In der CDU/CSU nimmt der Diskurs über ein neues Profil in der Union Fahrt auf. Während Markus Söder von der Schwesterpartei CSU AfD-Wähler gewinnen will, sprechen sich CDU-Spitzenpolitiker gegen einen Rechtsruck aus.
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Der hessische CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier sagte dem Magazin "Focus", die CDU sei keine Sammlungsbewegung. Als einzig verbliebene Volkspartei finde sie ihre Wähler in der sogenannten Mitte, aber auch rechts und links davon". Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet warnte davor, die Union nach rechts zu öffnen. "Wir machen die Programmatik nicht davon abhängig, wen wir einsammeln", sagte Laschet.
Beide Ministerpräsidenten, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU sind, betonten, dass die Union aus CDU und CSU auf einem christlichen und nicht nur auf einem konservativen Fundament stehe. "Das christliche Menschenbild steht über allem und ist deshalb auch der erste Buchstabe in unserem Parteinamen", sagte Laschet. "Darin finden sich die konservativen, christlich-sozialen und liberalen Kräfte wieder. Das sind die Wurzeln der CDU."
Christliches Leitbild
Bouffier sagte, ein neues Grundsatzprogramm der Partei müsse deutlich machen, "wie sich die Union den Zusammenhalt der Gesellschaft vorstellt - gespeist vom christlichen Leitbild".
Am kommenden Montag beginnt in Berlin der CDU-Parteitag. Schwerpunkt: die künftige Ausrichtung der Partei. Mehrere führende Christdemokraten forderten ein neues Grundsatzprogramm. In der Frage, wie weit sich die CDU nach rechts öffnen soll, gibt es jedoch unterschiedliche Positionen.
Söder will Wähler zurückgewinnen
Der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder (Artikelbild) rief die Union dazu auf, ihr Profil zu schärfen. "Es geht nicht um einen Rechtsruck, sondern um die Rückgewinnung der alten Glaubwürdigkeit", sagte Söder den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Menschen hätten bei der Union "etwas die geistige Heimat vermisst". Daher brauche es wieder ein "klares, unverwechselbares und glaubwürdiges Profil".
Die Union dürfe nicht nur schauen, was die SPD mache, sondern müsse "politische Meinungsführerschaft erringen". Es sei wichtig, dass CDU und CSU "nicht nur eine etwas konservativere Form der SPD" seien.
Zur Nominierung der bisherigen saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Generalsekretärin sagte Söder, die Schwesterpartei müsse ihren Kurs selber bestimmen. "Mein Gefühl ist nur, dass wir als Union wieder stärker werden, wenn wir uns auch wieder mehr um unsere klassischen Wähler kümmern", sagte der künftige Ministerpräsident. "Wir dürfen Vertriebene, Russlanddeutsche, Mittelstand und Handwerk, Konservative, Religiöse oder Patrioten nicht zurücklassen. Sie alle gehören zum Stammklientel der Union."
"Starker Staat"
Söder rief dazu auf, Wähler von der AfD zurückzugewinnen. Dazu forderte er eine Begrenzung der Zuwanderung und eine Durchsetzung des Rechtsstaats, vor allem durch die konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. "Es kann nicht sein, dass die Bürger nur bei Strafzetteln und Steuererklärungen einen starken Staat erleben", sagte Söder.
Notwendig sei auch "ein Bekenntnis zu unserer Identität", forderte der bisherige bayerische Finanzminister. "Wir sind ein christlich geprägtes Land und wollen das auch bleiben." Söder beruft sich dabei auch auf den CSU-Übervater Franz Josef Strauß. "Der Grundsatz von Strauß gilt auch heute: Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Diesen Zustand müssen wir wieder herstellen."
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther will eine stärkere Werteorientierung in seiner Partei: "Manchmal könnte das Konservative der Union gern kräftiger hervortreten. Die wahrnehmbare Spaltung unserer Gesellschaft offenbart doch die in Deutschland verbreitete Sehnsucht nach Werteorientierung und Gewissheit. Das gilt etwa für die Frage, ob die Migration und Zuwanderung nicht zu einer Verschiebung unserer Grundwerte führen", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Blick nach vorn
Das Ringen ums Profil ist zugleich verbunden mit der Diskussion über eine personelle Verjüngung. Für Daniel Günther ist es zwar "wichtig, dass Angela Merkel in den nächsten Jahren Kanzlerin und Parteivorsitzende bleibt". Er fügte aber hinzu: "Was noch fehlt, ist ein Stück Erneuerung." Gebe es sie, "haben wir einen Parteitag, von dem ein Signal der Geschlossenheit ausgehen wird und der optimistisch nach vorn schaut".
