1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteIsrael

UNRWA: Israel soll seine Vorwürfe in Sachen Hamas belegen

13. Februar 2024

Der Chef des Palästinenserhilfswerkes für Flüchtlinge verlangt von Israel Beweise für die angebliche Verbindung von UNRWA-Mitarbeitern zur Hamas. Einen Rücktritt lehnt Philippe Lazzarini ab. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Gazastreifen | Israelische Soldaten vor UNRWA-Hauptquartier in Gaza-Stadt (08.02.2024)
Israelische Soldaten vor UNRWA-Hauptquartier in Gaza-Stadt (am Donnerstag)Bild: JACK GUEZ/AFP/Getty Images

"Wir können etwas leisten. Solange das der Fall ist, mache ich weiter", erwiderte Philippe Lazzarini auf eine DW-Frage nach einem möglichen Rücktritt. Er glaube daran, seine Organisation weiterhin sinnvoll führen zu können, sagte der Generalsekretär des UN-Hilfswerkes für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) nach einer Sitzung mit Entwicklungshilfeministern der Europäischen Union in Brüssel.

Israels Außenminister Israel Katz hatte Lazzarini am Wochenende zum Rücktritt aufgefordert. Die Armee seines Landes hatte angegeben, einen Tunnel der radikalislamistischen Hamas unter dem UNRWA-Hauptquartier im Gazastreifen gefunden zu haben. Der UNRWA-Chef sagt, von diesen Tunneln habe er keine Kenntnis.

Allerdings seien seit Beginn der israelischen Militäroperationen in dem am Mittelmeer gelegenen Palästinensergebiet fast 200 Gebäude und Einrichtungen der UN-Organisation sowohl von der Hamas als auch von der israelischen Armee für militärische Zwecke genutzt worden, merkte Lazzarini in Brüssel an. Bei möglicherweise unbeabsichtigtem Beschuss von UNRWA-Einrichtungen seien Tausende gestorben. Nach dem Ende des Krieges gegen die Hamas müsse dies unbedingt untersucht werden.

Philippe Lazzarini in Brüssel auf dem Weg zur EU-Ministertagung: "Ich mache weiter"Bild: Johanna Geron/REUTERS

Palästinensische Terroristen - unter anderem von der Hamas - hatten am 7. Oktober Zivilisten in Israel überfallen, rund 1160 Menschen ermordet und etwa 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Seitdem wehrt sich Israel mit einer breit angelegten Militäroperation gegen die in Gaza herrschende Hamas, die von der EU, den USA und anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird.

Lazzarini forderte Israel auf, der internen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen Beweise dafür vorzulegen, dass zwölf Mitarbeiter der UNRWA für die Hamas-Terroristen gearbeitet hätten oder gar an den Terrorangriffen auf Israel beteiligt gewesen seien. "Bisher gibt es keine Beweise." Die zwölf Mitarbeiter seien wegen der Schwere der Verdächtigungen entlassen worden, nicht auf der Grundlage von Beweisen.

Israel sieht UNRWA von Hamas unterwandert

Ein israelischer Diplomat sagte der DW in Brüssel, die Verwicklung von UNRWA-Mitarbeitern in die Machenschaften der Hamas deute darauf hin, dass die UN-Agentur von Hamas-Anhängern massiv unterwandert sei. Es müsse untersucht werden, inwieweit die Infrastruktur der UNRWA im Gaza-Streifen von Terroristen missbraucht worden sei. Das schließe Schulgebäude mit ein. Die israelische Regierung begrüße deshalb, dass viele Staaten sich entschlossen hätten, ihre Zahlungen an die UNRWA auszusetzen. 

Neues Geld für die UNRWA ?

Neben anderen haben die USA, Deutschland und die EU-Kommission, die drei größten Geber für die UNRWA, ihre Zahlungen im jährlichen Wert von zusammen 600 Millionen US-Dollar eingefroren. Ende des Monats stehen neue Zahlungen an.

