1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ungarns Jugend für eine Zukunft in der EU

Max Zander
11. Mai 2019

Für eine Gruppe junger Ungarn ist die Europäische Union keine Last, sondern Zukunft. Die Momentum-Partei wehrt sich gegen die Anti-EU-Rhetorik von Premier Orban und tritt bei der Europawahl an. Von Max Zander, Budapest.

Ungarn Marsch für Europa in Budapest
Bild: DW

"Wir sind gegen Korruption, gegen die aktuelle Politik unserer Regierung", sagt ein junger Mann im Zentrum von Budapest. "Was hier vor sich geht, können wir nicht akzeptieren." Er ist dem Aufruf der Momentum-Partei gefolgt und zum Freiheitsplatz in Ungarns Hauptstadt gekommen. Kurz vor der Europawahl wollen sie Stellung beziehen: gegen Nationalismus und für ein gemeinsames Europa.

Unterstützt wird Momentum von einem politischen Schwergewicht aus Brüssel: EU-Kommissarin Margrethe Vestager spricht auf einer kleinen Bühne am Rand des Platzes. Sie erinnert an das Versprechen, das die EU den Ungarn vor 15 Jahren gegeben hat, als das Land der Gemeinschaft beitrat. Eine unabhängige Justiz, Pressefreiheit und Chancengleichheit gehören dazu. "Heute kämpft ihr dafür, all das am Leben zu halten", sagt Vestager und hält inne. "Ihr sollt wissen, ihr seid nicht allein, Europa ist bei Euch." Die Menge applaudiert.

Momentums Spitzenkandidatin Katalin Cseh mit EU-Komissarin Margrethe Vestager Bild: DW

Gegen Korruption und Populismus

Momentum will den Kurs in Brüssel mitbestimmen, mit einer liberalen, pro-europäischen Agenda. Ihre Spitzenkandidatin Katalin Cseh ist die ständigen Attacken des ungarischen Premierministers Viktor Orban auf die Institutionen in Brüssel leid. Sie wirft ihm vor, zusammen mit seinen Verbündeten aus Italien und Polen, Matteo Salvini und Jaroslaw Kaczynski, die Einheit Europas zerstören zu wollen - "das, was wir gemeinsam aufgebaut haben".

Die 30-jährige Ärztin gehört zu den Gründungsmitgliedern von Momentum. Vor zwei Jahren haben sie die Partei ins Leben gerufen, weil sie sich von den etablierten Parteien nicht repräsentiert fühlten. Das Ziel der Parteigründer: Sie wollten sich und anderen jungen Menschen in Ungarn eine Stimme geben.

Dabei hat ein großer Teil der Jugend bereits abgestimmt - und zwar mit den Füßen. Um im EU-Ausland zu studieren oder zu arbeiten, hat in den vergangenen zehn Jahren rund eine halbe Millionen Ungarn das Land verlassen. Das entspricht etwa fünf Prozent der Bevölkerung.

Cseh und ihre Mitstreiter wollen dieser Generation Perspektiven schaffen, mithilfe der EU. Die Gelder aus Brüssel sollen "in Krankenhäuser, Schulen und Arbeitsplätze fließen und nicht an die Familie von Premierminister Viktor Orban gehen", wie es in ihrem zentralen Wahlversprechen heißt. Momentum wirft der Regierung vor, öffentliche Gelder zu veruntreuen. Tatsächlich gehen Großaufträge auffallend häufig an Geschäftsleute aus dem Umfeld von Premierminister Orban und dessen Fidesz-Partei. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International belegt das Land den vorletzten Platz in der EU.

Demokratie in Gefahr: Ungarns Premierminister Viktor Orban regiert seit 2010 Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Seco

Verfall der Demokratie stoppen

Seit 2010 ist Orbans rechtspopulistische Partei an der Macht. Ihre absolute Mehrheit im Parlament nutzt sie unter anderem dafür, das Wahlrecht zu ihren Gunsten zu ändern und unabhängige Medien unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Fidesz-Partei und ihre Jugendorganisation wollten zu den Vorwürfen keine Stellung beziehen, ein vereinbarter Interviewtermin kam nicht zustande.

Ungarn könne man heute nicht ohne Weiteres als Demokratie bezeichnen, findet Politikwissenschaftler Bulscu Hunyadi von der Stiftung Political Capital in Budapest. "Wir befinden uns irgendwo zwischen Demokratie und einem autoritären Regime."

Seiner Meinung nach seien viele Ungarn politikverdrossen. Vor allem der Jugend fehle es an glaubwürdigen politischen Vorbildern. "Momentum ist zurzeit die einzige Partei in der Opposition, die junge Leute gezielt mit einem liberalen und pro-europäischen Programm anspricht."

Hoffnung auf Jungwähler

Ob ihnen dieser Umstand hilft, ist fraglich. Zurzeit sieht es so aus, als ob die Fidesz-Partei bei den Europawahlen eindeutig als Sieger hervorgehen wird. Wenn die Prognosen stimmen, werden sie dann insgesamt 18 der 21 ungarischen Plätze im Europaparlament besetzen.

Anhänger von Momentum feiern am 1. Mai in Budapest den 15. Jahrestag des ungarischen EU-BeitrittsBild: DW

Momentums Vizevorsitzende Anna Donáth lässt sich davon nicht entmutigen. Dafür hat sie auch zu viel investiert. Seit Wochen fährt sie durchs Land, geht von Wähler von Wähler. Das ist häufig mühsam und anstrengend. An Tagen wie diesem aber, wo sie mit der Europafahne in einer Hand und einigen hundert Unterstützern im Rücken durch Budapest läuft, sind alle Mühen vergessen.

"Selbst wenn die Wahlen nicht so ausgehen, wie wir uns das erhoffen, heißt das nicht, dass wir nächstes Mal nicht erfolgreicher, stärker oder motivierter sein können," sagt sie und lächelt. "Wenn du es nicht schaffst, dann stehst du wieder auf und versuchst es nochmal."

Bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist Momentum allerdings an der Fünfprozenthürde gescheitert. Aber da ein großer Teil der jungen Wähler noch unentschlossen ist, hofft die Partei, bis zur Europawahl noch genügend Wähler zu mobilisieren und sich ihren Traum von Europa zu erfüllen.

Ungarns EU-Befürworter

03:10

This browser does not support the video element.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen