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Glaube

"Und das Abenteuer geht weiter"

1. August 2025

Papst Franziskus ist tot. Mit Leo XIV. wird nun ein neues Kapitel der Papst- und Kirchengeschichte aufgeschlagen und das fast 2000-jährige Abenteuer des Glaubens fortgeschrieben. Doch mit welchen Visionen und Vorhaben?

Neuer Papst Leo XIV. zeigt sich erstmals auf der Loggia des Petersdoms
Neuer Papst Leo XIV. zeigt sich erstmals auf der Loggia des PetersdomsBild: Maria Grazia Picciarella/SOPA Images/ZUMA/picture alliance

Vor einiger Zeit führte ein TV-Sender ein gut 45-minütiges Gespräch mit mir. Wir sprachen über den Vatikan. Am Schluss der Sendung bat mich der Moderator um eine Einschätzung zu dessen Zukunft. Wie würde er wohl in einigen Jahren, in einigen Jahrzehnten dastehen. Ich sah mich nicht als Wahrsager berufen. Als Science-Fiction-Fan fiel mir aber spontan ein Ausspruch ein, der im Star-Wars-Imperium beheimatet ist. Im Abspann jeder Episode heißt es mehr oder weniger hoffnungsvoll: "Und das Abenteuer geht weiter".

Mit jedem neuen Oberhaupt der katholischen Kirche wird ein neues Kapitel der Papstgeschichte, ja der Kirchengeschichte aufgeschlagen. Am Ostermontag  verstarb Papst Franziskus und sorgte dafür, dass nun ein anderer das "Abenteuer Glaube" weiterschreiben muss. Jeder Papst verfügt dabei über seinen eigenen Stil und setzt seine Frage- und Ausrufezeichen selber. Er hat viel Freiheit in der "Fortschreibung" des Glaubens, auch wenn er Vorgaben beherzigen muss. Er kann nur nicht an der Substanz des Glaubens - Theologen würden vom "depositum fidei" sprechen - rütteln.

Ist in der katholischen Kirche eine Sedisvakanz eingetreten, der Stuhl Petri also unbesetzt, geht das Interesse der Gläubigen und Nichtgläubigen zum Konklave hin. Sorgen tauchen auf. Wer oder wie wird der neue Oberhirte sein? Liberal, progressiv oder konservativ, traditionalistisch? Wird sich der neue Papst dem Erbe seines Vorgängers verpflichtet fühlen? Oder neue, alte Wege gehen?

Betritt der erste der Kardinaldiakone die mittlere Loggia von St. Peter und teilt den bürgerlichen Namen des Gewählten und dessen Papstnamen mit, dann vermögen kirchliche Insider in der Regel eine erste Einschätzung abzugeben. Doch am Abend des 8. Mai 2025 war dies anders. Kaum jemand hatte den Namen des neuen Papstes "auf dem Schirm". Selbst Vatikan-Experten schauten verblüfft drein. Und auch die Namenswahl des neuen Pontifex verriet noch nichts über dessen Programm.

Man wartete mit Spannung auf sein Erscheinen. Eine erste Überraschung war, dass die Loggia nicht mehr wie üblich ein Teppich mit dem Wappen des Vorgängers schmückte, sondern einer, der die Tiara mit den gekreuzten Schlüsseln Petri zeigte. Ein Omen? Dann erschien Leo XIV. - in weißer Soutane, mit Rochett, roter Mozzetta, Brustkreuz und imposanter Stola! Ganz anders als Franziskus bei seinem ersten offiziellen Auftritt.

Doch kaum jemand verstand dies als Affront gegenüber dem verstorbenen Pontifex. Leo XIV. stellte sich schlicht und einfach in die Reihe seiner Vorgänger, so wie sie bis 2013 den Gläubigen gegenüber getreten waren. Souverän, geschichtsorientiert, freundlich. Die Menschen dankten es ihm, zufrieden und begeistert, mit Evviva-Rufen ("Evviva!" - italienisch für "Hurra!").

Der neue Papst kommt an. Aber er biedert sich nicht an. Seine Präsenz ist authentisch. Nichts wirkt gekünstelt. Er geht offen auf die Menschen zu. Ob man ihm bei der Fahrt auf dem Papamobil ein Baby reicht, er bei einem Rollstuhlfahrer länger verbleibt, Leo XIV. macht "bella figura". Passt der Ausdruck überhaupt? Denn der Papst macht nicht bloß "Figur", er scheint mit voller Überzeugung hinter ihr zu stehen.

Papst Franziskus ist tot. Aber Leo lässt ihn nicht vergessen. Er greift dessen Themen und Anliegen auf: Synodalität, Ökologie, Migration, Frieden. Aber er ist gewillt ihnen eine eigene, seine Prägung zu geben. Er scheint klar zu machen - bei allem Respekt vor Franziskus -, dass er in der Nachfolge Petri und nicht in der seines Vorgängers steht.

Das Pontifikat Leos XIV. ist gut angelaufen. Die Zeichen stehen günstig. Evviva-Rufe aber haben in der Bibel eine Entsprechung. Am Palmsonntag rief man Jesus "Hosianna" zu, am Karfreitag fand sich der Herr am Kreuz wieder. Den Stellvertreter Christi auf Erden kann ein solches Schicksal, zumindest bildlich gesprochen, ebenfalls ereilen.

Das Abenteuer des Glaubens, der Kirche jedoch hat weiterzugehen - mit Leo XIV., und im Vertrauen auf Gott.

Vatikan-Experte Ulrich NersingerBild: EWTN

Kurzvita: Ulrich Nersinger, geb. 1957, studierte Theologie, Philosophie und Christliche Archäologie in Deutschland, Österreich und Italien. Er gilt als exzellenter Kenner des Vatikans, schreibt u.a. für den "Osservatore Romano" und ist im TV und Rundfunk als Experte gefragt.

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.