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Kunst

Nazi-Devotionalien unter dem Hammer

Kate Brady | Verena Greb
20. November 2019

Ein von Adolf Hitler genutzter Zylinder, ein Kleid seiner Gefährtin Eva Braun und eine Sonderausgabe seiner Schrift "Mein Kampf": Objekte wie diese erzielen teils hohe Summen bei einer - moralisch bedenklichen - Auktion.

Deutschland - Versteigerung von Nazi-Devotionalien in München
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Geht man über einen der berühmten Berliner Flohmärkte, ist es mehr als wahrscheinlich, dass man auf ein Objekt aus der NS-Zeit stößt. Vielleicht ist es eine Postkarte oder eine Teetasse - kleine Gegenstände aus Deutschlands dunkelsten Tagen sind alles, nur hierzulande nicht versteckt. Was aber passiert, wenn Gegenstände, die Nazi-Funktionären gehörten, in Deutschland versteigert werden? Führt das zur Verbreitung rechter Propaganda oder birgt es einen historischen Mehrwert?

Mit dieser schon seit längerem geführten Debatte sah sich Deutschland am 20. November 2019 wieder konfrontiert. In einer Auktion von Hermann Historica in Grasbrunn nahe München kamen über 840 Gegenstände unter den Hammer, die ehemals Nationalsozialisten - auch aus der Führungsriege - gehörten: Adolf Hitlers Faltzylinder, eine silber eingefasste Luxusausgabe seiner Schrift "Mein Kampf", Eva Brauns Cocktailkleid und ein Damast-Löwenkopfsäbel des Waffen-SS-Offiziers Fritz Klingenberg sind dabei.

Die Luxusausgabe von Hitlers "Mein Kampf" erzielte 2.200 Euro bei der VersteigerungBild: picture-alliance/dpa/Hermann Historica

Kritik an der Nazi-Auktion kommt von vielen Seiten

Die Versteigerung wurde von scharfer Kritik begleitet, unter anderem kam sie von der European Jewish Association (EJA). Sie sprach sich dafür aus, die Auktion nicht stattfinden zu lassen. In Zeiten, in denen rechte Gewalt und antisemitische Äußerungen gehäuft vorkommen, hält der Vorsitzende der EJA, Rabbi Menachem Margolin, die Auktion für eine Gelegenheit für manche, "die Nazis zu glorifizieren."

"Es ist falsch, diese blutbefleckten Gegenstände zu Geld zu machen, ganz besonders in Deutschland", sagte er. "Ich verstehe, dass es nicht illegal ist, Nazi-Andenken zu kaufen und zu verkaufen. Es ist keine Frage der Legalität, es ist eine moralische. Es ist falsch", betonte Rabbi Margolin.

Der Direktor des Auktionshauses Hermann Historica, Bernhard Pacher, war bemüht, die Kritik zu relativieren. Die größte Käufergruppe seien "Museen, staatliche Sammlungen und private Sammler, die sehr sorgfältig mit den Objekten umgehen". Auch werde versucht, zu verhindern, dass die falschen Personen die Auktionsgegenstände ersteigerten, sagte Pacher der Nachrichtenagentur DPA.

Wer kauft Nazi-Devotionalien?

In Teilen widerspricht Stephan Klingen vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München dieser Aussage. Im Gespräch mit der DW sagte er, dass er nicht davon ausgehe, "dass Museen heute in der Lage sind, diese Preise, die da aufgerufen werden, speziell für diese Art von Objekten auf den Tisch zu legen". Er vermutet, dass "Skalpjäger und Aficionados (Liebhaber, Fans; Anm. d. Red.)" Nazi-Objekte kauften: "Das ist unsere Erfahrung mit diesen Ankäufen. Es ist halt so, dass es ein großes Interesse fast weltweit gibt - in Amerika, in England, in Russland - für solche Objekte."

"AH" - diese Initialien zeigt der Faltzylinder, der für 50.000 Euro versteigert wurdeBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Ein Faible für Gegenstände, wie sie in der Auktion "Orden und Militaria ab 1919" angeboten würden, sei jedoch nicht immer mit der NS-Ideologie verbunden. Vielen Interessenten käme es ggf. auf den Besitz einer Trophäe an - diese sei nichtsdestotrotz zugleich "der Inbegriff des Bösen", so Klingen.

Dass die angebotenen Devotionalien nur in seltenen Fällen für Archive oder die Forschung von Interesse seien, darin sind sich Klingen und Philipp Lenhard einig. Als Mitarbeiter am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität München schätzt Lenhard das Angebot wie folgt ein: "Es handelt sich, soweit ich es überblicke, um historisch vollkommen irrelevante Sachquellen. Dass jemand überhaupt Geld für Hitlers Klappzylinder ausgibt, lässt sich nur so erklären, dass den Käufer die sachvermittelte Nähe zu einem der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte reizt." Wie Klingen glaubt auch er, dass man dies zwar "einen 'Nazi-Kult' nennen" könne, der Käufer aber nicht zwingend "automatisch selbst nationalsozialistische Anschauungen teilen" müsse.

Versteigerte Objekte von historischem Wert?

Hitler gerahmt in Silber - ein Geschenk für SS-Brigadeführer Ulrich Graf zum 60. GeburtstagBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Um eine Einschätzung, ob die angebotenen Gegenstände von historischer Bedeutung sind, hat die DW auch den Historiker Arnd Bauerkämper von der Freien Universität Berlin gebeten. Seiner Ansicht nach hängt das zu einem gewissen Maß davon ab, ob die Objekte mit Nazi-Symbolen versehen sind oder nicht. "Möglicherweise werfen sie Licht auf die Geschichte des Nationalsozialismus, aber sie müssen in den richtigen Kontext gestellt werden."

In Deutschland ist es legal, Objekte aus der Nazi-Zeit zu besitzen und zu verkaufen – solange alle eindeutigen Nazi-Symbole entfernt oder verhüllt sind. Denn verboten ist die öffentliche Zurschaustellung dieser Symbole. Bauerkämper führt aus, dass für die Einordnung der Objekte und die Bereitstellung von Hintergrundinformationen Experten zuständig sind, wie es sie in Museen gibt. Finde keine Einordnung statt, wären die Objekte nicht zu deuten und dienten nur voyeuristischen Zwecken.

Noch stärker formuliert es der Historiker und Politikwissenschaftler Matthias Küntzel im Gespräch mit der DW. Gegenstände wie die vom Auktionshaus angebotenen Kleidungsstücke sollten seiner Ansicht nach vernichtet werden. Die in der Auktionsmasse enthaltenen Bücher hingegen gehörten in eine Fachbibliothek.

Hier hält Hitler vermeintlich den Zylinder in der Hand, der jetzt Auktionsgegenstand warBild: Imago-Images/Mary Evans

Die Echtheit der angebotenen Ware

Wie viele Märkte, kennt auch der Handel mit Stücken aus der NS-Zeit die Fälschungsproblematik. Wissenschaftler Klingen meint, dass die entsprechende Fälscherszene "gut organisiert sei" und "mindestens wahrscheinlich so groß ist wie die Szene, die mit seriösen Objekten handelt". Anlass böten vor allem Börsen im Ausland, auf denen Nazi-Devotionalien gehandelt würden. Auktionshäuser prüfen ihre Versteigerungsobjekte deshalb - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - im Vorfeld.

Wie die Auktion bei München zeigt, geben Menschen mitunter viel Geld für die Ersteigerung ihres Wunschobjektes aus. Der Käufer des Faltzylinders von Hitler bekam für 50.000 Euro den Zuschlag, die erwähnte Ausgabe von "Mein Kampf" wechselte für 130.000 Euro den Besitzer oder die Besitzerin. Philipp Lenhard ist angesichts der Höhe so mancher Preise dafür, "den Erlös einem gemeinnützigen Zweck zuzuführen, etwa der Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland".

Hitlers Haus in Österreich

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