1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Unliebsame Partnerschaft

Ranty Islam9. Januar 2008

Die EU will neue Handelsabkommen mit den Ländern Afrikas. Doch die lehnen ab, ihre Bürger demonstrieren und Konkurrenz aus Fernost investiert immer stärker in Afrika. Wie viel Zeit bleibt den Europäern?

Symbolbild: EU-Sterne auf Afrika-Karte (Quelle: DW)
EU und Afrika: Keine Einigung. Der Druck auf die Europäer wächstBild: Montage DW / AP

Die Gewerkschaften, die in Senegal in dieser Woche die Menschen auf die Straßen beordern, ziehen nur auf den ersten Blick gegen ihre Regierung zu Felde: Mit der Forderung nach niedrigeren Steuern, Lebensmittel-, Energiepreisen drohten sie einen Generalstreik an, der am Mittwoch (9.1.2008) in letzter Minute abgewendet wurde. Im Laufe des Januars soll ihr Anliegen diskutiert werden, einigten sie sich mit der Regierung. Ein glaubhafter Deal. Denn Regierungsmitglieder marschierten bereits am Montag zusammen mit den Gewerkschaften, um gegen einen gemeinsamen Gegner zu demonstrieren, der nach Ansicht von Experten die finanzielle Situation der Senegalesen noch prekärer machen könnte: Ökonomische Partnerschaftsabkommen (englisch kurz: EPA) mit der EU.

Das wird besonders Peter Mandelson Kopfschmerzen bereiten. Der Handelskommissar der Europäischen Union (EU) sieht in den EPAs offenbar die beste Möglichkeit, die Handelsbeziehungen mit dem afrikanischen Kontinent auf eine neue Basis zu stellen. Im Dezember waren die bisher geltenden Vergünstigungsregeln ausgelaufen, mit denen die EU die Staaten Afrikas, der Karibik und der Pazifikregion (AKP-Verbund) – größtenteils ehemalige Kolonien – wirtschaftlich bevorzugte. Illegal, befand die Welthandelsorganisation. Entweder müsse die EU die Präferenzen allen armen Ländern einräumen, auch wenn sie nicht zum AKP-Verbund gehören, – oder gar keinem.

EU spaltet Afrikaner

Die EU fand Gefallen an letzterem. Das Ergebnis sind die Partnerschaftsabkommen, die die EU mit den einzelnen Regionen Afrikas vereinbaren will. In diesem Rahmen sollen die EU-Importbarrieren auf afrikanische Güter wegfallen. Doch im Gegenzug sollen auch die Afrikaner ihre Märkte für die EU öffnen. Ein Freihandel also, in dem die Afrikaner ihren relativen Vorteil, den sie bislang auf europäischen Märkten noch gehabt haben mochten, verlieren würden. Dass der EU-Afrika-Gipfel zu dem Thema im Dezember scheiterte, ist daher kaum verwunderlich.

Senegals Präsident Wade gehört zu den entschiedensten Gegnern der EPAs (Archivbild)Bild: AP

Vertreter der meisten afrikanischen Staaten weigerten sich, ihre Unterschrift unter die EPA-Deals zu setzen – allen voran Senegals Präsident Abdoulaye Wade, der die EPAs kategorisch ablehnte. Die EU muss seitdem noch mehr Kritik einstecken: Weil der große Wurf nicht gelang, konzentrieren sich die Europäer jetzt auf Abkommen mit einzelnen Staaten, die bereit sind, zu unterschreiben. Dabei nutze die EU ihre stärkere Position, um die betreffenden Nationen unter Druck zu setzen, beklagt die Hilforganisation Oxfam. Schlimmer noch, die bilateralen Abkommen spielten die Staaten Afrikas gegeneinander aus: Was geschieht etwa mit der Zollunion zwischen Südafrika (EPA-Gegner) und Nachbar Botswana (das zugestimmt hat)? "Ironisch – denn die regionale Integration der afrikanischen Wirtschaften zu fördern, war ein vorgebliches Ziel der EU-Anstrengungen", sagt Oxfam-Sprecherin Amy Barry.

Afrikanische Märkte "noch nicht bereit"

Die Sorgen der Afrikaner seien berechtigt, meint auch Dirk Kohnert vom GIGA-Institut für Afrika-Studien in Hamburg. "Die EU versteckt sich hinter der Entscheidung der Welthandelsorganisation [, die die bisherigen Präferenzen im EU-Afrika-Handel illegal nennt]. Tatsächlich versuchen die Europäer eigene Partikularinteressen durchzusetzen." Europäische Unternehmen und Industrien stünden in den Startlöchern, um auf den liberalisierten afrikanischen Märkten sofort in Aktion zu treten. Genau darauf sind die meisten der Länder dort aber kaum vorbereitet. Andererseits treten afrikanische Produkte in Europa auf Hemmnisse, die in den EPAs nicht geregelt sind. "Baumwollprodukte aus Westafrika konkurrieren in der EU mit Erzeugnissen aus Südeuropa – wo die EU den Aufbau entsprechender Industrie subventioniert", erläutert Kohnert. Und afrikanische Kakaoproduzenten, die statt des Rohstoffes auch Schokolade produzieren und exportieren wollten, scheiterten an EU-Reinheitsgeboten.

Der Wegfall der so wichtigen Zolleinkünfte gefährde die Budgets afrikanischer Staaten, beschreibt Barry ein weiteres Problem der EPAs. "Außerdem sind Jobs und das Wachstum der heimischen Industrie gefährdet."

Unverbindliche Zusagen

Die Afrikanische Union will sich auf eine gemeinsame Position gegenüber der EU einigenBild: picture-alliance/ dpa

Doch die afrikanischen Nationen geben nicht klein bei. Viele Staaten haben die EPAs gar nicht erst unterschrieben. Und selbst andere, die wie Kenia und mehrere seiner ostafrikanischen Nachbarn zugestimmt haben, sind nach Ansicht von Oxfam noch keine bindende Verpflichtung eingegangen. Bislang hätten diese Staaten die Deals nur "initialisiert", das heißt durch ihre Verhandlungsführer unterzeichnen lassen – nicht jedoch durch Regierungsminister, sagt Barry. "Damit können sie jederzeit wieder aussteigen."

Peter Mandelsons direkte Gegenspielerin bei der Afrikanischen Union, Handelskommissarin Elisabeth Tankeu, hat zudem diese Woche angekündigt, dass sich die Handelsminister des gesamten Kontinents vor Ende Februar treffen und auf eine gemeinsame Position gegenüber der EU einigen wollten.

China macht Druck

Durch Übergangsregelungen hat sich für die afrikanischen Länder trotz ihres Widerstandes, auch seit dem Ende der bisher geltenden EU-Vorzugsregelungen Ende Dezember nicht viel geändert. Wie lange dieser Schwebezustand noch anhält, ist nicht absehbar. Doch die Zeit arbeitet für die Afrikaner. Auf den afrikanischen Märkten sind der EU mittlerweile weitere mächtige Gegner erwachsen: China, Indien und Brasilien. Die Schwellenländer decken sich dort mit Rohstoffen ein und investieren in die Industrie vor Ort. Auch bei der Afrika-Reise von Chinas Außenminister Yang Jiechi geht es in dieser Woche genau darum. Der Handel zwischen China und Afrika ist nach offiziellen chinesischen Angaben allein im vergangenen Jahr um über 30 Prozent auf umgerechnet rund 50 Milliarden Euro gewachsen. Die Wachstumsrate in den Jahren zuvor war ähnlich hoch.

Chinesen haben Afrika entdecktBild: AP

Dieser Druck wirkt offenbar schon, meint Kohnert. "Die EU hat sich entschieden, die Deadline für den Abschluss der EPA-Vereinbarungen mit den Afrikanern um ein Jahr zu verschieben – eine Option, die die Europäer anfangs ausdrücklich ausgeschlossen hatten." Der Druck durch die chinesische Konkurrenz in Afrika, so Kohnert, könnte die EU dazu veranlassen, mit den Partnern im Süden einen Dialog zu führen, der wirklich auf gleicher Augenhöhe stattfindet.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen