1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteLibanon

UNIFIL: Was tut die Friedenstruppe im Libanon?

12. Oktober 2024

Mehrere UN-Blauhelmsoldaten im Südlibanon wurden bei israelischen Angriffen verwundet. Es ist die jüngste Krise in der langen Geschichte der Friedensmission UNIFIL. Ein Überblick über Mandat und Herausforderungen.

Libanon: Fahrzeuge der UNIFIL fahren in einer Kolonne entlang einer Straße
Die Mission soll Frieden und Sicherheit garantieren: UNIFIL-Fahrzeuge im SüdlibanonBild: Taher Abu Hamdan/Xinhua/picture alliance

Die multinationale Friedenstruppe UNIFIL im Südlibanon zählt in ihren Reihen mittlerweile fünf Verwundete innerhalb weniger Tage - Opfer des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah. Zuletzt war am Freitagabend am UNIFIL-Hauptquartier in Nakura ein Blauhelmsoldat von Schüssen getroffen worden, wie UNIFIL am Samstag mitgeteilt hat. Am Freitag waren bei zwei Explosionen nahe einem Wachturm zwei ihrer Soldaten verwundet worden. Wer die Schüsse abgegeben hat, ist bislang nicht bekannt. Bereits am Donnerstag hatten laut UN israelische Truppen das UNIFIL-Hauptquartier beschossen und dabei mindestens zwei UN-Soldaten verletzt. 

Im April hatte es einen ähnlichen Vorfall gegeben, als durch eine Explosion drei UN-Beobachter und ein libanesischer Übersetzer verwundet worden waren. Damals schoben libanesische Sicherheitskräfte die Verantwortung auf die israelischen Armee, die wiederum angab, die Hisbollah habe die Sprengsätze angebracht.

Die Hisbollah wird von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Sie wird vom Iran unterstützt. Die EU listet den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe.

Die Angriffe sind ein Nebenschauplatz des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah. Der Konflikt eskalierte im September 2024. Bereits einem Tag nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 begann die Hisbollah, aus Solidarität mit der Hamas, beinahe täglich, Raketen auf den Norden Israels abzufeuern. Die EU, die USA und weitere Staaten stufen die Hamas als Terrororganisation ein.  

Zwischen die Fronten geraten: Eine Explosion hat UNIFIL-Soldaten verletzt (August 2024)Bild: Stringer/dpa/picture alliance

Weil die UNIFIL-Soldatinnen und -soldaten im Südlibanon nahe der libanesisch-israelischen Grenze stationiert sind, befinden sie sich zwischen den Fronten. UNIFIL-Sprecher Andrea Tenenti betonte jedoch, die Friedensmission sei dort, weil der UN-Sicherheitsrat sie darum gebeten habe: "Wir bleiben also so lange, bis es für uns unmöglich wird."

Was ist UNIFIL?

Die UNIFIL (United Nations Interim Force in Lebanon) begann ihre Mission im März 1978, nach Israels Invasion des Libanon. Sie ist eine der ältesten aktiven UN-Beobachtermissionen. Im September 2024 bestand die Truppe aus rund 10.000 Blauhelmsoldaten und -soldatinnen aus mehr als 50 Ländern. Die meisten von ihnen steuert Indonesien bei mit derzeit 1231 Personen, gefolgt von Italien mit 1068.

Soldaten und Soldatinnen aus mehr als 50 Staaten: UNIFIL-Angehörige im Mai 2024Bild: Niall Carson/PA Wire/empics/picture alliance

Eingesetzt sind sie auf 50 Stützpunkten in einem Gebiet von 1060 Quadratkilometern. Es erstreckt sich zwischen der israelisch-libanesischen Grenze im Süden und dem Litani-Fluss gut 30 Kilometer weiter nördlich. Das UNIFIL-Hauptquartier ist in Nakura, einer libanesischen Küstenstadt nahe der Grenze.

Warum ist UNIFIL im Libanon?

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen setzte die Mission 1978 ein. Sie sollte den Rückzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon überwachen, Frieden und Sicherheit wiederherstellen und die libanesische Regierung dabei unterstützen, die Kontrolle über das Gebiet zurückgewinnen. Seitdem hat der UN-Sicherheitsrat das Mandat jedes Jahr verlängert.

Im Juni 2000 wurde das UNIFIL-Mandat ausgeweitet. Die Vereinten Nationen legten die Blaue Linie fest, eine Demarkationslinie zwischen Libanon und Israel, und lassen sie seitdem von UNIFIL überwachen. Die Blaue Linie ist formal keine internationale Grenze, gleichzeitig darf sie nicht ohne Erlaubnis passiert werden.

Das UNIFIL-Mandat wurde nach dem Libanonkrieg 2006 erneut grundlegend erweitert, mit der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates. Die Resolution beendete den Krieg zwischen der Hisbollah und Israel. Sie legt ein Ende der Kämpfe fest und den vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus dem Libanon. Die Kontrolle über das Gebiet südlich des Litani-Flusses sollten die libanesische Armee und UNIFIL übernehmen, alle Milizen inklusive der Hisbollah sollten entwaffnet werden.

Welche Aufgaben hat UNIFIL?

UNIFIL ist in erster Linie eine Beobachtermission. Das beinhaltet Patrouillen zu Fuß und mit Fahrzeugen zwischen der Blauen Linie und dem Litani-Fluss. Auch die Küstenlinie überwacht UNIFIL mit ihrer Marine-Friedenstruppe, der UNIFIL Maritime Task Force. Wenn die Resolution 1701 verletzt wird, meldet UNIFIL das dem UN-Sicherheitsrat.

"Wenn es einen Vorfall an der Blauen Linie gibt, schickt UNIFIL gegebenenfalls umgehend zusätzliche Soldaten an den Ort des Geschehens, um eine direkte Auseinandersetzung zwischen den beiden Seiten zu verhindern und sicherzustellen, dass die Situation eingedämmt wird", so beschreibt die UN-Mission die Herangehensweise auf ihrer Website.

Sollen die Blaue Linie kontrollieren: UNIFIL-Blauhelme im SüdlibanonBild: Niall Carson/PA Wire/empics/picture alliance

UNIFIL hält auch Verbindung zur libanesischen Armee und dem israelischen Militär, um eine Eskalation der Situation zu verhindern.

Gewalt dürfen die Blauhelme nur unter bestimmten Umständen und nur zur Selbstverteidigung anwenden sowie um "sicherzustellen, dass ihr Einsatzgebiet nicht für feindselige Aktivitäten genutzt wird".

Wofür wird UNIFIL kritisiert?

Israel und die USA finden, dass UNIFIL die Hisbollah nicht wirksam davon abgehalten hat, Waffen im Südlibanon zu horten und einzusetzen. 2018 wurde ein Tunnel der Hisbollah entdeckt, der unter der Blauen Linie hindurch nach Israel führte.

Umgekehrt hat die libanesische Regierung wiederholt betont, dass UNIFIL Israels Eindringen in den libanesischen Luftraum nicht unterbunden habe.

Verantwortliche der Hisbollah wiederum beschuldigen UNIFIL, für Israel zu spionieren. Die Präsenz der UN-Mission verletze die Souveränität des Libanon.

Zudem ist UNIFIL relativ kostspielig. Nach Angaben der Vollversammlung der Vereinten Nationen war sie 2023 die fünftgrößte UN-Blauhelmmission. Zwischen Juli 2023 und Juli 2024 lag ihr Jahresbudget demnach bei umgerechnet mehr als 500 Millionen Euro.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen