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Gesellschaft

"Homosexuell und glücklich"

Victor Weitz mo
29. Juni 2017

Die Eheleute Haselmann aus Köln haben eine Tochter und einen Sohn. Dass beide homosexuell sind, erfuhren sie vor 20 Jahren. Wie fühlten sie sich damals und wie sieht ihr Leben heute aus? Victor Weitz hat sie besucht.

Internationaler Tag gegen Homophobie - Familie Hasselmann
Bild: DW/V. Weitz

Als die beiden Teenager waren, verheimlichte Silke Haselmann ihrem Bruder Holger, dass ihr Mädchen gefallen, und Holger verheimlichte ihr, dass er sich in einen Klassenkameraden verliebt hatte. Die Eltern Brigitte und Bernd Haselmann ahnten zwar, dass ihr Sohn homosexuelle Neigungen hat, doch sie fragten ihn nicht aus. Aber das Coming-out ihrer Tochter traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Gemeinsam sitzt Familie Haselmann an einem Tisch, in Silkes gemütlicher Wohnung in Köln: Silke und ihre Frau Yvonne mit deren 14-jähriger Tochter Leah, Silkes Bruder Holger mit den Eltern Bernd und Brigitte. Sie erzählen gerne über ihre ungewöhnliche Familie.

Erinnerungen an Holgers Coming-out

Holger sagt, er habe sich entschieden, über seine Homosexualität offen zu sprechen, noch bevor er volljährig wird. Dass seine Offenheit zu keinem Streit in seiner Familie geführt hat, überraschte ihn. "Meine Mutter brach in Tränen aus, aber sie sagte, sie habe es geahnt und nahm mich fest in ihre Arme. Mein Vater war zurückhaltender, er musste erst alles verdauen und begreifen", erinnert er sich.

"Ich war mental nicht darauf vorbereitet, obwohl ich wusste, dass Holger als kleines Kind mit Mädchen befreundet war und gerne mit Puppen spielte. Als Vater, der sportbegeistert ist, wollte ich, dass mein Sohn Fußball oder Tennis spielt", sagt Holgers Vater Bernd. Seine Tochter Silke hingegen war von Fußball fasziniert. Sie ging mit ihrem Vater zu Fußballspielen, zum Training und wollte an der Sporthochschule studieren.

Heute reden Holger und Silke offen über ihre JugendBild: DW/V. Weitz

Bernd erinnert sich, zuerst habe er gedacht, die Homosexualität seines Sohnes sei eine "Laune der Jugend", die vorübergehen werde. Doch dann habe er gesehen, wie sein Sohn unter der unerwiderten Liebe eines Mitschülers leidet: "Dann wurde mir klar, dass mein Sohn es viel schwerer hat, als ich dachte." 

Kurz nach dem Coming-out ihres Sohnes suchten die Eltern Rat bei Experten einer Kölner LGBT-Organisation. Ein Professor aus Bonn, dessen drei Kinder homosexuell sind, veranstaltete speziell für Eltern homosexueller Kinder Seminare. "Ohne seine vertraulichen Gespräche und Ratschläge hätten wir weiter in dem Irrtum gelebt, dass das so etwas wie eine Krankheit ist und dass unser Sohn davon geheilt werden kann", sagt Brigitte. Holger ist jetzt 40 Jahre alt. Er hatte schon mehrere Partner. Mit dem letzten lebte er acht Jahre lang zusammen.

Silke bringt die zweite Tochter zur Welt

Ein Jahr nach dem Coming-out ihres Bruders stellte Silke ihren Eltern ihre Freundin vor. Für die Eltern war das ein Schock. Heute haben sie zwei Enkelinnen: Lea ist 14 und Julia ist im Mai dieses Jahres zur Welt gekommen. Gezeugt wurden beide Töchter durch künstliche Befruchtung. 

Leas Mitschüler und Freunde wissen, dass sie zwei Mütter hat. Sie gehen völlig normal damit um. "Doch als ich das erste Mal einer Freundin sagte, dass ich zwei Mütter habe, war sie entsetzt und sagte: Wenn du Probleme hast, kannst du mich immer um Hilfe bitten. Ich war überrascht. Ich brauche keine Hilfe, ich bin völlig glücklich", sagt Lea. Nun freut sie sich sehr über ihre kleine Schwester.

Silke, ihre Frau Yvonne und Tochter Lea freuen sich über die kleine JuliaBild: privat

"Viele Menschen haben noch Vorurteile"

Silkes und Holgers Mutter ist überzeugt, dass Eltern sehr früh bemerken, dass ihre Kinder anders sind. Doch nicht alle würden auf die Homosexualität ihrer Kinder angemessen reagieren. "Auch wir haben zunächst versucht, Holger vom Spielen mit Puppen abzulenken. Aber er interessierte sich nicht für Autos und Flugzeuge. Dass das Interesse unserer Tochter an Sport und Fußball etwas mit lesbischen Neigungen zu haben könnte, haben wir nicht gedacht", erzählt Brigitte.

Die Eheleute Haselmann lieben ihre Kinder nicht weniger, als wenn sie heterosexuell wären. "Allerdings würde ich ihnen ein leichteres Schicksal wünschen, denn trotz der Tatsache, dass Staat und Gesellschaft homosexuellen Menschen gegenüber tolerant sind, haben doch viele Menschen noch Vorurteile gegen sie", sagt Bernd. "Hier bei uns in Köln finden großartige Paraden und Feste Homosexueller statt, aber auf dem Land haben manche Menschen immer noch Angst, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen."

Seine Frau Brigitte findet, dass in vielerlei Hinsicht gerade dank der Homosexualität ihrer Kinder die Familie enger zusammenhält: "Wir haben sehr aufmerksame und aufrichtige Kinder. Wir verstecken vor niemandem, dass unser Sohn schwul und unsere Tochter lesbisch ist. In Köln kann man damit heute niemanden mehr verwundern. Ich denke, unsere Kinder geben uns viel Liebe zurück, dafür, dass wir sie so nehmen, wie sie sind. Anders kann es auch nicht sein, sie sind doch unsere Kinder!"

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