UNRWA-Essenausgabe in Rafah (im Januar): Zahlungen ausgesetztBild: Abed Rahim Khatib/Anadolu/picture alliance

Wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erkennen ließ, soll das Geld dann wieder fließen. Die Bedingung dafür sei die Einleitung einer Untersuchung, nicht aber deren Abschluss gewesen. "Uns allen ist klar, dass man so eine Untersuchung nicht in 20 Tagen abschließen kann", sagte Borrell in Brüssel. "Die Untersuchung läuft so lange es sein muss, aber in der Zwischenzeit müssen die Menschen essen. Sie müssen zum Arzt gehen können." Es gebe "jeden Tag 30.000 Patientenkontakte".

Auch der Staatssekretär im deutschen Entwicklungshilfeministerium, Jochen Flasbarth, hatte in Brüssel an der Sitzung mit dem UNRWA-Chef teilgenommen. Er ließ durchblicken, dass Deutschland die UN-Agentur weiter finanzieren werde. "Es ist völlig unbestreitbar, dass Deutschland uneingeschränkt an der Seite Israels steht. Wir müssen aber auch sehen, dass unschuldige Menschen, Palästinenser, die mit der Hamas nichts zu tun haben, im Augenblick in enormer Not sind."

Staatssekretär Flasbarth: "UNRWA ist nicht zu ersetzen"Bild: DW

Diese Not könne nur mit Hilfe der seit 75 Jahren tätigen UNRWA gelindert werden, so Jochen Flasbarth. "Ich sage aber auch, die Arbeit von UNRWA ist im Moment im Gazastreifen nicht ersetzbar. Menschen sterben in großer Zahl. Hilfe, menschliche Hilfe, ist unabdingbar."

UN-Kommission prüft das Palästinenser-Hilfswerk

Eine unabhängige Kommission unter Führung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna prüft im Auftrag der Vereinten Nationen zurzeit die Arbeitsweise der UNRWA. Ihre Empfehlungen sollen bis Mitte April vorliegen. Er werde diese Empfehlungen zum Risikomanagement, zur Mitarbeiterüberprüfung und zum Umgang mit schweren Vorwürfen unverzüglich umsetzen, kündigte UNRWA-Chef Lazzarini an.

EU-Außenbeauftragter Borrell (Mitte): "Die Menschen müssen essen"Bild: Johanna Geron/REUTERS

Das reicht Israels Regierung allerdings nicht, wie ein Diplomat in Brüssel auf DW-Nachfrage klarstellt. Die israelische Regierung schlage vor, die humanitäre Hilfe für die Palästinenser über "alternative Wege" zu leisten. Etwa über das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen oder das Internationale Rote Kreuz.

Borrell legt Ende der Waffenlieferungen an Israel nahe

Die israelische Regierung dränge schon seit Längerem auf eine Auflösung der UNRWA, meint der EU-Chefdiplomat Borrell. Er fordert stattdessen eine weitere Unterstützung des Hilfswerks. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage sei es einfach nicht zu ersetzen. Trotz Meinungsverschiedenheiten unter den EU-Mitgliedsstaaten sei der Eindruck der Mehrheit, dass es "keine Alternative zu dem gibt, was wir an Palästinenserhilfe derzeit haben".

Die vielen Toten durch die israelische Militäroperation seien unerträglich und das Vorgehen der israelischen Armee sei inzwischen disproportional, stellt Borrell fest. Das sähen auch die USA so. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu höre niemandem zu. Er spreche von Evakuierung der Palästinenser aus Rafah. "Evakuierung? Wohin denn? Auf den Mond?", zürnte der Außenbeauftragte. Die 1,4 Millionen Menschen im Süden des Gazastreifens stünden in einer Sackgasse mit dem Rücken zur Wand.

Der US-Regierungen und den EU-Regierungen, die jetzt beklagten, die Zahl der toten Zivilsten im Gaza-Streifen sei unerträglich, legte Borrell nahe, Waffenexporte an Israel einzustellen. "Wir müssen mehr tun, als nur unsere Sorge auszudrücken." Eine Aufforderung an die Hamas-Terrororganisation, ihren Widerstand und ihre Kampfhandlungen einzustellen und so das Sterben zu beenden, war vom EU-Außenbeauftragten nicht zu hören.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen