von weniger Schwierigkeiten berichten. Indu Nair, eine 46-jährige alleinerziehende Mutter, sagt, ihre Erfahrungen als Alleinlebende in verschiedenen indischen Städten seien "im Großen und Ganzen positiv" gewesen, da sie Unterstützung von Nachbarn und ihren Eltern erhalten habe, die sie regelmäßig besuchten, um bei der Betreuung ihres Sohnes zu helfen.
Ihr beruflicher Status, zunächst als Führungskraft in einem Konzern und nun als Unternehmerin, habe ihr ebenfalls Respekt eingebracht, sagt sie der DW.
Gleichzeitig erinnert sie sich an einen Nachbarn, der ihre Entscheidung, ihren Job zu kündigen und sich selbstständig zu machen, hinterfragte. "Ich fühlte mich durch seine Kommentare sehr verurteilt", so Nair.
Die Angst vor der Freiheit der Frauen
Malavika Rajkotia, einer indischen Autorin und prominente Anwältin mit Schwerpunkt Familienrecht, zufolge ist das Unbehagen gegenüber der Unabhängigkeit der Frauen sowohl kulturell als auch tief in den Geschlechterrollen verwurzelt.
"Es gibt eine Angst davor, dass Frauen gestärkt und unabhängig werden", sagt sie. "Ich sehe das nicht als rein indisches, sondern als kulturell asiatisches Phänomen." Rajkotia erklärt, der Widerstand komme meist von Männern, die sich durch die wachsende finanzielle Unabhängigkeit von Frauen beunruhigt fühlten: "Es ist nur eine weitere Form der Kontrolle."
Rajkotia stellt in diesem Zusammenhang auch die Annahme in Frage, dass das Familienleben inhärente Sicherheit biete, und verwies auf Fälle häuslicher Gewalt innerhalb von Familien.
Die indische Gesellschaft im Wandel
Selbst angesichts der "primitiven Moralvorstellungen", die Frauen kontrollieren wollen, könne ein unabhängiges Leben dagegen "sehr erfüllend sein", sagt sie gegenüber der DW.
"Man kann sich so von Menschen fernhalten, mit denen man nichts zu tun haben will", so die Anwältin. "Das ist ein guter Preis für die Freiheit."
Rajkota sieht Zeichen für einen fortschreitenden sozialen Wandel. Manche Männer denken noch immer, die Sicherung der Lebensumstände sei immer ihre Aufgabe. "Frauen gestalten ihr Leben besser, sparen mehr, leben besser, und das führt zu Unmut", sagt sie.
Rajkotia ist der Ansicht, dass mehr Frauen ihr Leben unabhängig gestalten sollten. "Das ist großartig … und die Gesellschaft muss sich daran gewöhnen."
Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein