Union Berlin steigt in die Bundesliga auf. Der Traditionsklub setzt sich in der hart umkämpften Relegation gegen den VfB Stuttgart durch. Damit beginnt für den ungewöhnlichen Klub aus Köpenick eine neue Ära.
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Einen größeren Tag hatte es in der Vereinsgeschichte noch nicht gegeben. Die Berliner standen zwar schon einmal als Drittligist im Jahr 2001 im Pokalfinale gegen Schalke 04 (0:2) Aber nun spielt Union Berlin erstmals in der kommenden Saison in der Bundesliga. Nach dem 0:0 im Relegationsrückspiel gegen den VfB Stuttgart (Hinspiel 2:2) ist es geschafft. "Es ist ein Traum wahr geworden", sagte Vereins-Routinier Michael Parensen mit Tränen in den Augen und ungläubig unmittelbar nach dem Abpfiff.
Es war eine große Party, die Fans und Mannschaft nach Schluss auf dem Rasen der "Alten Försterei" feierten. Jubel, ungläubiges Staunen, Sprachlosigkeit und pure Freude machte sich unter den Tausenden breit - die ihr Glück nicht fassen konnten.
"Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union!"
Der Traditionsklub aus dem Stadtteil Köpenick, der sich schon traditionell als unterprivilegiert wahrnimmt und der schon häufig am Abgrund und vor großen Problemen stand, spielt demnächst tatsächlich in der Eliteliga mit. So viel stand an diesem späten Abend fest.
Einige aus dem Klub werden trotz des Jubels aber auch ein ambivalentes Gefühl verspüren. Denn nun sind die Unioner auch dort, wo der ungezügelte Fußball-Kapitalismus zuhause ist - und wo sich die Berliner den Gesetzen dieses Marktes werden unterordnen müssen.
"Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union!", besingt Nina Hagen die besondere und lange gepflegte Haltung von Klub und dessen Fans in der Vereinshymne. Unioner sehen sich gern als Außenseiter. Daraus ist diese spezielle Berliner Familie erwachsen. Und darauf sind sie auch mächtig stolz im Osten der Hauptstadt.
Union-Stadion soll ausgebaut werden
Wenn man allerdings etwas genauer hinschaut, hat sich auch dieser Klub in den vergangenen Jahren der Moderne immer mehr angepasst - und die Berliner Erzählung dabei ein wenig verschwimmen lassen. Denn mit einem Etat von rund 16 Millionen Euro gehörten die Unioner bereits in der abgelaufenen Zweitligasaison zu den Top-Teams (hinter den finanziell weit enteilten Kölnern und Hamburgern).
Die Vereinsverantwortlichen wollen das Stadion, das einst Fans mit ihrer unentgeltlichen Arbeitskraft neu aufbauten, von 22.000 auf 37.000 Plätze erweitern. In der Bundesliga sind diese Pläne natürlich deutlich besser umzusetzen. Zum einen, weil die TV-Gelder (mindestens zehn Millionen Euro mehr) sich deutlich erhöhen. Zum anderen dürfte der Zuschauerandrang ungekannte Ausmaße annehmen.
Der Aufstieg ist geschafft und damit ist auch eine neue Ära in Köpenick angebrochen, die den Klub noch weiter beeinflussen wird. Die Union-Familie wird sich in ihrer speziellen Art des gefühlten "Underdogs" aber auch weiterhin die alten Gewohnheiten pflegen - allerdings mit dem Blick auf die neuen Herausforderungen, die die neue Zeit zwangsläufig mit sich bringen wird.
Union Berlins langer Weg in die Bundesliga
Erstmals steigen die "Eisernen" in die höchste deutsche Spielklasse auf. Es war ein langer Weg vom DDR-Klub mit Arbeiterklasse-Image bis hinauf in die Bundesliga. Auch für die Fans von Union Berlin.
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Endlich Bundesliga!
Bis spät in die Nacht feiern die Fans im Stadion "An der Alten Försterei" den erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga. Das torlose Unentschieden im Rückspiel reicht. Nach dem Schlusspfiff brechen die Dämme.
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Kein Verein wie jeder andere
Niemand hindert die Union-Fans daran, den Rasen zu stürmen, um dort gemeinsam den großen Erfolg zu feiern. Der Klub pflegt traditionell ein enges Verhältnis zu seinen Anhängern. Eine Entfremdung, über die Fans in anderen großen deutschen Vereinen klagen, gibt es hier noch nicht.
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Bierdusche
Mit einem Lachen quittiert der Schweizer Urs Fischer die obligatorische Bierdusche. Der 53-Jährige ist der siebte Union-Trainer in fünf Spielzeiten. Seine Spieler- und auch Trainerkarriere hat er vollständig in der Schweiz absolviert, ehe er im Sommer 2018 nach Berlin-Köpenick kommt - und gleich seine erste Saison bei Union mit dem Aufstieg krönt.
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Auswärtstore Gold wert
Im Hinspiel am vergangenen Donnerstag in Stuttgart gleicht Union Berlin gleich zweimal die Führung des VfB aus und holt am Ende ein hoch verdientes 2:2. Die Auswärtstore durch Suleiman Abdullahi (2.v.l.) und Marvin Friedrich sind in der Endabrechnung Gold wert.
Bild: Imago Images/R. Rudel
"Nehmt euer Herz in die Hand!"
Mit einer beeindruckenden Choreographie stimmen die Ultras des Vereins auf das entscheidende Relegationsspiel gegen Stuttgart ein. Zwei Hände halten ein Herz, dazu die Botschaft: "Nun hat das Warten ein Ende, nehmt euer Herz in die Hand!" Nach zehn Jahren in der 2. Liga schafft Union Berlin den Sprung ins deutsche Fußball-Oberhaus.
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"S*** ... wir steigen auf!"
Zwei Spielzeiten zuvor äußern die Fans noch mit einem Banner ihre Zweifel, ob ein Aufstieg wirklich wünschenswert ist. Zehn Spieltage vor Saisonschluss ist Union auf Tabellenplatz zwei vorgedrungen und schnuppert am Aufstieg - aus Sicht der Fans zu früh. Ihre Bedenken sind überflüssig. Am Ende stehen die Berliner als Tabellenvierter mit leeren Händen da.
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Ohne die Fans geht gar nichts
International genießen deutsche Fußballfans generell den Ruf, sich sehr stark für ihre Vereine zu engagieren. Für die Union-Fans gilt das besonders. Im Sommer 2008 sind Renovierungsarbeiten im Stadion "An der Alten Försterei" fällig, um die Lizenzauflagen zu erfüllen. Doch Union fehlt das Geld dafür. Freiwillige leisten zusammen 140.000 Arbeitsstunden, um die Tribünen instand zu setzen.
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"Frohe Weihnachten!"
Alljährlich vor dem Weihnachtsfest lädt Union Berlin nicht nur die eigenen Fans ins Stadion ein, um gemeinsam Weihnachtslieder zu singen. Wenn die Temperaturen in den Keller fallen, halten sich die Besucher mit Mützen, Schals und Kerzen warm - auch das eine oder andere Bier darf nicht fehlen.
Bild: picture-alliance/dpa
DFB-Pokalfinalist 2001
2001 erreicht der damalige Drittligist Union sensationell das DFB-Pokalfinale. Auf dem Weg dorthin räumen die Berliner unter anderem den VfL Bochum und Borussia Mönchengladbach aus dem Weg. Das Märchen endet im Berliner Olympiastadion, wo die "Eisernen" gegen den FC Schalke 04 mit 0:2 verlieren. Doch die Reise endet noch nicht ...
... denn Union zieht trotz der Niederlage in den UEFA-Pokal ein, weil sich Pokalsieger Schalke über die Bundesliga für die Champions League qualifiziert hat. So werden die Berliner der bis heute einzige deutsche Drittligist, der sich jemals für einen Europapokal-Wettbewerb qualifiziert hat. Im selben Jahr steigt Union in die 2. Liga auf - und erreicht als solcher im UEFA-Pokal die zweite Runde.
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Klassenfeind
Zu DDR-Zeiten ist Union einer von elf staatlich unterstützten Vereinen in der höchsten Spielklasse, der DDR-Oberliga. Bei vielen Berlinern gilt der Klub aus dem Arbeiterviertel Köpenick als Gegenentwurf zum verhassten zehnmaligen Meister FC Dynamo, dem Leib-und-Magen-Verein von Stasi-Chef Erich Mielke. Im September 1986 (Bild) fertigt der BFC Union mit 8:1 ab.