Terry Gilliam kann sich trösten. Er ist mit seinem neuen Film "The Man Who Killed Don Quixote" nicht der einzige Regisseur, der an einem Traum-Projekt scheiterte - wie ein Blick in die Filmgeschichte beweist.
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Orson Welles und andere Regielegenden: 10 gescheiterte Filmprojekte
Die Filmgeschichte ist voll von gigantischen Filmruinen und nicht zu Ende gedrehten, vermeintlichen Meisterwerken. Wir stellen zehn der berühmtesten Kinoprojekte der Filmgeschichte vor - gescheiterte und spät vollendete.
Bild: Netflix
The Other Side of the Wind - Premiere nach 42 Jahren
"The other Side of the Wind" ist das bekannteste der vielen unvollendeten Projekte von Regielegende Orson Welles. "Netflix" sorgte jüngst für eine "Rekonstruktion" des Films, der am 31. August in Venedig uraufgeführt wurde. Jetzt erscheint "The Other Side of the Wind" bei Netflix. Für die Fertigstellung des Film mit John Huston (r.) hat vor allem Regisseur Peter Bogdanovich gesorgt (l.).
Bild: Netflix
Viele unvollendete Projekte: Orson Welles
Orson Welles darf man getrost als "Meister der gescheiterten Filme" bezeichnen. Die Anzahl seiner Meisterwerke ("Citizen Kane" etc.) wird noch übertroffen von den Projekten, die nie beendet wurden. Am berühmtesten ist - neben dem nun "vollendeten" "The Other Side of the Wind" - der gescheiterte "Don-Quixote"-Film, den Welles 1969 ins Kino bringen wollte - und der nie fertig wurde.
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Endlich vollendet: "The Man Who Killed Don Quixote"
Der britisch-amerikanische Regisseur Terry Gilliam hatte sich vor vielen Jahren ebenfalls an einer Verfilmung des "Don-Quixote"-Stoffes versucht. Auch er scheiterte immer wieder, obwohl Dreharbeiten bereits begonnen wurden. Doch Gilliam brachte sein Projekt vor kurzem tatsächlich zu Ende. "Don Quixote" feierte im Mai in Cannes bei den Filmfestspielen Premiere.
Bild: Diego Lopez Calvin/Tornasol Films/Carisco Producciones
Nie gedreht: Kubricks "Napoleon"-Film
Dieser Film wurde tatsächlich nicht vollendet: "Napoleon Bonaparte" von Stanley Kubrick. Das Projekt scheiterte, obwohl alles - wie Drehbuch und Kostüme - vorbereitet war. Auch weil die zeitgleich gedrehte internationale Großproduktion "Waterloo" von Sergei Bondartschuk ein finanzieller Flop wurde. Immerhin: Kubricks Arbeit war nicht ganz umsonst, vieles floss in seinen Film "Barry Lyndon" ein.
Bild: Taschen
Frühe Filmruine: Eisensteins Mexiko-Film
Ein frühes Großprojekt, das in der geplanten Form auch nie ins Kino kam, war "Que viva México!" von Sergej M. Eisenstein. Der berühmte Regisseur ("Panzerkreuzer Potemkin") wollte Anfang der 30er Jahre in Hollywood drehen. Das klappte nicht. Auch ein zweites Vorhaben, ein Film über mexikanische Geschichte, scheiterte. Das gedrehte Material findet sich heute in verschiedenen Dokumentationen wieder.
Bild: Icestorm
Unendliche Geschichte: Marilyn Monroes letzter Film
Natürlich wusste bei Beginn der Dreharbeiten 1962 niemand, dass es Monroes letzter Film werden sollte. "Something's Got to Give" von Regisseur George Cukor stand von Anfang an unter einem schlechten Stern, weil die Monroe immer wieder ausfiel. Dann sollte sie durch Lee Remick ersetzt werden. Doch Hauptdarsteller Dean Martin legte sein Veto ein. 37 Minuten des Films erschienen später in einer Doku.
Bild: picture-alliance/Everett Colle/20thCentFox
Experimente mit Farbe: "Die Hölle"
Auch diese Ikone der Filmgeschichte hinterließ eine berühmte Kinoruine: Romy Schneider. Henry-Georges Clouzots "Die Hölle" entwickelte sich 1964 zu einem Desaster, u.a. weil Clouzot einen Herzinfarkt erlitt. Der Film wurde nicht fertiggestellt. Sensationelle Farbaufnahmen mit Romy Schneider tauchten später in Clouzots letztem Film sowie in einer Dokumentation über das Scheitern der "Hölle" auf.
Bild: Kinowelt
Jerry Lewis, der Clown und das Konzentrationslager
Eines der geheimnisvollsten Filmprojekte der Geschichte ist Jerry Lewis' "The Day the Clown Cried": der Versuch, mit humoristischen Mitteln eine Geschichte aus Nazi-Deutschland zu erzählen. Der US-Komiker führte 1972 auch Regie, der Film wurde zu Ende gedreht. Doch Rechtestreitigkeiten und Lewis' Unzufriedenheit mit dem Film sorgten dafür, dass "The Day the Clown Cried" nie aufgeführt wurde.
Bild: STF/AFP/Getty Images
Francis Ford Coppolas Größenwahn
Auch Coppola, dessen Filme ("Der Pate", "Apocalypse Now") oft von einer Art Größenwahn befallen schienen, arbeitete während seiner Karriere an einigen Projekten, die nie zustande kamen. Das berühmteste war wohl "Megalopolis", das er 1984 in Angriff nahm. Das 200-Seiten starke Drehbuch um den Streit eines Architekten und eines Bürgermeisters über die Zukunft New Yorks wurde nie umgesetzt.
