Die Fantasie der Besucher beflügelt das Märchenschloss in Bayern seit jeher. Zum 150. Jubiläum der Grundsteinlegung hat ein Spezialteam des Landeskriminalamts nun den verschollenen Grundstein Neuschwansteins aufgespürt.
Anzeige
Am 5. September 1869 ließ der bayerische Märchenkönig Ludwig II. den Grundstein zu einem der teuersten Bauprojekte seiner Zeit legen: Schloss Neuschwanstein. Er selbst weilte zu diesem Zeitpunkt auf Schloss Berg am Starnberger See, einem anderen Rückzugsort des menschenscheuen Königs. Der Ort des Grundsteins geriet in Vergessenheit.
Anlässlich des runden Jubiläums der Grundsteinlegung konnte die Bayerische Schlösserverwaltung nun das Geheimnis lüften: Mithilfe von Spezialisten des Landeskriminalamts, die im Alltag Blindgänger und Brandsätze entschärfen, wurde der Grundstein mit der eingelassenen runden Messingkapsel geortet. Er liegt ganz in der Nähe eines auf 1869 datierten Ziegels in der Südwand. Möglicherweise markierte der Grundstein einen Eckpunkt des Schlossbaus, wie er ursprünglich geplant war.
Entnommen werde der Stein aus Denkmalschutzgründen aber nicht, so die Bayerische Schlösserverwaltung. Der Fund ist eine kleine Sensation. Die darin enthaltene Messingkapsel enthält unter anderem den ursprünglichen Bauplan und ein auf Porzellan gemaltes Porträt des Märchenkönigs.
Sehnsuchtsort und lukrative Marke
Um das berühmteste aller Schlösser in Bayern ranken sich ebenso viele Geheimnisse wie um seinen Erbauer Ludwig II., dem das Schloss als privater Rückzugsort für seine Traumwelten diente.
Schloss Neuschwanstein - Märchenschloss und Touristenattraktion
Jährlich besuchen 1,5 Millionen Touristen Deutschlands berühmtestes Schloss. Von der Allgäuer Bilderbuchlandschaft bis zum geheimnisumwitterten Märchenkönig Ludwig II. von Bayern - Neuschwanstein muss man gesehen haben!
Bild: picture-alliance/C. Wallberg
Ein Schloss als Mythos
Erbaut auf einem Felsen in Hohenschwangau ist Neuschwanstein zum Inbegriff des idealen Schlosses geworden. Der bayerische König Ludwig II. ließ das Bauwerk 1869 - 1886 nach dem Vorbild einer mittelalterlichen Ritterburg errichten.
Im Alter von 18 Jahren wurde Ludwig II. König von Bayern. Vor dem strengen Hofzeremoniell und den politischen Intrigen flüchtete sich der junge Monarch in die Musik und in seine fantastischen Baupläne. Den Standort für sein Märchenschloss in Hohenschwangau kannte er seit seiner Kindheit.
Bild: picture-alliance/akg-images
Kindheitsträume
Gegenüber von Neuschwanstein liegt Schloss Hohenschwangau. Ludwig und sein Bruder Otto verbrachten hier die Sommer ihre Kindheit. Das neugotische Bauwerk mit den drei Rundtürmen prägte möglicherweise die architektonischen Vorlieben Ludwigs. So wie Schloss Neuschwanstein sehr viel später, 1955, zum Vorbild für Disney's Dornröschen-Schloss wurde.
Bild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand
Von Sagen umwoben
Als großer Fan des Komponisten Richard Wagner begeisterte sich Ludwig II. für dessen Opernszenarien gespeist aus germanischen Heldensagen. Für die ersten Entwürfe von Neuschwanstein (Abbildung von 1869) engagierte er den Theatermaler Christian Jank, der das Bühnenbild der Wagner-Oper "Lohengrin" mitgestaltet hatte.
Bild: picture alliance/akg-images
Räume mit Geschichten
Wie die Wagner-Opern erzählt jeder Raum von Mythen und Helden. Der größte Raum im Schloss ist der Sängersaal (Foto) mit Dekorationen aus "Lohengrin" und "Parsifal". An der Stirnseite ist auch eine Bühne, aber sie wurde nie bespielt. Von Ludwigs geplanten 200 Räumen im Schloss sind nur 14 vollständig fertig gestellt worden.
Bild: picture alliance/akg-images
Künstliche Grotte
Nach dem Vorbild einer Tropfsteinhöhle schuf der Bühnenbildner August Dirigl diese Grotte im Schloss Neuschwanstein. Sie kann farbig beleuchtet werden und hatte sogar ursprünglich einen echten Wasserfall. Vorbild war die Höhle im Hörselberg aus der Tannhäuser-Sage.
Bild: Bayerische Schlösserverwaltung
Das Schlafgemach des Königs
Ludwigs Bett ist mit filigranem Schnitzwerk verziert. Vier Jahre sollen die Schnitzer daran gearbeitet haben. Motive der Liebestragödie "Tristan und Isolde" bedecken die Wände. Am 12. Juni 1886 wurde Ludwig II. entmündigt und hier festgesetzt. Am Tag danach fand man ihn und seinen Arzt tot am Starnberger See. Die Todesursache ist bis heute unklar.
Bild: Bayerische Schlösserverwaltung
Thronsaal ohne Thron
Inspiriert von der Münchner Allerheiligenhofkirche und byzantinischen Kirchen wie der Hagia Sophia in Istanbul ist der Thronsaal gestaltet. Mit Säulen in Ludwigs Lieblingsfarbe Blau und einem Mosaikboden aus zwei Millionen Teilen. Erst nach dem mysteriösen Tod des Königs wurde der Raum fertig gebaut, aber ein Thron ist nie aufgestellt worden.
Bild: picture-alliance/dpa
Ikone im Stil des Historismus
Viele glauben, dass Neuschwanstein eine typische Mittelalterburg sei. Tatsächlich ist das Schloss eine frei interpretierte Nachbildung historischer Bauwerke wie zum Beispiel der Wartburg in Thüringen. Der Architekturstil wurde später als Historismus bezeichnet. Das Schloss wurde bereits wenige Wochen nach dem tragischen Ende des Märchenkönigs zur Attraktion für Neugierige.
Bild: picture-alliance/imageBROKER/J. Beck
9 Bilder1 | 9
Dass er in dem abgelegenen Traumschloss kurz vor seinem Tod festgesetzt und als geisteskrank entmündigt werden würde, ahnte Ludwig bei der Grundsteinlegung 1869 nicht. Möglicherweise schwante ihm ebenso wenig, was ihn der Bau kosten würde: Das unvollendet gebliebene Schloss, das Ludwig mit damals modernster Technik wie Beheizung und automatischer Toilettenspülung ausstatten ließ, verschlang Unsummen, in Euro umgerechnet einen dreistelligen Millionenbetrag.
Die Bauschulden des Königs hat das Schloss allerdings dank anhaltender Besucherströme längst eingespielt. Bis heute wurden 60 Millionen Neuschwanstein-Besucher gezählt. Sie kommen auch trotz der noch bis 2022 andauernden Sanierungsarbeiten. Die Prunkräume des Schlosses werden seit zwei Jahren komplett saniert. Es ist das erste Mal seit der Öffnung für Besucher vor über 130 Jahren. Draußen hingegen ist etwa das Baugerüst am historischen Torbau schon wieder abgebaut. Das Tor strahlt in neuem Glanz - auch als beliebtes Fotomotiv für die Touristen.