"Unklar, ob Iran die Bombe hat"
9. November 2011DW-WORLD.DE: Herr Hibbs, wird durch den IAEA-Bericht aus dem Verdacht, der Iran baue an der Atombombe, eine Gewissheit?
Mark Hibbs: Der Bericht wird den Verdacht des Westens sicherlich deutlich verstärken. Ich würde aber zögern, das Wort Gewissheit zu verwenden. Das Besondere an dem Bericht ist, dass er zum ersten Mal ein Spektrum von verdächtigen Aktivitäten dokumentiert, das sich über 20 Jahre erstreckt. Zwar können einzelne Forschungsvorhaben auch zivilen Zielen gedient haben. Insgesamt zeigt sich aber ein Bild, das doch sehr deutlich Staaten ähnelt, die an Atomwaffenprogrammen arbeiten. Der Bericht weist aber niemandem die politische Verantwortung für diese Forschung zu. Nichts in dem Bericht deutet auf einen Strippenzieher, der all diese Aktivitäten angeordnet hat.
Russland und China haben schon im Vorfeld versucht, die Wortwahl der Internationalen Atomenergiebehörde zu beeinflussen. Wäre der Bericht ohne diese Einwände eventuell noch kritischer ausgefallen?
Es gab Druck von beiden Seiten: von westlichen Regierungen, vor allem von den USA, aber auch von der chinesischen und der russischen Regierung. Druck, bestimmte Informationen zu erwähnen oder wegzulassen. Die westlichen Staaten sind der Meinung, dass die Informationen der IAEA sehr deutlich zeigen, dass der Iran gegen den Atomwaffensperrvertrag verstößt. Dagegen haben China und Russland schon im Vorfeld signalisiert, dass sie gegen eine Verurteilung Irans wegen Verletzung des Atomwaffensperrvertrags sind. Die beiden Staaten befürchten offenbar, dass durch den Bericht der diplomatische Prozess in Gefahr gerät.
Wie erfolgreich waren denn eigentlich die iranischen Forschungsvorhaben?
Der Bericht beschreibt zwar sehr detailliert die iranischen Aktivitäten seit den späten 1980er Jahren, sagt aber nichts über deren Erfolg. In der Frage, wie nah die Iraner an der Atombombe sind, bringt uns auch der IAEA-Bericht nicht weiter.
Mark Hibbs ist Nuklear-Experte des Carnegie Endowment for International Peace, einem privaten Forschungsinstitut mit Niederlassungen unter anderem in den USA, Europa, Asien und dem Nahen Osten.
Interview: Kerry Skyring / Nils Naumann
Redaktion: Anne Allmelling