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Unklare Vergangenheit: Streit um das geplante Bossard-Museum

Torsten Landsberg
29. April 2020

In der Lüneburger Heide gibt es Zoff um ein geplantes Museum: Soll es dem Antisemiten und Hitler-Verehrer Johann Bossard gewidmet werden oder Kunst aus der Region zeigen? Ein Lokalpolitiker fühlt sich getäuscht.

Kunststätte Bossard
Bild: picture-alliance/Dumont Bildarchiv

Immerhin eines ist unstrittig: Das geplante Museum soll auf dem Gelände der Kunststätte Bossard entstehen. Der aus der Schweiz stammende Bildhauer und Maler Johann Bossard hatte seit 1911 über viele Jahre hinweg ein Atelier, sein Wohnhaus und ein Kunsttempel errichtet. Das Ensemble bildet heute die Kunststätte Bossard.

Wie die Deutsche Welle berichtete, hatte Bossards Vergangenheit eine Debatte über den Neubau vorgesehen: Der Künstler war Antisemit und glühender Anhänger Adolf Hitlers. Mit der Machtergreifung der Nazis verband Bossard als Gegner der Weimarer Republik die Hoffnung auf eine Gegenkultur, deren kulturelle Keimzelle er in seinem zum Gesamtkunstwerk aufgebauten Anwesen sah. Anwohner fürchten, dass durch den Neubau eine Pilgerstätte für Rechtsradikale entstehen könnte.

Denn unterschiedliche Auffassungen gibt es darüber, was das neue Museum zeigen wird: Wird es ein Bossard-Museum oder eines, das Kunst aus der Region ausstellt? Letzteres hatte die Leiterin der Kunststätte, Gudula Mayr, der DW gesagt.

Ein Relief an der Außenfassade des Kunsttempels in der Kunststätte Bossard in Jesteburg. Das Anwesen beherbergt fast 6000 Kunstwerke verschiedenster Stile und Techniken.Bild: picture-alliance/dpa/P. Körner

Kreistagsabgeordneter: "Nachträgliche Ausrede"

Der CDU-Kreistagsabgeordnete Jörn Lütjohann sagt nun, die Abgeordneten des zuständigen Landkreises Harburg seien getäuscht worden: "Vielen Mitgliedern war Johann Bossards NS-Bezug unbekannt." Er selbst sei kurz zuvor auf Bossards Ansichten aufmerksam geworden. Vor der Sitzung sei er aus seiner Fraktion und vom Landrat Rainer Rempe "dringend" aufgefordert worden, sich nicht über das Thema zu äußern. Er habe dann dennoch zwanzig Minuten über die Problematik gesprochen, sagt Lütjohann. Trotzdem beschloss der Kreistag in geheimer Abstimmung Kofinanzierungsmittel in Höhe von zwei Millionen Euro.

Die Kunststätte-Leiterin, Gudula Mayr, hatte der DW gesagt, der Neubau solle nicht Bossards Kunst, sondern unter anderem die Kunst- und Kulturgeschichte der Region ab 1830 abbilden. Lütjohann bezeichnet diese Darstellung als "nachträgliche Ausrede". Von dieser Planung habe er erst durch den DW-Bericht erfahren, zuvor sei diese Ausrichtung nie besprochen worden.

Für Heimatkunde gebe es zudem im Landkreis bereits das Freilichtmuseum am Kiekeberg, nur 25 Kilometer entfernt. Der geplante Neubau an der Kunststätte "ist uns zu einhundert Prozent als Bossard-Museum dargestellt worden, mit Bezügen zum Kaiserreich und zur Landwirtschaft", sagt Lütjohann.

Im Garten der Kunststätte stehen Skulpturen, die Johann und Jutta Bossard zwischen 1930 und 1932 erschaffen haben.Bild: picture-alliance/dpa/P. Körner

"Wäre doch ein Jude dazwischen"

Er arbeitete sich weiter in das Thema ein und schickte dem Landrat Rainer Rempe Anfang Februar einen fünf Seiten langen Brief samt Fragenkatalog. Er kritisierte darin, dass Rempe das Vorwort in dem 2018 erschienenen Ausstellungskatalog "Über dem Abgrund des Nichts - Die Bossards in der Zeit des Nationalsozialismus" verfasst hatte. Der Katalog ist Ergebnis eines Forschungsprojekts über Johann Bossard und seine Ehefrau Jutta in der NS-Zeit innerhalb der Stiftung der Kunststätte. Lütjohann fragt, warum im Katalog Zitate Bossards unterschlagen worden seien, die auf seine Gesinnung hindeuteten – darunter jenes, mit dem er beklagte, bei einem Wettbewerb für ein NS-Denkmal übergangen worden zu sein: "Wäre doch ein Jude dazwischen, damit ich ihm die Schuld geben könnte."

Landrat Rainer Rempe, der auch Vorsitzender des Stiftungsrates der Kunststätte Bossard ist, kann Lütjohanns Kritik nicht nachvollziehen. "Sein Timing vor der wegweisenden Sitzung war sehr bedenklich. Es hätte vorab viele Gelegenheiten gegeben, das Thema zu diskutieren." Alle politischen Fraktionen seien frühzeitig über Planungen und Zwischenstände informiert worden. Rempe betont: "Die Konzeption sieht eine Kunsthalle der Lüneburger Heide vor, die eigenständig für sich steht."

Die Sorgen von Anwohnern, die sich zur "Allianz  gegen den Bossard-Kunst-Bunker" zusammengeschlossen haben, weil sie eine rechte Pilgerstätte fürchten, seien unbegründet. "Wenn wir etwas nicht wollen, ist es ein Anlaufpunkt, um nationalsozialistischem Gedankengut zu frönen. Wir nehmen die Bezüge zur NS-Zeit ernst und die Planungen sehen vor, das auch im Museum abzubilden."

Bossard-Museum oder nicht? Kritiker fürchten nun einen Wallfahrtsort für Rechtsextreme.Bild: picture-alliance/dpa/M. Chmella

Bundesmittel auf dem Prüfstand

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im vergangenen November beschlossen, das 10,76 Millionen Euro teure Projekt mit 5,38 Millionen Euro zu fördern. Daher liegt bei manchen Beobachtern der Verdacht nahe, dass die Ausrichtung des Museums nun nachträglich umgedeutet wird, um den Neubau und damit die Bundesmittel nicht zu gefährden.

Otto Fricke, FDP-Bundestagsabgeordneter und Sprecher des Ausschusses, hatte der DW gesagt, die Vergabe der Mittel müsse neu geprüft werden, sofern die Figur Johann Bossard im Mittelpunkt der Erweiterung stünde. Inzwischen hat Fricke eine offizielle Anfrage an die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, verschickt: Für welche konkreten Maßnahmen sollen die Mittel eingesetzt werden und an welche Bedingungen ist die Auszahlung der bereitgestellten Mittel geknüpft?

Über die ohnehin offenen Fragen hinaus, ist mit der Corona-Pandemie ein neues Problem hinzugekommen: "Die Rahmenbedingungen haben sich durch Corona verändert", sagt Landrat Rempe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Haushalte danach neu zu bewerten seien. "Ob das einen Einfluss auf die Planungen haben wird, ist derzeit nicht absehbar."

 

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