Unicef-Fotos des Jahres 2024: Kinderschicksale
29. Januar 2025
Zum 25. Mal prämiert UNICEF Deutschland Fotos und Fotoreportagen, die die Lebensumstände von Kindern weltweit dokumentieren. "Hochwertige dokumentarische Fotografie kann Augen öffnen", so Georg Graf Waldersee, Vorstandsvorsitzender von UNICEF Deutschland, auf der Website des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen. "Den Arbeiten, die jährlich im Fotowettbewerb von UNICEF prämiert werden, gelingt genau das: Sie öffnen die Augen für die Lage der Kinder in unserer Welt."
Israel: das Trauma des kleinen Stav
Stav muss Grauenvolles gesehen haben: Der Achtjährige überlebte den Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf seinen Kibbuz am 7. Oktober 2023, der seiner unbeschwerten Kindheit ein jähes Ende setzte. Sein Gesicht spiegelt den Schmerz und das Gefühl der Verlorenheit wider. Die Israelin Avishag Shaar-Yashuv porträtierte den Jungen und andere Kinder in einer Notunterkunft - ihr Zuhause existiert nicht mehr. Für ihre eindringliche Fotoreportage erhielt sie den ersten Platz.
Palästina: das Drama von Dareen und Kinan
In einem Krankenhaus in Katar sind die elfjährige Dareen und der fünfjährige Kinan endlich sicher. Das Geschwisterpaar stammt aus dem Gazastreifen, seine ganze Familie wurde bei einem Bombenangriff der israelischen Luftwaffe ausgelöscht. Wie ihre Zukunft aussieht, ist ungewiss. Die Palästinenserin Samar Abu Elouf, die sich das Fotografieren mit geliehenen Kameras selbst beigebracht hat, hat viele Opfer des Krieges im Bild festgehalten - sie haben Arme, Beine oder das Augenlicht verloren. In allen Fotos hat Abu Elouf die Würde dieser Kinder eingefangen, selbst noch in existentieller Seelennot. Auch sie wurde mit einem ersten Platz ausgezeichnet - zwei Gewinner, ein Novum beim Unicef Fotos des Jahres.
Kongo: ein Virus auf dem Vormarsch
Japhet ist gerade mal sieben Monate alt. Er hat sich mit dem Mpox-Virus infiziert, besser bekannt unter dem Namen "Affenpocken". Es gibt eine Impfung gegen Mpox, doch in ärmeren Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, der Heimat von Japhet, sind Impfstoffe Mangelware. Besonders gefährdet: Kinder.
1000 Menschen sind nach Angaben der Afrikanischen Union bereits gestorben, viele weitere sind infiziert. Der kleine Japhet hat Glück. Seine Mutter hat ihn in eine Gesundheitsstation gebracht, wo man seine Pusteln mit einem antiseptischen Medikament behandelt. Gut ausgestattet ist man dort zwar auch nicht, aber Japhet ist hier immer noch besser aufgehoben als auf dem Lehmboden einer Hütte. Der französische Fotojournalist Pascal Maitre wurde für dieses Bild mit dem zweiten Platz ausgezeichnet.
Frankreich: der schwere Weg ins Leben
Gabin gehört zu den zehn Prozent aller Kinder weltweit, die nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation zu früh auf die Welt kamen. Mit jeder Woche weniger im Mutterleib wird der Eintritt ins Leben dramatischer. Der kleine Junge wurde nach nicht mal sechs Monaten geboren, hat aber einen unbändigen Überlebenswillen. Die französische Fotografin Maylis Rolland hat den berührenden Moment festgehalten, als Gabin, noch unter der Atemmaske, nach der Nase seiner Mutter Doriane greift. Platz drei für dieses Foto. Neben den ersten drei Plätzen zeichnete die unabhängige UNICEF-Jury weitere Fotos mit ehrenvollen Erwähnungen aus.
Sudan: die unbeachtete Tragödie
Fernab der Schlagzeilen spielt sich im Sudan eine der größten humanitären Katastrophen der Gegenwart ab. Mehr als 14 Millionen Menschen sind laut den Vereinten Nationen in dem ostafrikanischen Land auf der Flucht. Im Sudan tobt seit 2023 ein Machtkampf rivalisierender Parteien. Schulen und Gesundheitsposten werden zerstört, Kinder als Soldaten zwangsrekrutiert, Mädchen werden vergewaltigt.
Der Hunger ist allgegenwärtig. Rund 730.000 sudanesische Kinder sind so schwer mangelernährt, dass ihr Leben in Gefahr ist. Der irische Fotograf Ivor Prickett, der auch für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen arbeitet, hat das Elend der Menschen eingefangen.
Kanada: wenn ein Junge nicht mehr spricht
Milo litt ab seinem sechsten Lebensjahr an einer seltenen Krankheit: Zuhause plapperte er munter drauf los, doch außerhalb der familiären Geborgenheit brachte er kein Wort raus. In der Medizin nennt man das "selektiven Mutismus". Seine Mutter, die kanadisch-mexikanische Fotografin Patricia Krivanek, schenkte ihm eine Kamera; er sollte seine Gefühle in Bildern ausdrücken und gleichzeitig aufschreiben, was ihn bedrückte. Krivanek ist es auch, die dieses Foto von Milo geschossen hat. Ihre Therapie hat ihrem Sohn tatsächlich geholfen.
Sambia: Eine Kindheit ohne Eltern
Sie leben in Waisenhäusern oder schlagen sich allein und schutzlos auf der Straße durch: Etwa 140 Millionen Kinder weltweit, schätzen die Vereinten Nationen, haben kein Zuhause. Einige müssen den Verlust von Vater und Mutter beklagen, durch Krieg, Epidemien oder Hunger. Viele stammen aber auch aus zerrütteten Familien, in denen sie Gewalt und Missbrauch ausgesetzt waren. Der italienische Fotograf Valerio Bispuri will diesen "Unsichtbaren" eine Stimme geben. Jenen, die so unbeachtet und vergessen leben, als seien sie "nie geboren" worden.
Nigeria: Tanz ins Selbstbewusstsein
Auch fernab des polierten Parketts in Ballettschulen, auch dort, wo das durchschnittliche Monatseinkommen bei etwa 200 Euro liegt, gibt es Mädchen und Jungen, die Pirouetten üben und in grazilen Luftsprüngen die Schwerkraft überwinden. Zum Beispiel in Lagos, der Hauptstadt Nigerias.
20 Kinder trainieren unter Anleitung ihres Lehrers Daniel Ajala regelmäßig unter freiem Himmel im Hinterhof, die Hühner schauen ihnen dabei zu. Für die Einwohner des Armenviertels war das erst befremdlich, doch Ajala will den Kindern eine neue Perspektive schenken. Es helfe ihnen, sagt er, "ihre Stimme zu erheben und sich zu verteidigen".
Der Franzose Vincent Boisot hat die Szene festgehalten, in der ein Mädchen frischgewaschene Ballettkostüme zum Trocknen aufhängt.
Frankreich: Kinder, die in Handys kriechen
Das Smartphone ist in Kinderzimmern omnipräsent, selbst Kleinkinder sieht man zunehmend auf das Gerät starren. Dabei sind negative Auswirkungen auf soziale und kommunikative Kompetenzen und die Lernfähigkeit längst wissenschaftlich belegt.
Der französische Fotograf Jérôme Gence hat die Handy-Manie im Bild festgehalten: Kinder sitzen zusammen und schauen aufs Handy, statt miteinander zu reden. Manche Hirnforscher konstatieren der jungen Generation schon eine "digitale Demenz". Nicht nur in Frankreich, sondern weltweit.
Die Gewinnerbilder des Wettbewerbs werden vom 30. Januar bis 27. April 2025 im Willy-Brandt-Haus in Berlin in Kooperation mit UNICEF Deutschland gezeigt.