Im Ausland gilt er als wichtigster deutscher Filmregisseur nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein opulenter Bildband blickt zurück auf eine einzigartige Karriere - und zeigt mit Fotos, wie Fassbinder-Filme funktionierten.
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Filmdebüt vor 50 Jahren
1966 drehte Rainer Werner Fassbinder seinen ersten Film. Es war der Beginn einer außerordentlichen Karriere. Bis zu seinem Tod 1982 inszenierte der rastlose Fassbinder 44 Werke. Ein opulenter Bildband blickt zurück.
Bild: picture-alliance/dpa
Das kleine Chaos
Fassbinders Debüt "Liebe ist kälter als der Tod" entstand 1969 - die erste Klappe für einen Fassbinder-Film aber fiel vor genau 50 Jahren. "This night" (1966) gilt als verschollen. Daraufhin drehte der angehende Regisseur zwei weitere Kurzfilme: "Der Stadtstreicher" und "Das kleine Chaos". Letzterer zeigt Fassbinder als Darsteller in der Rolle eines kleinkriminellen Zeitschriftenverkäufers.
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Liebe ist kälter als der Tod
1969 war es dann soweit: Fassbinders Kreativität explodierte. Der Herausgeber des neuen Fassbinder-Bandes schreibt: "Der Titel von rätselhafter, dunkler Schönheit proklamiert bereits das Generalthema aller kommenden Fassbinderfilme: die schonungslose Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen der Liebe unter den Menschen in einer materialistischen, von Tauschverhältnissen geprägten Welt."
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Rio das Mortes
Was folgte, ist ein aufregendes Kapitel bundesdeutscher Kulturgeschichte. In den wenigen Jahren bis zu seinem frühen Tod 1982 brachte es Fassbinder auf die unglaubliche Zahl von 44 Kino- und TV-Filmen. Der Regisseur scharte einen festen Kreis von Mitarbeitern um sich, von denen einige die ganz große Karriere auch ohne den Meister machten: wie Hanna Schygulla, hier in "Rio das Mortes" (1970).
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Welt am Draht
Fassbinder arbeitet nicht nur fürs Kino. Auch als TV-Regisseur war er innovativ. 1973 drehte er den Zukunftsfilm "Welt am Draht", die Vision einer Welt virtueller Realitäten. In dem nun vorliegenden Band, der das filmische Oeuvre Fassbinders mit nicht weniger als 1414 Abbildungen dokumentiert, stößt der Betrachter immer wieder auf die besonders originellen Dekors der Fassbinder-Filme.
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Angst essen Seele auf
Bei aller filmischen Innovation und künstlerischer Kreativität - Fassbinders Filme hatten fast immer einen melodramatischen Kern, der die Zuschauer auch emotional packte. Ganz besonders traf das auf "Angst essen Seele auf" (1973) zu, der das Verhältnis einer 60-jährigen Witwe zu einem wesentlich jüngeren Marokkaner in Deutschland zeigt. Ein Film, der thematisch nicht gealtert ist.
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Martha
Eine der berühmtesten Fassbinder-Szenen ist die kreisrunde Fahrt von Kameramann Michael Ballhaus für das Drama "Martha" (1973). Fassbinder erzählt hier eine für ihn typische Geschichte von krankhafter Liebe und Sadismus, Eifersucht und schmerzhafter Abhängigkeit. Ballhaus sollte später in Hollywood Karriere machen. In "Martha" glänzten die Fassbinder-Ikone Margit Carstensen und Karl-Heinz Böhm.
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Faustrecht der Freiheit
Fassbinder war ein Regisseur, der Film und Kino im wahrsten Sinne des Wortes mit allen Fasern seines Körpers lebte. Auf der einen Seite zeigte er seine Ängste hemmungslos auf der Kinoleinwand - immer wieder auch als sein eigener Darsteller wie in "Faustrecht der Freiheit". Gerade durch diese extrem subjektive und intime Herangehensweise erzählt er auch viel über die Bundesrepublik jener Jahre.
