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Politik

Zahl der Flüchtlinge erreicht Rekordhoch

16. Juni 2022

Weltweit sind so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das geht aus Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks hervor, das von weltweit aktuell mehr als 100 Millionen Flüchtlingen ausgeht.

Eine Familie auf der Flucht in Nord-Mosambik (14.06.2022)
Eine Familie auf der Flucht in Nord-Mosambik: Rund 60 Prozent der Flüchtlinge in der Welt sind BinnenvertriebeneBild: Alfredo Zuniga/AFP

Kriege, Konflikte und Krisen drängen immer mehr Menschen dazu, die Heimat zu verlassen. Wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Genf meldet, sind weltweit inzwischen mehr als 100 Millionen auf der Flucht. Das sind so viele wie noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Organisation spricht in ihrem nun vorgelegten Weltflüchtlingsbericht von einem "dramatischen Meilenstein". Zu den Gründen zählten die schwierige Lage in Afghanistan und anderen Ländern sowie insbesondere die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Die Vertreibung aus der Ukraine sei die am schnellsten wachsende derartige Krise seit Gründung des UNHCR 1951. Innerhalb von Wochen seien Ukrainerinnen und Ukrainer zur zweitgrößten Flüchtlingsgruppe der Welt geworden, nach Syrerinnen und Syrern. 4,9 Millionen Menschen flüchteten bislang aus der Ukraine, aus Syrien waren es fast sieben Millionen.

Zusätzlich aktuelle Zahlen aus der ersten Jahreshälfte

Normalerweise beziehen sich die jährlichen Weltflüchtlingsberichte jeweils auf das vorangegangene Jahr. Wegen der dramatischen Folgen des russischen Angriffskriegs nannte das UNHCR ausnahmsweise auch die aktuelle Flüchtlingszahl von Mai 2022. Aber auch Ende 2021 sei bereits eine Rekordzahl von Menschen auf der Flucht gewesen: 89,3 Millionen, acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor, meldet das UNHCR. Das ist der 15. jährliche Anstieg in Folge.

UNHCR-Chef Grandi: "Brutal und furchteinflößend"Bild: Fabrice Coffrini/AFP

Insgesamt waren mehr als doppelt so viele Menschen auf der Flucht wie vor zehn Jahren. Rund 60 Prozent der Vertriebenen fanden Zuflucht innerhalb der Grenzen des eigenen Landes. "Was wir in der Ostukraine sehen ist sehr brutal und sehr furchteinflößend", so Filippo Grandi, UN-Hochkommissar für Flüchtlinge. Er warnt, dass der Kampf gegen die wegen des Kriegs drohende Nahrungsmittelknappheit von "größter Bedeutung" sei, "um zu verhindern, dass noch mehr Menschen fliehen" müssen.

Es sei aber fatal, wenn das Augenmerk nur auf die Ukraine gerichtet sei. Es fehlten riesige Geldsummen, um Menschen in anderen Erdteilen zu helfen. Er nannte unter anderem Spannungen in West- und Ostafrika, im Mittleren Osten, die Lage der aus Myanmar vertriebenen Rohingya und die Situation in Südamerika, wo viele Länder Flüchtende aus Venezuela aufgenommen haben.

Kritik an Aufnahmebereitschaft

Grandi verwies auf die unterschiedliche Aufnahmebereitschaft der Europäer, wenn es um Geflüchtete aus der Ukraine oder aus dem Nahen Osten geht. "Ich bin nicht naiv, ich verstehe den Kontext und dass es nicht immer so sein kann", sagte er. Doch der Umgang mit den Massen an ukrainischen Geflüchteten zeige, dass die Aufnahme an "Küsten oder Grenzen reicher Länder handhabbar ist".

Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine in Bayern (im März): "Aufnahme in reichen Ländern handhabbar"Bild: Wolfgang Maria Weber/IMAGO

Deutschland nahm 1,3 Millionen Menschen auf und war damit hinter der Türkei, Kolumbien, Uganda und Pakistan das größte Gastgeberland. Abgesehen von den Nachbarländern Syriens ist die Bundesrepublik zudem das größte Aufnahmeland für Syrer.

Die Krisen werden nach Einschätzung von Grandi immer vielschichtiger. Konflikte würden durch wachsende Ungleichheit geschürt. Schlechte Regierungsführung verhindere vielerorts Entwicklung. Der Klimawandel verschärfe etwa den Kampf um Ressourcen, zum Beispiel in der Sahel-Zone in Afrika, was schwelende ethnische Konflikte anheize. Die explodierenden Lebensmittelpreise dürften noch mehr Menschen in die Flucht treiben, so der UNHCR-Chef.

"Jedes Jahr in den vergangenen zehn Jahren sind die Zahlen stetig gestiegen", so Grandi. Wenn die internationale Gemeinschaft nicht zusammenkomme, um etwas gegen diese menschliche Tragödie zu unternehmen, Konflikte zu beenden und dauerhafte Lösungen zu finden, dann werde "dieser schreckliche Trend anhalten".

AR/gri (dpa, afp)

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