Bild: picture-alliance/AP Photo/L. Rebours
Leones Traum von "Leningrad"
Der Italiener Sergio Leone, auch ein Fan von großen Filmepen ("Spiel mir das Lied vom Tod", hier ein Foto von den Dreharbeiten, "Es war einmal in Amerika"), wollte in den 1980er Jahren einen aufwendigen Film über die Belagerung Leningrads durch die Deutschen drehen. Doch der Film über eines der größten Dramen des Zweiten Weltkriegs wurde nie realisiert. Sergio Leone starb 1989 mit nur 60 Jahren.
Bild: picture-alliance/dpa/Cinecitta Press Office
Alfred Hitchcocks zerplatzte Träume
Selbst Meisterregisseur Alfred Hitchcock konnte in seiner großen Zeit nicht alle Film-Träume verwirklichen. Ende der 1950er Jahre wollte er "No Bail for the Judge" verfilmen, in dem ein hoher Richter des Prostituierten-Mordes beschuldigt wird. Audrey Hepburn sollte die weibliche Hauptrolle spielen. Doch es gab Irritationen, der Star zog sich zurück - und Hitchcock wandte sich anderen Projekten zu.
Bild: Imago/Granata Images
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Das mit Abstand Spannendste an dem Film "The Man Who Killed Don Quixote", der nun auch in Deutschland in den Kinos anläuft, ist die Produktionsgeschichte. Leider. Terry Gilliams Film, der in Cannes Welt- und in München Deutschland-Premiere feierte, ist eine Enttäuschung, vor allem künstlerisch. Der Film ist nach langen Jahren der Vorbereitung, nach mehreren Drehstarts, nach Unterbrechungen am Set, nach vollkommen neuen Schauspieler-Besetzungen und der Zusammenarbeit mit verschiedenen Produzenten fertig. Das zumindest ist einmal die gute Nachricht.
Monty-Python-Mitglied Terry Gilliam erfüllte sich einen Kinotraum
Vielleicht sollte man sich lieber die Dokumentation "Lost in La Mancha" anschauen, die vor 16 Jahren entstand. Regisseur Keith Fulton drehte 2002 einen Film über einen Film, der nie zu Stande kam - eben über Gilliams vergebliche Versuche, Don Quixote zu verfilmen. Das war damals schon faszinierend.
Aber natürlich ist es auch wahr, dass Fultons Film nur die eine Hälfte der Geschichte des Don-Quixote-Projekts erzählt. Denn danach ging es ja weiter. Terry Gilliam nahm noch einen Anlauf, und irgendwann gelang es ihm, sein Herzensprojekt doch noch zu verwirklichen. Nun ist Gilliam 77 Jahre alt und es hätte ein Triumph werden können. Man hätte es dem ehemaligen Mitglied der Monty-Python-Truppe von Herzen gegönnt.
Der britisch-amerikanische Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur hatte vor einem Vierteljahrhundert einen Traum. Gilliam wollte den weltberühmten Roman "Don Quijote" des Spaniers Miguel de Cervantes von Anfang des 17. Jahrhunderts ins Kino bringen. Im Jahre 2000 stand die Finanzierung, die Dreharbeiten begannen. Doch schnell stellte sich raus, dass doch nicht genügend Geld vorhanden war und als dann auch noch Hauptdarsteller Jean Rochefort ernsthaft erkrankte, musste das Projekt gestoppt werden.
Eine Kette von Unglücken, Dramen und Finanzierungsproblemen
Das Filmmaterial sowie die Rechte an dem Drehbuch gelangten in den Besitz einer deutschen Versicherungsgesellschaft. Ein Drama für Gilliam und sein Team. Über das Desaster entstand besagter Dokumentarfilm von Keith Fulton. Doch Gilliam gab nicht auf. Ein paar Jahre später nahm er einen neuen Anlauf, inzwischen mit anderen Darstellern, Robert Duvall und Ewan McGregor. Doch auch diese Dreharbeiten scheiterten, unter anderem auch, weil die Locations durch Unwetter verwüstet wurden.
Vor zwei Jahren dann klappte es doch noch. Wieder andere Schauspieler, eine völlig überarbeitete Story und ein neuer Produzent - mit dem sich Gilliam dann in der Folge aber auch wieder überwarf - brachten das lang gehegte Projekt doch noch zu einem Abschluss. Nun ist es die Geschichte eines selbstgefälligen Werbefilmers (Adam Driver), der in Spanien einen Clip drehen soll und dabei mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird: Vor zehn Jahren hatte er ganz in der Nähe als idealistischer Jungfilmer die Geschichte des Ritters von der traurigen Gestalt verfilmt.
Blutleerer Film: "The Man Who Killed Don Quixote"
Vielleicht haben die vielen Jahre der Produktionsgeschichte einfach an den Nerven aller Beteiligten gezehrt: "The Man Who Killed Don Quixote" wirkt in seiner verschachtelten Erzählkonstruktion überfrachtet und überambitioniert. Die Filmhandlung, der Versuch die gescheiterte Produktionsgeschichte widerzuspiegeln, packt die Zuschauer nur in wenigen Szenen. So fielen die Reaktionen in Cannes und München sehr zurückhaltend aus. "The Man Who Killed Don Quixote" ist somit ein in zweifacher Hinsicht gescheitertes Filmprojekt.