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Satansbraten
Das Buch "R.W.Fassbinder, Die Filme 1966 - 1982" ermöglicht einen Rückblick auf eine einzigartige Karriere. Das Werk des Regisseurs wird heute vor allem von der "RWF Foundation" gepflegt. Das Buch entstand in Zusammenarbeit mit der Foundation, deren Vorsitzende Juliane Lorenz Fassbinders langjährige Cutterin war. Das Herzstück des Buches sind die Filmbilder, hier "Satansbraten" mit Kurt Raab.
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Die Ehe der Maria Braun
Spätestens Ende der '70er wurden die Filme Fassbinders auch bei einem größeren Publikum populär. Titel wie "Die Ehe der Maria Braun" (unser Foto mit Klaus Löwitsch), "Lili Marleen" oder "Lola" sorgten für viel Gesprächsstoff - weil sie dem deutschen Kino ein lang vermisstes internationales Ansehen verliehen, von deutscher Geschichte erzählten und trotzdem Star-Appeal und Kino-Glanz versprühten.
Bild: Rainer Werner Fassbinder Foundation/Schirmer/Mosel
Lili Marleen
"Unser Buch verfolgt die Absicht, die visuelle Essenz der 44 Filme Rainer Werner Fassbinders in gedruckter Form wahrnehmbar zu machen", schreibt Herausgeber Lothar Schirmer im Vorwort zu dem Band. Mit den vielen exquisiten Bildern, vor allem Filmstills (hier Hanna Schygulla in "Lili Marleen"), kann der Betrachter die einzigartige Karriere dieses Regisseurs noch einmal Film für Film nachvollziehen.
Bild: Beta Film GmbH/Schirmer/Mosel
Werk-Chronik und Bilder-Biografie
Das Buch "R.W. Fassbinder. Die Filme 1966 - 1982" ist im Verlag "Schirmer/Mosel" in Zusammenarbeit mit der "RWF Foundation" erschienen. Es enthält über 1400 Fotos und Filmbilder aus allen 44 Fassbinder-Filmen. Der Fototeil wird von drei kürzeren Essays eingeleitet, 328 Seiten, ISBN 978-3-8296-0698-1.
Bild: Schirmer/Mosel
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"Der Beginn seines Filmschaffens in den Jahren 1969 und 1970 kommt einer cinematographischen Supernova gleich, wie es sie noch nicht gegeben hat" - so umschreibt Lothar Schirmer den Eintritt Fassbinders in die Filmgeschichte. Schirmer, der gemeinsam mit Juliane Lorenz von der "Fassbinder Foundation" den opulenten Bildband zum umfangreichen Werk des Regisseurs herausgegeben hat, skizziert in seinem Vorwort die spektakuläre Karriere des Filmemachers, der von der Filmhochschule abgelehnt wurde und sich das Inszenieren selbst beibrachte.
Lorenz ergänzt diese biografischen Daten mit einem Blick auf Fassbinders Nachwirkung und das Bemühen der Foundation, die zahlreichen Filme für die Nachwelt zu sichern - was erstaunlicherweise auch im digitalen Zeitalter kein Kinderspiel ist.
Von großem Interesse ist der dritte einleitende Text des Bandes, der von Laurence Kardish ist, dem langjährigen Film-Kurator des Museum of Modern Art in New York, einem großen Fan des Regisseurs. Kardish weist vor allem auf die wichtige Rolle hin, die Fassbinder heute in den USA einnimmt - bei Filmwissenschaftlern, Museumskuratoren, bei der Ausbildung junger Filmstudenten, aber auch und vor allem bei aktiven Regisseuren wie Richard Linklater, Todd Haynes oder Quentin Tarantino.
Kardish zeigt zum Beispiel auf, dass sich Tarantino bei seinem vorletzten Film "Django Unchained" möglicherweise an Fassbinders Western "Whity" (1970) orientiert haben könnte. Überprüfen kann man das zumindest teilweise im Hauptteil des Buches, das Fassbinders Filme anhand von sage und schreibe 1414 Abbildungen in Erinnerung ruft.
R.W. Fassbinder, 1966 - 1982, herausgegeben von Juliane Lorenz und Lothar Schirmer: Illustriertes Werkverzeichnis mit 1368 Filmbildern und 46 Photographien, 328 Seiten, Schirmer/Mosel Verlag - in Zusammenarbeit mit der RWF Foundation in Berlin 2016, ISBN 978-3-8296-0698-1.