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Politik

Reiche Immigranten willkommen!

Dan Nolan
1. Oktober 2016

Ungarns Regierung ist für ihre restriktive Einwanderungspolitik bekannt. Wer allerdings genug Geld mitbringt, dem bieten sich verschiedene Möglichkeiten, um an der Donau Fuß zu fassen.

Slowakei EU Gipfel in Bratislava Viktor Orban
Bild: Getty Images/AFP/V. Simicek

Besonders schön ist eine Taxifahrt vom Flughafen in die Innenstadt ja ohnehin selten. Wer dieser Tage allerdings vom Budapester Ferenc List-Airport in die Stadt fährt, dem bietet sich ein ganz besonders wenig einladendes Bild: Der Weg ist gesäumt mit großen Plakaten, und allesamt richten sie sich gegen Flüchtlinge. Am Sonntag stimmt Ungarn in einem Referendum über die EU-Flüchtlingspolitik ab. Konkret geht es um die Frage, ob man sich von der EU in die Pflicht nehmen lassen soll, wenn es um die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge geht. Gegen Brüssel, für Ministerpräsident Viktor Orban, so könnte man die Gemengelage zusammenfassen. Die Plakate entlang der Straße spiegeln das Stimmungsbild wider, das die Regierung schürt.

Allerdings nicht gegenüber allen Neuankömmlingen. Wer sich mittels einer Staatsanleihe das Aufenthaltsrecht in Ungarn erkaufen möchte, kann ein "permanentes Aufenthaltsrecht für die ganze Familie" innerhalb von nur "zwei Monaten" erwerben, so verkündet die Website eines von der ungarischen Regierung unterstützten Anleihenprogramms. Gleich auf der Startseite heißt es dort: "Hierbei handelt es sich de facto um ein lebenslanges Visum, das die freie Reise durch den kompletten Schengen-Raum ermöglicht."

Billiges Aufenthaltsrecht

In Budapest angekommen werden Bewerber direkt in eines der sechs von der Regierung anerkannten Büros weitergeschickt. Sie fungieren als Dienstleister für die meist in Offshore-Gebieten wie den Cayman-Islands sitzenden Firmen, die die Anleihe ausstellen. Kunden zahlen - inklusive Vermittlungsgebühren - rund 360.000 Euro für eine ungarische Staatsanleihe über 300.000 Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Nach Ablauf dieser Frist erhalten die Käufer den vollen Anleihenwert zurück. So billig kommt man wohl sonst nirgends an seine europäische Aufenthaltsgenehmigung. Bislang haben Familien aus Ägypten, Algerien, Iran Jordanien und der Türkei bei dem "Angebot" zugeschlagen.

Plakat zum Referendum: "Kein Risiko eingehen! Mit Nein Stimmen!"Bild: imago/EST&OST

"In den 360.000 Euro sind vier Familienmitglieder enthalten, jedes zusätzliche kostet 2000 Euro. Wer seine Eltern mitbringt, muss deutlich machen, dass diese finanziell von einem selbst abhängig sind", sagte einer der Vermittler einem Bewerber in dieser Woche.

Brummendes Geschäft

Das Anleiheprogramm erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Ungarns Innenminister Sandor Pinter - der selbe Mann, der die Grenzzäune zu Serbien und Slowenien bauen ließ - gab neulich erst bekannt, dass bereits 18.000 Menschen einen Aufenthaltsstatus über das Programm erhalten hätten. Seit 2013 gibt es das Programm, 1,1 Milliarden Euro sind seitdem geflossen. Das Geschäft brummt: Im August 2016 allein wurden 798 Anleihen ausgegeben, die meisten davon an Chinesen.

Die älteste Tochter von Viktor Orban, Rahel, ist auch schon in Zusammenhang mit dem Anleihenprogramm gebracht worden. Offensichtlich hatte sie sich mit Balazs Garamvolgyi getroffen, dem Honorarkonsul Bahrains in Ungarn. Auf seinen Namen ist die Website des Anleihenprogramms registriert. Bei dem Treffen, an  dem auch ein Minister aus Bahrain teilgenommen habe, soll es darum gegangen sein, wie "die Wirtschaft beider Länder von einer Kooperation profitieren" könnte, berichtet das liberale Newsportal 444.hu. Nachdem das Treffen publik wurde, sagte Rahel Orban, dass sie sich nur zu Urlaubszwecken in Bahrain aufgehalten habe. Alle anderen Behauptungen seien "Lügen".

"Extreme Doppelmoral"

"Reich ist gut, arm ist schlecht" - so fasst Menschrechtsaktivistin Marta Pardavi vom Ungarischen Helsinki-Komitee die Sache zusammen. "Und nicht nur das: Die Ärmeren sollen weiter leiden. Das ist schon eine extreme Doppelmoral, erst Recht während der Referendumskampagne", sagt sie gegenüber der DW. "Moslems werden als potentielle Terroristen verteufelt, die unfähig zu jeder Art der Integration sind".

Schutz vor illegaler Einwanderung: ungarischer Grenzzaun bei Roszke (Serbien)Bild: picture-alliance/epa/B. Mohai

Solche Widersprüche sind bei Viktor Orban im Übrigen nichts Neues. Schon auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise war er einerseits dadurch aufgefallen, dass er sagte, die Ungarn hätten "das Recht selbst zu wählen, mit wem sie zusammenleben wollen und mit wem nicht". Andererseits äußerte er sich vor einer Delegation arabischer Banker sehr positiv über den Islam: Dieser habe "große spirituelle und intellektuelle Strukturen". Menschen aus islamischen Ländern seien deshalb "keine Bedrohung, sondern Repräsentanten einer Hochkultur".

Pass-Mafia

Nicht nur die Anleihe ist eine schnelle Möglichkeit, nach Ungarn zu kommen - auch der Verkauf von ungarischen Reisepässen an Bürger aus benachbarten Ländern soll in der Vergangenheit floriert haben. Das ungarische Nachrichtenportal "Index" hat eine regelrechte "Passmafia" aufgedeckt. Korrupte Beamte und Anwälte sollen ungarische Pässe an Russen und Ukrainer für 10.000 Euro verkauft haben. Ein Beamter hat gestanden, gegen eine Bestechungszahlung von 1000 Euro einen Pass ohne den verpflichtenden ungarischen Sprachtest ausgestellt zu haben.

"Für einige wenige Leute ist das die Chance, das große Geld zu machen - und unser Reisepass wird immer weiter entwertet, indem jeder, der genug Geld hinlegt, ihn kaufen kann", sagt Tamas Bodoky vom ungarischen Investigativportal Atlatszo der DW. Dazu passt, was ein Verkaufsagent für Anleihen diese Woche zu einem potentiellen Käufer sagte: "Wenn Du genug Geld hast, bist du eine wichtige Person".

 

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