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PolitikUkraine

Uneinigkeit beim Ukraine-Friedensgipfel

16. Juni 2024

Die Abschlusserklärung des Schweizer Friedensgipfels verzichtet auf eine klare Verurteilung Russlands. Trotzdem wollen ihr nicht alle Teilnehmer zustimmen.

Schweiz Gipfeltreffen zum Frieden in der Ukraine: mehrere Teilnehmer an Konferenztisch vor Flaggen, mittig Wolodymyr Selenskyj
90 Staaten sind auf der Konferenz vertreten, viele wichtige Länder aber fehlenBild: EPA/MICHAEL BUHOLZER

Die Abschlusserklärung des Friedensgipfels in der Schweiz wird nicht von allen Teilnehmerstaaten mitgetragen. Nach einer Aufstellung der Schweizer Gastgeber wurde das Dokument am Sonntag nur von 80 der 93 Teilnehmerstaaten gebilligt.

In der Erklärung sprechen sich die Unterzeichner dafür aus, dass das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja geschützt wird und schon jede Drohung mit einem Einsatz von Atomwaffen zu verurteilen sei. Zudem setzen sich die 80 Staaten für ungehinderte Getreideexporte aus der Ukraine ein, die gerade für arme Länder etwa in Afrika von großer Wichtigkeit sind. Die Gipfelerklärung macht sich auch für den Austausch von Kriegsgefangenen stark und setzt sich für die Rückkehr von nach Russland verschleppten Kindern und anderen Zivilisten ein.

Unter den Ländern, die nicht zustimmten, sind laut Agenturberichten sechs Staaten aus der G20-Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt: Brasilien, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Indien und Indonesien. Außerdem scherten Armenien, Bahrain, Thailand, Libyen und die Vereinigten Arabischen Emirate, Kolumbien und Vatikan aus.

Die Konferenz soll einen Friedensprozess einleiten, in den langfristig auch Russland eingebunden werden soll, das diesmal nicht eingeladen war. Bundeskanzler Olaf Scholzund mehrere andere Redner hatten sich am Samstag zum Auftakt der Konferenz dafür ausgesprochen, die russischen Angreifer mit an den Tisch zu bringen. "Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen", sagte der Kanzler. Er machte aber gleichzeitig deutlich: "Russland könnte diesen Krieg heute oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt beenden, wenn es seine Angriffe einstellt und seine Truppen aus der Ukraine abzieht." 

Auch Kanzler Scholz kam zur Konferenz, beim Abschluss ist er aber nicht mehr dabeiBild: EPA/Denis Balibouse

Unklar ist, wann eine Folgekonferenz zusammen mit Russland stattfinden könnte. Dass die Gipfelteilnehmer einen Termin oder auch nur einen ungefähren Zeitpunkt ins Auge fassen würden, galt als unwahrscheinlich. Die Gastgeber hoffen aber, dass eine weiterführende Konferenz noch in diesem Jahr beschlossen wird. "Als internationale Gemeinschaft können wir dazu beitragen, das Terrain für direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien vorzubereiten", sagte die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd. 

Lösung noch in weiter Ferne

Wie weit eine Friedenslösung entfernt ist, hatten Äußerungen aus Moskau vor dem Gipfel deutlich gemacht. Russlands Präsident Wladimir Putin nannte seine Bedingungen für Verhandlungen, darunter der vollständige Verzicht der Ukraine auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim - etwas mehr als ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris wies Putins Forderung als abwegig zurück. "Wir müssen die Wahrheit sagen. Er ruft nicht zu Verhandlungen auf, er ruft zur Kapitulation auf", sagte sie - und sicherte der Ukraine anhaltende Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zu. "Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist."

Selenskyj: Der Diplomatie eine Chance geben

Die Initiative für den Gipfel war von der Schweizer Regierung und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausgegangen. "Wir haben es geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben", sagte Selenskyj vor der Eröffnung der Friedenskonferenz. Die Schweizer Gastgeber hatten sich monatelang darum bemüht, möglichst viele Staaten zur Teilnahme an dem Gipfel zu bewegen. 160 wurden eingeladen, mehr als 90 sagten zu - sie sind zu einem großen Teil mit Staats- und Regierungschefs vertreten.

Scholz reiste direkt vom G7-Gipfel in Süditalien in die Schweiz. US-Präsident Joe Biden hingegen klinkte sich zugunsten eines Termins zum Sammeln von Wahlkampfspenden in Los Angeles aus und lässt sich von seiner Stellvertreterin Harris vertreten. Auch wenn sie Russland nicht einluden, bemühten sich die Organisatoren darum, möglichst viele mit Russland befreundete Länder an den Tisch zu bekommen.

Das Ergebnis ist aber ernüchternd: Mit China sagte der wichtigste Verbündete Russlands ganz ab, der brasilianische Präsident und der indische Ministerpräsident nahmen zwar die lange Reise nach Europa auf sich, um am Freitag am G7-Gipfel teilzunehmen; die gleich daran anschließende Schweizer Konferenz schenkten sie sich aber. So ist Brasilien nur mehr als Beobachter dabei, seitens Indiens fand sich nur ein Staatssekretär aus dem Außenministerium auf der Teilnehmerliste, Südafrika wurde vom nationalen Sicherheitsberater vertreten.

Kanzler Scholz reist am Sonntagmorgen ab 

Kanzler Scholz ist am zweiten Gipfeltag nicht mehr dabei und lässt sich durch die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Anna Lührmann, vertreten. Der Sozialdemokrat hat nach seiner Rückkehr gleich zwei wichtige Termine in Berlin: Mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will er über den Haushalt beraten. Anschließend steht eine SPD-Präsidiumssitzung zur Aufarbeitung des desaströsen Ergebnisses bei der Europawahl an. Die SPD schnitt mit 13,9 Prozent so schlecht ab wie noch nie bei einer bundesweiten Wahl.

haz/sti (dpa, rtr)

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