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Politik

Mit Gebet und Gewalt zum Kurswechsel

27. Juli 2017

Tausende Muslime strömten erstmals wieder zum Gebet in die Al-Aksa-Moschee. Doch dann brach wieder Gewalt aus. Für die Palästinenser wird dieser Tag in wichtiger Erinnerung bleiben. Aus Jerusalem Tania Krämer.

Israel Jerusalem Gewalt am Tempelberg
Bild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Der erste Ruf zum Gebet schallt schon über die Jerusalemer Altstadt, doch Hunderte Muslime stehen noch immer dicht gedrängt in der engen Gasse. Sie alle wollen zur Al-Aksa-Moschee, das erste Mal seit fast zwei Wochen. Der Mufti von Jerusalem, Mohammed Ahmed Hussein, hatte den Boykott am Mittag für beendet erklärt.

Zum Nachmittagsgebet am Mittwoch strömten deshalb Tausende in die Ost-Jerusalemer Altstadt. Auch Mohammed, Gebetsteppich und Handy in der Hand, will den Augenblick festhalten. "Es fühlt sich wie etwas Besonderes an, wie ein Sieg. Seit 1967, seitdem die Israelis Ost-Jerusalem besetzt haben, ist es das erste Mal, das die Jerusalemer so vereint stehen. Es ist wichtig für uns alle", sagt er.

Doch es gibt Unruhe in der Menge. Für einige Zeit bleibt unklar, ob wirklich alle Eingänge geöffnet werden. Und dann wird es plötzlich laut, Tausende klatschen und feiern - auch das Viertel Bab al Huta im muslimischen Teil der Jerusalemer Altstadt, das bis dahin von der israelischen Polizei geschlossen gehalten wurde, wird geöffnet.

Die Menge drängt weiter nach vorn. Unter ihnen ist auch Safa, die ihren vollen Namen nicht nennen will. "Ich hoffe wirklich, sie machen all die Tore auf, sonst wird das nichts", sagt die junge Frau. "Es ist so wichtig, dass wir hier heute alle zusammenstehen. Das haben wir geschafft."

Erst Hoffnung, dann Granaten

Doch es kommt auch wieder zu Unruhen: Plötzlich sind Blendgranaten zu hören. Offenbar waren israelischen Polizeikräfte mit Palästinensern aneinandergeraten - auch wegen der verschlossenen Tore. Die Polizei habe auf Steinewerfer geantwortet, sagt Sprecherin Luba Samri, und man habe versucht, die Menge zu zerstreuen.

Wieder kommt es auf dem Tempelberg zu Unruhen.Bild: Reuters/M. Awad

Mehrere Menschen werden verletzt. Wieder gibt es Bilder der Gewalt an dem heiligen Ort, dort, wo gerade noch Feierstimmung herrschte. "Wir wollen einfach nur ungestört beten", sagt ein Palästinenser hinterher entnervt. Doch letztlich zählt für die meisten hier nur eines: Sie haben durch ihren Protest die israelische Regierung dazu gezwungen, ihren Kurs zu ändern.

Letzte Metallgitter abgeräumt

Am frühen Donnerstagmorgen räumen israelische Sicherheitsbeamte auch Metallgeländer und neu installiertes Metallgerüst für Kameras. Die Sicherheitsmaßnahmen seien auf den Stand vor dem Anschlag zurückgebracht worden, hieß es von der israelischen Polizei. Am Dienstag bereits waren die umstrittenen Metalldetektoren weggeräumt worden.

Doch die betenden Muslime lehnten es weiterhin ab, auf das Areal der Al-Aqsa-Moschee zu gehen. Fast zwei Wochen lang hatten sich Palästinenser aus allen Schichten jeden Tag vor den Eingängen zum Haram Al Sharif/Tempelberg versammelt.

Der Ort, auf dem die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom stehen, ist für Muslime und Juden gleichermaßen heilig. Jeden Tag strömten hunderte Palästinenser, den Gebetsteppich in der Hand, zur Ost-Jerusalemer Altstadt, um auf dem Steinpflaster zu beten, und fast täglich wurden es mehr. Manche blieben vom Mittagsgebet bis in die Abendstunden. Essen wurde gespendet und von Freiwilligen gebracht, junge Teenager spritzten Wasser auf die Betenden in der Mittagshitze. "Es ist einfach wichtig, hier zu sein, sie können doch nicht immer mit uns machen, was sie wollen", sagte ein junger Mann beim Mittagsgebet am Mittwoch.

Beten und protestieren

Begonnen hatten die Krise vor zwei Wochen. Am 14. Juli hatten drei Angreifer, arabische Israelis aus der Stadt Umm al Fahm, zwei israelische Polizisten nahe der heiligen Stätten erschossen. Zwei Tage danach beschloss die israelische Regierung die neuen Sicherheitsmaßnahmen und stellte Metalldetektoren vor die Eingänge - trotz Warnungen des Inlandsgeheimdienst Shin Bet, dass dies möglicherweise zu einer Eskalation führen könnte.

Die Entscheidung, die Metalldetektoren aufzustellen, war offenbar ohne Konsultation mit den muslimischen Waqf-Verwaltern passiert. Diese spielten denn auch eine tragende Rolle bei den Protesten und riefen die Betenden dazu auf, vor den Eingängen zu beten.

Die Metalldetektoren vor den Eingängen spielten eine tragende Rolle bei den Protesten.Bild: picture-alliance/newscom/D. Hill

Die neuen israelischen Sicherheitsmaßnahmen deuteten Palästinenser als einen Versuch Israels, den Zugang zu dem heiligen Ort weiter einzuschränken und die Kontrolle auszuweiten. Israel hat das arabische Ost-Jerusalem 1967 besetzt und später annektiert. Ein Status Quo regelt die Kontrolle über die heiligen Stätten.

Ost-Jerusalemer hielten den Protest direkt am heiligen Ort aufrecht. Vor allem abends, nach dem späteren Abendgebet war es dabei auch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern gekommen.

Kehrtwende der israelischen Regierung

Auch im besetzten Westjordanland und im Gazastreifen wurde protestiert. Für die meisten Palästinenser im besetzten Westjordanland und im Gazastreifen ist das Beten in der Al-Aksa-Moschee allerdings nur ein ferner Traum, weil sie eine israelische Genehmigung benötigen, um nach Jerusalem zu reisen.

Nach dem Freitagsgebet letzte Woche eskalierte die Gewalt: Fünf junge Palästinenser starben bei den Protesten, Hunderte wurden verletzt. Freitagnacht erstach ein junger Palästinenser drei Israelis in einer jüdischen Siedlung im besetzten Westjordanland. Der Attentäter hatte zuvor auf Facebook die Krise um die Al-Aksa-Moschee als Auslöser für seine Tat genannt.

 Für den israelischen Premierminister Netanjahu dürfte dieser Tag noch lange nachwirken. Er muss nun Kritik aushalten, dass er kapituliert habe. Andere werfen ihm vor, an einem der heikelsten heiligen Orte vorschnelle Entscheidungen getroffen zu haben. Für viele Ost-Jerusalemer und Palästinenser jedenfalls wird der Tag in Erinnerung bleiben - die israelische Kehrtwende, sagen viele hier, haben sie immerhin alleine errungen.

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