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Ungarn umgarnt deutsche Autobauer

6. August 2018

Im ostungarischen Debrecen investiert BMW eine Milliarde Euro in ein neues Werk. Auch Mercedes, Audi und Opel sind schon lange im Land. Wie macht sich Ungarn so attraktiv?

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Bild: Iimago/Xinhua/A. Volgyi

Péter Szíjártó war sichtlich stolz, als er die Meldung verkündete. Nach 17 Monaten Verhandlung konnte Ungarns Außenminister nun eine neue Milliarden-Investition eines deutschen Autobauers vermelden. "Pro Jahr können in Debrecen 150.000 Wagen produziert werden", so der Minister. "Damit werden schon zu Beginn mehr als 1.000 Arbeitsplätze geschaffen."

Roter Teppich für deutsche Autobauer

In einem Jahr soll der Bau für das Werk in Ost-Ungarn beginnen. BMW fügt sich in eine Traditionslinie ein. Schon lange war Ungarn für deutsche Autobauer die verlängerte Werkbank, das habe schon nach der Wende begonnen, sagt Sándor Richter vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche. "Insbesondere die Autoindustrie hat dort Möglichkeiten gesucht und gefunden." Für die Investoren sei wichtig, dass "Ungarn gut an den Westen angebunden ist". Dass es gut ausgebildete Fachkräfte gebe und Steuermäßigungen. Mit neun Prozent hat Ungarn die niedrigste Körperschaftssteuer in der EU, betont Dirk Woelfer von der Deutsch-Ungarischen Industrie und Handelskammer. Und die Gewerkschaften sind schwach. "2012 wurde das Arbeitsrecht grundlegend reformiert", sagt er. Das sei nun "insgesamt unternehmerfreundlicher".

Ungarns Außenminister Péter Szíjártó bei der Einweihung einer Produktionsstätte von AudiBild: Getty Images/L. Balogh

In den Unternehmen selbst gebe es wenig gewerkschaftliche Organisation, sagt der DUIH-Sprecher Woelfer im DW-Interview. "Die meisten Tarifabsprachen werden im Unternehmen getroffen und nicht wie in Deutschland über Flächentarifverträge, was auch eher für die Arbeitgeber von Vorteil sein dürfte." Für BMW selbst haben der Flughafen, die qualifizierten Arbeitskräfte und die Zulieferindustrie vor Ort eine Rolle gespielt.

Spagat zwischen den Interessen

Etwa eine halbe Million Jobs haben deutsche Unternehmen direkt und indirekt in Ungarn geschaffen, rechnet Woelfer vor. Das nützt den ungarischen Fachkräften, die höhere Löhne bei deutschen Unternehmen verdienen. Und es nützt der Regierung, die bei Kritik am illiberalen politischen Kurs auf die Wirtschaftsbilanz verweist: vier Prozent Wachstum und eine ähnlich niedrige Arbeitslosenquote. "Der Fleiß der Ungarn, ihr Arbeitswille und ihre Kreativität kennt keine Grenzen", lobt entsprech der zuständige Minister Szíjártó.

Doch die Wirtschaftspolitik der Regierung Orbán hat auch eine Kehrseite. Große Konzerne wie Banken oder Supermarkt-Ketten wurden zur Ader gelassen, Großbauern aus Österreich mit Flächen in Ungarn wurden im Handstreich enteignet. Rechtsunsicherheit war zu Beginn der Orbán-Jahre seit 2010 ein großes Negativ-Thema, gibt Dirk Woelfer zu. "Das hat die Unternehmerschaft sehr belastet". Das habe sich allerdings "in den letzten Jahren beruhigt". 

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Die deutschen Autobauer stehen gleichsam unter besonderem Schutz, betont Sándor Richter vom Wiener WIIW. Sie seien von den Propaganda-Feldzügen der Regierung gegen ausländische Großinvestoren ausgenommen gewesen. Wichtigstes Kriterium: Sie dürfen der ungarischen Regierung und den Interessen ihrer Oligarchen nicht in die Quere kommen. "Wo eine ungarische Regierungskonkurrenz infrage kommt, dort sind sie als unerwünschte Wettbewerber gesehen", betont Richter. Aber in der verarbeitenden Industrie, insbesondere Automobilindustrie gebe es keine Konkurrenz. "Man wird nicht den ungarischen BMW oder Mercedes auf die Beine stellen."

Potenzial für mehr

Auf lange Sicht gehen aber auch deutsche Unternehmen in Ungarn die Fachkräfte aus. Der Brain-Drain wird zum Problem. In den letzten Jahren haben Hunderttausende Ungarn ihr Land verlassen, um ihr Glück woanders zu suchen - vor allem die gut ausgebildeten. Und die Experten, die bei deutschen Unternehmen anheuern, fehlen wiederum in ungarischen Firmen. Auch das Steuersystem sei auf den zweiten Blick nicht so gut, meint Richter im DW-Interview. "Ungarn ist kein Niedrigsteuerland". Zwar gebe es eine "Flat Tax" von 15 Prozent auf das Einkommen. Das bedeute, dass "Gutverdiener sehr gut verdienen". Aber, so betont der Ökonom, gebe es die EU-weit höchsten Mehrwertsteuer von 27 Prozent, "was für Konsumenten die Waren sehr teuer macht."

Die Regierung lobt sich selbst für ihr Vier-Prozent-Wachstum und die niedrige Arbeitslosenquote. Doch, so betont Richter, gehe es kleinen und mittleren Unternehmen in Ungarn gar nicht so gut. Und das "Wirtschaftswachstum ist nicht nachhaltig". Viele EU-Gelder seien vor der Wahl bereits abgerufen worden. In den nächsten Jahren werde deshalb weniger Geld aus Brüssel fließen. "Ich rechne mit nur noch zwei Prozent Wirtschaftswachstum", sagt Richter. Dabei sei das Potenzial für mehr da. "Mit einer richtigen Wirtschaftspolitik, mit mehr Wettbewerb, mehr Transparenz, weniger Korruption, könnte es Ungarn viel besser gehen als heute", betont der Wirtschaftsexperte.

 

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