Das religiöse und kulturelle Erbe in Syrien muss laut Unesco-Chefin Irina Bokova vor weiterem Schaden durch den Krieg im Land geschützt werden. Ein erstes Treffen mit syrischen Vertretern lässt etwas Hoffnung aufkommen.
Anzeige
Bokova reagierte mit ihrem Aufruf am Mittwoch (28.05.2014) auf die bekannt gewordene Zerstörung der Synagoge von Eliyahu Hanabi in der syrischen Hauptstadt Damaskus. "Die Zerstörung der ältesten Synagoge in Syrien ist ein neuer Schlag gegen das religiöse und kulturelle Erbe, das bereits erheblichen Schaden erlitten hat", so die Generaldirektorin der UN-Kulturorganisation.
Unvergleichliche Zerstörung
Die Zerstörung des syrischen Kulturerbes durch den Bürgerkrieg übertrifft nach Aussagen der Unesco die schlimmsten Erwartungen. "Nichts, aber auch rein gar nichts, kann mit dem verglichen werden, was in Syrien geschieht", sagte der stellvertretende Generaldirektor für Kultur, Francesco Bandarin, am Mittwoch nach einem mehrtägigen Expertentreffen in Paris. Weder im Irak noch in Afghanistan, Libyen oder Mali sei die Lage so ernst gewesen.
Basar von Aleppo
Als Beispiel für die Zerstörungen nannte er den zum Weltkulturerbe zählenden Basar in der Altstadt der syrischen Metropole Aleppo (siehe Artikelbild). Anlass zur Hoffnung würden laut Bandarin die jüngsten Beratungen in Paris geben. Seiner Einschätzung nach sei es das erste Treffen dieser Art gewesen, bei dem Vertreter des syrischen Regimes und Experten von Nicht-Regierungsorganisationen mit Zugang zu Rebellengebieten an einem Tisch gesessen hätten.
Kulturerbe in Syrien in Gefahr
Der Bürgerkrieg in Syrien kostet seit 2011 tausende Menschen das Leben. Auch wertvolle Kulturstätten des Landes werden zerstört. Experten der Unesco versuchen Syriens Kulturerbe zu schützen.
Bild: Daniel Leal-Olivas/AFP/Getty Images
Keine Gesellschaft ohne Kultur
Der Bürgerkrieg in Syrien kostet Tausende Menschen das Leben. Auch wertvolle historische Kulturstätten des Landes werden während der anhaltenden Kämpfe zerstört. Vier Jahrtausende lang kreuzten sich in Syrien Einflüsse der Babylonier, Ägypter, Perser, Griechen und Römer. Die Unesco ist um das Kulturerbe des Landes besorgt.
Bild: by-sa-Longbow4u
Altstadt von Aleppo gefährdet
2013 hatte die Unesco sechs einzigartige Kulturdenkmäler in Syrien auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten gesetzt. Darunter die Altstadt von Aleppo, die durch die Kämpfe zerstört wird. Aleppo hat eine lange Geschichte. Mit der Lage am Mittelmeer war sie schon im Altertum ein kultureller Knotenpunkt.
Bild: Getty Images
Historischer Basar verbrannt
Die Unesco hatte die Altstadt vor allem wegen des Souk, dem größten Basar des Vorderen Orients, zum Weltkulturerbe gekürt: Mit einer Fläche von 350 Hektar umfasst der Basar etliche Einkaufsstraßen mit hunderten Straßenläden. Zwar ist dieses historische Zentrum von einer fünf Kilometer langen Stadtmauer umgeben. Doch die konnte den Souk nicht schützen. 2012 wurde er bei Kämpfen in Brand gesetzt.
Bild: AFP/Getty Images
Zitadelle von Aleppo besetzt
Im Laufe des Bürgerkriegs wurden Kulturerbestätten als strategische Posten missbraucht. Darunter die Zitadelle von Aleppo, eine historische Festungsanlage auf einem Hügel inmitten der Altstadt. Die Seleukiden, eine Nachfolgedynastie Alexanders des Großen, errichteten die Burg im vierten Jahrhundert vor Christus. Auch Griechen, Römer, Perser, Byzantiner und Osmanen bauten auf dem Hügel ihre Tempel.
Bild: picture alliance/Bildagentur Huber pixel
Bomben in der Altstadt von Damaskus
Die seit 4000 Jahren besiedelte Altstadt von Damaskus ist ebenfalls Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Vor Beginn des Aufstands gegen Regierungschef Baschar al-Assad gehörte die Altstadt mit ihren Märkten, Restaurants, Kirchen und Moscheen zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Syriens. Im Juni 2013 explodierten hier Bomben, die historische Altstadt war erstmals Ziel eines größeren Anschlags.
Bild: REUTERS
Triumphbogen in Palmyra unter Beschuss
Die Oasenstadt Palmyra ist ebenfalls gefährdet. Der Triumphbogen steht noch, einige archäologische Ausgrabungen wurden aber bereits geplündert. Palmyra ist das architektonische Wahrzeichen Syriens. Die Prachtstraße mit ihren korinthischen Säulen, der Triumphbogen der Severer und die Umfassungsmauer des Baal-Tempels sind durch Einschüsse gezeichnet.
Bild: Louai Beshara/AFP/Getty Images
"Krak des Chevaliers" als Stützpunkt
Auch dieses Kulturdenkmal steht mitten im Kriegsgebiet: die Kreuzritterburg "Krak des Chevaliers" am Rande des Alawitengebirges. Im Jahre 1099 erreichten erstmalig Kreuzritter auf ihrem Weg nach Jerusalem die Burg. Ihr Zustand ist derzeit umstritten. Die Freie Syrische Armee soll die Burg als Stützpunkt genutzt haben. Syrische Regierungstruppen sollen dann im März 2014 die Burg eingenommen haben.
Bild: Fotolia/Facundo
Ruinen des Amphitheaters von Bosra
Neben Aleppo und Damaskus ist auch die Altstadt von Bosra betroffen. Das Amphitheater galt bisher als eines der besterhaltenen römischen Theater der Welt. Es wurde im 12. Jahrhundert zur arabischen Festung ausgebaut. Musiker und Orchester weltweit schätzen seine besondere Akustik. Bei den Kämpfen soll es zu Zerstörungen in den Ruinen gekommen sein.
Bild: Fotolia/waj
Tote Städte auf roter Liste
Auch die sogenannten "Toten Städte" stehen auf der roten Liste gefährdeten Welterbes. In diesen dörflichen Siedlungen im Norden Syriens stehen zahlreiche Häuser aus byzantinischer Zeit. Die antiken Gebäudereste in Jerada waren bis vor dem Bürgerkrieg teilweise sehr gut erhalten. Seit Beginn der Auseinandersetzungen standen sie teils unter Feuer, teils wurden sie ausgeplündert.
Bild: Creative Commons/Bertramz
Museen geplündert
Auch die Lage der syrischen Museen ist dramatisch. Viele von ihnen liegen mitten in Kampfgebieten - etwa das Museum in Idlib, das einen Großteil der unschätzbaren Ebla-Tontafeln verwahrt. Seit 2011 sollen einige wertvolle Stücke aus den Museen in Damaskus und Aleppo in den Safe der syrischen Staatsbank gebracht worden sein. Die meisten Museen sind den Plünderungen aber schutzlos ausgeliefert.
Bild: Daniel Leal-Olivas/AFP/Getty Images
10 Bilder1 | 10
Als Ergebnis der Gespräche solle nun unter anderem versucht werden, die Kommunikation zu verbessern, um weitere Zerstörungen zu verhindern. Neben Vertretern der Konfliktparteien beteiligten sich nach Angaben von Bandarin zahlreiche Kulturexperten aus dem Ausland an den von der UN-Kulturorganisation organisierten Gesprächen in Paris. Neben dem Schutz der architektonischen Denkmäler und Ausgrabungsstätten war auch der illegale Handel mit Kulturgütern Thema.