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Unsichere Wirtschaftsaussichten für 2023

Mischa Ehrhardt
28. Dezember 2022

Wirtschaftsforscher und Ökonominnen sehen einigen Gegenwind für die Konjunktur im kommenden Jahr. Dabei gehen die Prognosen auf Grund der Unsicherheit auseinander.

Deutschland Deutsche jährliche Inflationsrate bei 10 % im September
Bild: Ying Tang/NurPhoto/picture alliance

Der wirtschaftliche Ausblick für 2023 ist allenfalls durchwachsen. Zwar gehen die meisten Wirtschaftsforscher nicht mehr davon aus, dass es zu einer scharfen Rezession kommt. Der Gegenwind allerdings dürfte zumindest in den kommenden Monaten anhalten - und damit auch den Jahresbeginn 2023 prägen.

"Mit Blick auf die Konjunktur wird das nächste Jahr schwierig", sagt die Chefökonomin der staatlichen KfW-Bankengruppe, Fritzi Köhler-Geib gegenüber der DW. Die KfW hat ihre Prognose heruntergesetzt. Sie geht nun von einem Rückgang der Wirtschaftsaktivität von einem Prozent im kommenden Jahr aus - nach einem Wachstum von 1,7 Prozent in 2022. Angesichts der multiplen Krisenlage allerdings seien die Auf- und Abwärtsrisiken der Prognose deutlich größer als üblich.

"Deutschland in der Rezession" lautet auch die Überschrift der aktuellen Konjunkturprognose aus dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft. Die hohen Preise, eine drohende Gasmangellage und die Folgen des Ukraine-Krieges lasteten auf Unternehmen wie Verbrauchern. Wie schwer die Krise noch ausfallen wird, hänge vor allem von der weiteren Entwicklung der Energiekrise ab. Über allem schwebten zudem geopolitische Gefahren durch den Krieg Russlands in der Ukraine.

Schon jetzt sei klar, dass die hiesige Volkswirtschaft mit gewaltigen Wohlstandsverlusten konfrontiert sei. "Im kommenden Jahr wird es leider kaum besser. Wir werden uns wohl oder übel an horrende Energiepreise gewöhnen müssen", so IW-Chef Michael Hüther. Hüther und seine Kollegen und Kolleginnen gehen von einer Inflationsrate von sieben Prozent in 2023 aus.

Die Inflation lag im Dezember mit zehn Prozent - abgesehen vomOktober mit 10,4 Prozent - so hoch wie seit 1951 nicht mehrBild: Carsten Milbret/imageBROKER/IMAGO

Inflation wird wohl noch bleiben

Die Energiepreise sind der Haupttreiber der aktuell grassierenden Inflation. Mittlerweile sind es aber nicht nur die Energiepreise; auch Nahrungsmittel und andere Konsumwaren verteuern sich spürbar. Das lässt sich ablesen an der so genannten Kerninflation, bei der die oft schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet sind.

So sehen etwa die Volkswirte der Deutschen Bank in ihrem Ausblick die Inflation als "gekommen, um zu bleiben". "Die Inflation dürfte aufgrund nachlassender Globalisierungsgewinne, demografischer Belastungen und einer strukturell expansiveren Fiskalpolitik nicht auf ihr Vorkrisenniveau sinken", so Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank Research.

Dilemma der Politik: gleichzeitig Gas- und Bremspedal drücken

Das Ifo-Institut sieht hier ein Dilemma zwischen der staatlichen Fiskalpolitik auf der einen und der Geldpolitik der Zentralbanken auf der anderen Seite. "Eigentlich brauchen wir bei hoher Inflation eher eine restriktivere Fiskalpolitik", sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest. Gemeint ist also das Einschränken von Hilfen des Staates wie etwa die Gas- und Strompreisbremse. Denn die finanzielle Entlastung trägt zu mehr Geld in den Haushalten bei und erhöht damit inflationäre Tendenzen. Doch seien diese Hilfen auch nach Ansicht Fuests geboten, weil es in der Bevölkerung vulnerable Gruppen gebe und auch mittelständische Firmen Hilfen benötigten.

"Auf der anderen Seite ist die Geldpolitik kontraktiv". Damit ist der Kurs der Europäischen Zentralbank umschrieben, die seit Ende Juli in vier großen Schritten die Leitzinsen des Euroraumes auf nun 2,5 Prozent hochgeschraubt hat. "Das ist so, als würde man im Auto gleichzeitig auf das Gaspedal und die Bremse drücken: Dann fängt das Auto an zu schlingern. In dieser Situation sind wir im Moment".

Mit der Gaspreisbremse will die Regierung Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten. Nur für einen Teil ihres Gasverbrauchs müssen sie hohe Marktpreise zahlen.Bild: Davide Bonaldo/Zuma/picture alliance

Milde Rezession - weniger Inflation

Dennoch erwarten die Forscher in München eine eher mildere Rezession als bislang angenommen. Das Institut sagt für das kommende Jahr unter dem Strich nur noch einen konjunkturellen Mini-Rückgang von 0,1 Prozent voraus. "In den beiden Quartalen des Winterhalbjahres 2022/23 schrumpft das Bruttoinlandsprodukt zwar, aber danach geht es wieder aufwärts", erklärt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser das konjunkturelle Tal und den prognostizierten Aufstieg in den kommenden Monaten.

Etwas mehr Entspannung als andere sehen die Münchener Wirtschaftsforscher auch bei der Inflation kommen. 2023 dürften die Verbraucherpreise demnach noch um 6,4 Prozent zulegen - ebenfalls weniger, als man vorher befürchtet hatte. Die Deutsche Bank geht von 7,5 Prozent im kommenden Jahr aus. Zum Rückgang bei trägt die besagte Gas- und Strompreisbremse, die Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten wird.

Konjunkturstützen brechen weg

Allerdings sind die Belastungen durch die Inflation auch mit den Hilfen noch spürbar. Das bremst die Konsumbereitschaft der Haushalte. Noch in der ersten Jahreshälfte 2022 wirkte der Konsum konjunkturstützend. Mit hohen Energiepreisen und Inflation sind einkommensschwache Haushalte an ihre Grenzen gelangt. Also müssen sie auf Konsum verzichten, was die Wirtschaft bremst. Das IW geht von einem Rückgang des Konsums um eineinhalb Prozent im kommenden Jahr aus.

Der Gegenwind kommt auch aus anderen Bereichen, die bislang konjunkturstützend gewirkt hatten. So brechen etwa im Bausektor Aufträge weg, geplante Projekte werden storniert. Laut Umfragen des Ifo-Institutes sind die Geschäftserwartungen der Unternehmen in der Branche auf den tiefsten Stand seit Beginn der Befragungen vor über drei Jahrzehnten gefallen.

Eiszeit auf deutschen Baustellen: Viele Auftraggeber ziehen sich wegen der stark gestiegenen Kosten zurück.Bild: Christoph Schmidt/dpa/picture alliance

Es wird wohl mehr Insolvenzen geben

In dieses Bild fügt sich die Analyse von Creditreform, die zum ersten Mal seit dem Jahr 2009 einen Anstieg von Insolvenzen feststellt. "Die anhaltende Inflation, die steigenden Zinsen und Energiekosten sowie eine zunehmend verschärfte Wettbewerbssituation gehen vielen Unternehmen an die Substanz", sagt Patrik Ludwig Hantzsch, Leiter des Bereichs Wirtschaftsforschung der Auskunftei.

Die gute Nachricht dabei: Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Insolvenzen auf einem historischen Tief. Der Anstieg ist aus dieser Sicht also noch moderat. Auch hier lassen die staatlichen Hilfsprogramme grüßen. Auch das zeitweise Aussetzen der Insolvenzmeldepflicht zum Abfedern der wirtschaftlichen Corona-Folgen hat zum niedrigen Stand der Insolvenzen beigetragen.

In den nächsten Monaten und im kommenden Jahr dürfte die Zahl von Firmenpleiten und Insolvenzen steigen, wenn auch immer noch von einem niedrigen Stand aus. Doch wie stark, hängt vom wirtschaftlichen Verlauf ab. Unsicherheiten prägen den Jahreswechsel in diesem Winter. Das spiegelt sich auch wieder in den unterschiedlichen Wirtschafts- und Konjunkturprognosen für das neue Jahr 2023.

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