Auch Unionspolitiker, die eng mit der Basis zu tun haben, weisen auf das mangelhafte Profil der Partei hin. So beklagte der CDU-Mitgliederbeauftragte Henning Otte: "Die Erkennbarkeit der CDU ist ein wenig verloren gegangen." Das beunruhige die Mitglieder, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Deshalb müsse das neue Grundsatzprogramm "dezentral aus den Regionen der CDU-Landesverbände erwachsen" und dürfe nicht nur in der Berliner Zentrale geschrieben werden.
Jungkonservative um den Finanzstaatssekretär Jens Spahn und Junge-Union-Chef Paul Ziemiak hatten die Forderung nach Erneuerung über Wochen immer drängender erhoben, bis die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, die bisherige Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als neue CDU-Generalsekretärin nominierte. Nun schaut die CDU mit Spannung nicht nur auf den anstehenden Parteitag, sondern bereits auf den kommenden Sonntag, wenn Merkel bekanntgeben will, wer die CDU-Ministerposten besetzen soll, falls die große Koalition zustande kommt.
Distanz bei Klöckner
Die als Agrarministerin gehandelte rheinland-pfälzische CDU-Landeschefin Julia Klöckner äußerte sich distanziert über die Verjüngungsrufe. "Erneuerungen zu fordern oder dass es kein 'Weiter so' geben dürfe, klingt gut, ist aber erst einmal nur Überschrift, noch kein Inhalt", sagte sie der "Rhein-Neckar-Zeitung".
Das ist das neue Kabinett Merkel
Wer sitzt mit Angela Merkel am Kabinettstisch, wenn die GroKo startet? Auch die SPD hat entschieden, wer auf welchen Stuhl rückt - mit einigen Überraschungen. CDU und CSU hatten ihre Ressorts bereits vergeben.
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Bald viel im Flieger: Heiko Maas
Das ist ein Aufstieg: Heiko Maas (51, SPD) wechselt vom Justiz- ins Außenministerium. Als Justizminister löste Maas mit einem Gesetz gegen Hass im Netz Debatten aus, stieß auf viel Widerspruch. Im Außenamt könnte er an Popularität gewinnen - vielleicht soll der Saarländer ja als nächster Kanzlerkandidat der SPD aufgebaut werden?
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Der Neue mit dem Auftrag schwarze Null
Olaf Scholz (59, SPD) ließ sich als Kandidat für das Finanzministerium nicht lange bitten, sich zum Credo seines Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) zu bekennen. Auch der bisherige Erste Bürgermeister Hamburgs will die schwarze Null sichern und keine neuen Schulden machen. Das steht im Koalitionsvertrag, gefällt aber nicht allen in der SPD. Scholz wird auch Vizekanzler.
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Arbeit für Hubertus Heil
Der frühere SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, 45, wird neuer Minister für Arbeit und Soziales. Der Niedersachse bekommt damit ein Riesenministerium. Das BMAS, so die offizielle Abkürzung, hat ein Haushaltsvolumen von deutlich über hundert Milliarden Euro und ist damit mit Abstand das Bundesministerium mit den höchsten Ausgaben.
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Jung und aus dem Osten
Auch ohne Seilschaften in der Bundestagsfraktion kann man sich also hocharbeiten: Franziska Giffey (39, SPD), bislang Bürgermeisterin im Berliner Bezirk Neukölln, wird Familienministerin. Giffey gilt als Verfechterin von Recht und Ordnung. Damit hat sie sich im als "Problembezirk" bezeichneten Neukölln einen Namen gemacht. Sie gilt als konservativ.
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Frau Schulze von der SPD
Ministererfahrung hat sie bereits, allerdings auf Landesebene. In Nordrhein-Westfalen (NRW) führte Svenja Schulze (49, SPD) bis 2017 das Forschungsministerium. Seit dem Ausscheiden ihrer Partei aus der Landesregierung ist sie Generalsekretärin in NRW. Sie folgt nun der scheidenden Umweltministerin Barbara Hendricks nach.
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"Universalwaffe" der SPD ins Justizressort
Katarina Barley (49, SPD), ist amtierende Familienministerin und soll in Zukunft für Justiz verantwortlich sein. Sie übernimmt das Ressort von ihrem Parteifreund Heiko Maas, der Außenminister werden soll. Zuletzt hatte sich Barley vor allem für eine Stärkung von Frauenrechten eingesetzt. Sie fordert: "Wir brauchen den Gender-Blick in allen Ministerien."
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Merkels Mann für alle Fälle
Auf Peter Altmaier (59, CDU) als Kanzeramtsminister konnte und hat sich seine Chefin stets verlassen, auch in der umstrittenen Flüchtlingspolitik. Jetzt soll er das Ministerium für Wirtschaft und Energie übernehmen. Nach dem Verlust des Finanzministeriums an die SPD gilt es als besonders wichtiges Ressort für den starken Wirtschaftsflügel in der CDU.
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Ganz nah bei der Kanzlerin
Auch Helge Braun (45, CDU) ist ein Mann, dem Angela Merkel vertraut, heißt es in Berlin. Bisher war er Staatsminister bei der Bundeskanzlerin. Jetzt soll er Peter Altmaier als Kanzleramtschef folgen. Der gelernte Notfallmediziner soll dafür sorgen, dass der Betrieb rund um Merkel reibungslos läuft.
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Bundeswehr weiter die Richtung weisen
Ursula von der Leyen (59, CDU) stand zuletzt bei der Frage der Ausrüstung und Einsatzbereitschaft der Truppe gehörig unter Druck. Von der Leyen, die bereits als Familienministerin mit Merkel regierte, wird auch als nächste NATO-Generalsekretärin gehandelt. Doch in Brüssel steht der Amtswechsel erst in zwei Jahren an. Mindestens bis dahin soll sie Verteidigungsministerin bleiben.
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Senkt den Altersschnitt, kennt ihr Ressort
Julia Klöckner (45, CDU) kommt aus Rheinland-Pfalz im deutschen Südwesten, einem Bundesland mit viel Landwirtschaft und Weinbau. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende ist schon lange in Berlin präsent und mit der Kanzlerin vertraut. In der nächsten Regierung soll sie das Landwirtschaftsministerium leiten, hier war sie schon einmal zwei Jahre lang als parlamentarische Staatssekretärin tätig.
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Jung, kritisch, ehrgeizig
Jens Spahn (37, CDU) soll nun Gesundheitsminister werden. Er kommt aus dem starken Landesverband Nordrhein-Westfalen und gilt als Merkel-Kritiker, der in ausländischen Medien schon als ihr möglicher Nachfolger gehandelt wurde.
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Das Kaninchen aus dem Zylinder
Mit Anja Karliczek (46, CDU) hat Merkel eine Chefin für das Bildungsministerium benannt, die wohl die wenigsten auf dem Schirm hatten. Die Diplom-Kauffrau hat im September zum zweiten Mal in Folge das Direktmandat im Wahlkreis Steinfurt III (NRW) geholt und ist seit Januar 2017 Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Bild: imago/M. Popow
Die Frau für Kultur und Medien
Um Kultur kümmert sich in der deutschen Regierung traditionell kein eigenes Ministerium, sondern eine Kulturstaatsministerin im Kanzleramt. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien ist Monika Grütters (56, CDU) und sie soll es auch bleiben. Union und SPD wollen Kultur in ganz Deutschland fördern. Grütters sieht Kultur als "Brückenbauerin in einer vielfältigen Gesellschaft".
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka
Neue Heimat für den CSU-Chef
Horst Seehofer (68, CSU), seit 2008 bayerischer Ministerpräsident, soll neuer Innenminister werden. Der hartnäckigste Verfechter der Obergrenze in der Flüchtlingsdebatte soll mehr Verantwortung bekommen als sein Vorgänger Thomas de Maizière: Seehofer hat sich für sein Ministerium auch die Themen Heimat und Bau gesichert.
Bild: picture alliance/dpa/M. Balk
Rückkehr ins Verkehrsministerium
Andreas Scheuer (43, CSU) war als Generalsekretär ganz seiner Partei verpflichtet. Doch er hat auch schon Erfahrungen in der Bundespolitik aufzuweisen. Bis 2013 war er parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Jetzt soll er selbst das Verkehrsministerium übernehmen, zu dem auch das Ressort Digitales gehört.
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Gerd Müller bleibt
Kein Minister außer dem Außenminister ist wohl weltweit so sehr auf Achse wie der Entwicklungsminister. Gerd Müller (62, CSU), der bisherige Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wie es offiziell heißt, soll auch weiter die verschiedenen Kultur- und Klimazonen der Erde bereisen. Fluchtursachen durch Entwicklung bekämpfen, das bleibt eine seiner großen Aufgaben.
Bild: picture alliance/dpa/H. Hans
Soll dirigieren: Merkel IV
Mehr als fünf Monate musste Angela Merkel (63, CDU) warten - jetzt ist so gut wie sicher, dass sie zum vierten Mal Chefin eines Bundeskabinetts wird. Läuft alles nach Plan, dann dürfte sie am 14. März zum vierten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt werden.