Unabhängigkeitskampf in Cabinda: Der Druck auf Angola wächst
2. Juni 2025
Seit Wochen kursieren in sozialen Netzwerken verstörende Bilder von verstümmelten Männern, Frauen und Kindern – Opfer brutaler Angriffe, wie die separatistische Front zur Befreiung der Exklave Cabinda (FLEC-FAC) behauptet. Nach ihren Angaben handelt es sich um Zivilisten, die von der angolanischen Armee als Vergeltung für Angriffe misshandelt wurden.
Emmanuel Nzita, Sprecher der FLEC-FAC, bestätigt die Vorwürfe im Exklusivinterview mit der Deutschen Welle. Er spricht, von seinem Schweizer Exil aus, von systematischen Racheakten der Regierungstruppen gegen die Zivilbevölkerung: "Immer wenn die FLEC-FAC Operationen gegen die Besatzungstruppen durchführt, reagiert die Armee mit brutaler Gewalt an unschuldigen Menschen."
Unabhängige Verifizierungen sind kaum möglich. Die angolanische Regierung bestreitet die Vorwürfe und betont, Cabinda sei weitgehend befriedet und unter voller Kontrolle der Sicherheitskräfte. In offiziellen Erklärungen des Ministeriums für Justiz und Menschenrechte wird regelmäßig betont, dass Zivilisten nicht zu Schaden kommen.
Die jüngsten Anschuldigungen und Fotos, die im Netz kursieren, beziehen sich auf mutmaßliche Misshandlungen in Dörfern um den Ort Mbamba im Mai 2025. Anfragen der Deutschen Welle an die zuständigen Ministerien, sich konkret zu den jüngsten Vorwürfen zu äußern, blieben unbeantwortet.
Regierung meldet Fortschritte – Separatisten sprechen von Propaganda
Die Regierung Angolas spricht von einer zunehmend stabilen Lage in Cabinda. Staatliche Medien meldeten kürzlich, dass 202 junge Männer von der FLEC-FAC freiwillig ihre Waffen niedergelegt und den Unabhängigkeitskampf aufgegeben hätten.
Emmanuel Nzita bezeichnet diese Darstellung als Inszenierung: Bei den sogenannten "Überläufern" handele es sich überwiegend um arbeitslose Männer aus der Demokratischen Republik Kongo, die nie Mitglied der FLEC-FAC gewesen seien und kaum Portugiesisch sprächen. "Die Regierung köderte die jungen Männer mit Arbeit und Geld, um ihre Propagandashow glaubwürdig erscheinen zu lassen", so Nzita im DW-Interview.
Fünf Jahrzehnte Konflikt um Cabinda
Cabinda ist eine rohstoffreiche Exklave an der Westküste Afrikas, eingeklemmt zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Kongo-Brazzaville – ohne direkte Landanbindung zum angolanischen Kernland. Seit rund 50 Jahren fordern lokale Gruppen die Unabhängigkeit von Angola.
Vor der Unabhängigkeit Angolas 1975 war Cabinda ein portugiesisches Protektorat. Die Einbindung Cabindas in den neuen angolanischen Staat erfolgte damals ohne Beteiligung der Bevölkerung – eine Entscheidung, die bis heute von vielen Bewohnern als illegitim angesehen wird.
Die FLEC ist in mehrere Fraktionen gespalten, die sich in ihren Forderungen und Methoden unterscheiden. Ein Friedensabkommen von 2006 führte zu keiner endgültigen Beendigung des Konflikts, da sich nicht alle Fraktionen der Rebellen daran hielten.
Politische Forderungen und rechtliche Grundlagen
Bartolomeu Capita, Vorsitzender der Movimento Nacional de Cabinda (MNC), einer rein politischen Unabhängigkeitsbewegung, betont gegenüber der Deutschen Welle die besonderen kulturellen und historischen Gegebenheiten Cabindas: "Unsere Region ist geografisch von Angola getrennt, kulturell eigenständig und historisch unabhängig."
Capita distanziert sich deutlich von der bewaffneten FLEC-FAC, die er als von ausländischen Geheimdiensten gesteuert bezeichnet. Der staatenlose Flüchtling lebt heute in Berlin und setzt auf eine diplomatische Lösung, indem er auf "geltende und international bindende Abkommen" verweist.
Die MNC beruft sich vor allem auf den Vertrag von Simulambuco von 1885, der Cabinda den Status eines portugiesischen Protektorats zusicherte und Portugal verpflichtete, die territoriale Integrität des Territoriums zu schützen. Die Angliederung an Angola 1975 sei daher völkerrechtswidrig.
Ölreichtum und soziale Not
Cabinda liefert etwa 60 Prozent des angolanischen Öls, dessen Einnahmen sich auf rund 40 Milliarden US-Dollar jährlich belaufen. Dennoch verschlechtert sich die Lebenssituation der Bevölkerung seit Jahrzehnten drastisch.
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist von 75 Jahren zur Kolonialzeit auf aktuell 48 Jahre gesunken. Die Kinder- und Müttersterblichkeit zählt zu den höchsten weltweit. Ölverschmutzungen vor der Küste verschärfen die Umweltprobleme und Lebensbedingungen der Region zusätzlich.
Capita warnt: "Menschenrechte und Umweltschutz werden in Cabinda derart missachtet, dass es an einen Völkermord grenzt."