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Politik

Unmut über Altmaier

Rupert Wiederwald
8. April 2019

Fehlbesetzung, untätig, Totalausfall - immer deutlicher wird die Kritik am deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Er vernachlässige den Mittelstand und auch bei der Energiewende fehle ein schlüssiges Konzept.

Altmaier und Kretschmer besuchen Braunkohlekraftwerk Boxberg
Bild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

Als Peter Altmaier am 14. März 2018 Wirtschaftsminister wurde, holte er seine Vorgänger wieder ans Licht der Öffentlichkeit. Bis dahin hatten deren Porträts im Ministeramt eher unbeachtet in einem hinteren Korridor Staub angesetzt. Altmaier ließ die Bilder ins Foyer bringen und neu rahmen. Und über allen ragte der Ur-Ahn, der erste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, heraus: Ludwig Erhard.

Man kann sagen, Peter Altmaier hat sich damit in die Tradition des Mannes gestellt, der wie kein zweiter für den Aufschwung der (west-)deutschen Wirtschaft nach dem Krieg steht: D-Mark, Wirtschaftswunder und soziale Marktwirtschaft. Doch genau dieses Vermächtnis sei zu groß für Peter Altmaier, raunen seine Kritiker seit einigen Monaten in Berlin.

Ahnengalerie: Bundeswirtschaftsminister begutachtet die Fotos seiner Vorgänger im MinisteriumBild: BMWi/Peter-Paul Weiler

Harsche Kritik

Ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit: Peter Altmaier, der sonst immer überall ist, gehört nicht zu den Gästen der "Familienunternehmer-Tage 2019" am 9. und 10. Mai in Berlin, auf denen unter anderem der 70. Geburtstag des Verbandes der deutschen Familienunternehmen gefeiert wird. "Wir haben  diesmal andere Redner, von denen sich die Unternehmer besser vertreten fühlen", erklärt Sprecherin Birte Siedenburg.

Immerhin acht Millionen Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten in den größtenteils mittelständischen 180.000 Familienunternehmen des Verbandes, der sich gerne als "Rückgrat der Sozialen Marktwirtschaft" beschreibt. Ein deutscher Wirtschaftsminister, der sich in der Tradition von Ludwig Erhard sieht, sollte hier eigentlich gern gesehener Gast sein.

Altmaier ist das nicht. Stattdessen: harsche Kritik. In der offiziellen Ankündigung der Feier spricht der Präsident des Verbandes, Reinhold von Eben-Worlée, davon, dass Altmaier für Konzern-Subventionen, staatliche Eingriffe und europäische Monopole stehe. Er gefährde damit "wichtige Werte" der Sozialen Marktwirtschaft und die Zukunft der Familien-Unternehmen. Außerdem ließ sich von Eben-Worlée in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) damit zitieren, dass Altmaier das Wirtschaftsministerium "beschädigt" habe.

Made in Germany: Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft Bild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Umstrittene Industriestrategie 

Gründe für den Unmut gibt es einige, aber besonders erbost sind Altmaiers Kritiker über dessen "Nationale Industriestrategie 2030". Darin schreibt der Wirtschaftsminister, Deutschland und Europa müssten Antworten finden, um den Vorsprung, der US-amerikanischen und chinesischen Konkurrenz bei Künstlicher Intelligenz, Digitalisierung und Telekommunikation aufzuholen. Soweit so unstrittig.

Altmaiers Antwort allerdings kommt einer industriepolitischen Wende gleich. Er will eine aktivere Rolle des Staates, vor allem Großunternehmen müssten gestützt werden. Schon lange spricht Bundeskanzlerin Merkel davon, dass es ein "europäisches Google" brauche, um Anschluss zu gewinnen. Altmaier scheint es mit staatlicher Hilfe gründen zu wollen.

Sein Vorbild ist der europäische Luftfahrtkonzern Airbus, der mit staatlicher Unterstützung vor 50 Jahren in die Welt gebracht wurde. Im 21-seitigen Papier von Altmaiers "Nationaler Industriestrategie 2030" heißt es: "In China sind Unternehmen mit Weltgeltung entstanden, ganze Industriebereiche könnten in den nächsten Jahren zum technologischen Monopol dieser Unternehmen werden. Es gibt kein erfolgreiches Land, das ausschließlich und ausnahmslos auf die Kräfte des Marktes setzt."  

"Wir brauchen Spielregeln für globale Konzerne"

Die Industriestrategie stößt sowohl bei Altmaiers Christdemokraten als auch bei Wirtschaftsverbänden auf Unverständnis. Deutschlands Wirtschaft ist stark von mittelständischen Unternehmen geprägt, also eben nicht von Großkonzernen. Doch genau die will der Minister fördern, hat einige sogar benannt. Die kleineren und mittleren Unternehmen fühlen sich in Stich gelassen.

Auch aus der Politik kommt Kritik an Altmaier. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Carsten Linnemann, warnt davor "aus Angst vor China, unsere Prinzipien über Bord zu werfen." Und die Grüne Opposition im Bundestag erklärt: "Es ist fatal, wie falsch Altmaier mit seiner Strategie liegt." Größe alleine schaffe noch keine erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen, erklärt die Grüne Bundestagsabgeordnete Katarina Dröge gegenüber der DW. "Was wir brauchen, ist eine Bundesregierung, die sich endlich traut, effektive Spielregeln für globale Konzerne zu bestimmen. Altmaiers Vorschläge, Großkonzerne unter Artenschutz zu stellen und in Europa Monopole zu schaffen, führen zum Gegenteil.“

Und dann sind da noch die anderen Zuständigkeiten des Ministers - wie etwa die Energiewende. In seltener Einstimmigkeit kritisierten die Bundesländer Bayern und Baden Würtemberg am vergangenen Wochenende in einem offenen Brief an die Kanzlerin, dass es noch gar "kein schlüssiges Gesamtkonzept für eine sichere, umweltfreundliche und bezahlbare Stromversorgung" gebe. Gleichzeitig sind die Strompreise nach Angaben des Vergleichsportals Verivox  auf einen Höchststand gestiegen.

"In guten Händen"

Altmaier lächelt die Kritik weg. Bei der Eröffnung der Baumaschinen-Messe in München am 8. April wird er auf die massive Kritik angesprochen. "Dass Politiker hin und wieder mal kritisiert werden, ist eine ganz normale  Erscheinung", erwiderte Altmaier. Außerdem sei der Mittelstand ja Teil seiner Industriestrategie: "All diese Punkte sind bei der Bundesregierung in guten Händen."

Doch schon nach der Europa-Wahl könnte Altmaier nicht mehr Mitglied der Bundesregierung sein: je nach Ergebnis könnte ein Posten als EU-Kommissar frei werden. Und von Altmaiers Zeit als Nachfolger Ludwig Erhards bliebe dann nicht viel mehr als ein Porträt in der Ahnengalerie des Wirtschaftsministeriums.  

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