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"Unter der Führung von Ministerpräsident Racan ist Kroatien ein Hort der Stabilität in dieser Region"

31. Oktober 2003

Gerhard Schröder besucht als erster Bundeskanzler Zagreb

Bonn, 30.10.2003, DW-radio/Kroatisch, Gordana Simonovic, Tatjana Mautner

Im Mittelpunkt des ersten offiziellen Kroatien-Besuchs eines deutschen Kanzlers stand die Eröffnung der Deutsch-Kroatischen Industrie und Handelskammer. Gleichzeitig hatte der Auftritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder nach seinem Treffen mit Kroatiens Premier Ivica Racan vorwiegend politisches Gewicht – besonders wegen der positiven Worte, die der Kanzler über die Regierung seines, wie er es sagte, guten Freundes Racan äußerte.

Der Beginn der Verhandlungen mit der EU und die Auslieferung von [dem flüchtigen Angeklagten des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien, ICTY] General [Ante] Gotovina dürfe nicht von einander abhängig gemacht werden, sagte der deutsche Kanzler auf die Frage der Journalisten. Diese eindeutige Unterstützung Kroatiens auf seinem Weg in die europäische Integration verstärkte Schröder noch durch seine Erklärung, dass Kroatien zweifelsfrei mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeite. Es sei indes unmöglich, jemanden an Den Haag auszuliefern, der sich nicht in Kroatien befinde. Der deutsche Bundeskanzler lobte ferner die demokratische Entwicklung in Kroatien: "Unter der Führung von Ministerpräsident Racan ist Kroatien ein Hort der Stabilität in dieser Region. Und das ist nicht nur für dieses Land wichtig, nicht nur für die Region wichtig - nein, das ist wichtig für ganz Europa". (...)

Kroatiens Premier fügte dem noch hinzu, dass Kroatien wisse, welche Aufgaben es zu erfüllen habe. Es arbeite daran und glaube, dass dies seine Freunde zu erkennen wissen. "In dieser Hinsicht ist der Standpunkt und die Unterstützung unserer Freunde in Deutschland ausgesprochen wichtig für das kroatische Volk und die Republik Kroatien," betonte Racan. (...)

"Die politischen Beziehungen zwischen uns, die persönlichen sind frei von jeglichen Problemen. Die ökonomischen Beziehungen können noch besser gestaltet werden, als das in der Vergangenheit der Fall war und können noch dichter werden und damit auch noch mehr Erfolg, auch wirtschaftlichen Erfolg und Wohlergehen für die Menschen in beiden Ländern bringen", so Schröder. Ferner sei eine Stabilisierung des Demokratisierungsprozesses und der begonnen Wirtschaftsreformen (...) in erster Linie wichtig für das Wohl des Landes und seiner Bürger. Sie seien aber auch die Voraussetzung dafür, dass die Zusammenarbeit beispielsweise zwischen Deutschland und Kroatien im wirtschaftlichen Bereich immer enger, stärker und erfolgreicher wird. Einen Beitrag, um dieses Ziel zu erreichen, werde sicherlich auch die heute eröffnete Deutsch-Kroatische Industrie- und Handelskammer leisten.

Es sind genau vier Jahre vergangen, seit das bilaterale Abkommen zwischen Zagreb und Berlin unterzeichnet wurde. Darin wird bereits die Absicht erklärt, eine solche Institution zu gründen. Anfang 2000 nahm in Zagreb die Vertretung der deutschen Wirtschaft ihre Tätigkeit auf. Und diese ist heute zu einer ausländischen Industrie- und Handelskammer umgewandelt worden – die erste, die Deutschland in einem der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien eröffnet, was die dynamische Entwicklung der deutsch-kroatischen Wirtschaftsbeziehungen in diesem Zeitraum verdeutlicht. Deutschland ist für Kroatien der zweitwichtigste Handelspartner und der zweitgrößte ausländische Investor. Denn die Investitionen deutscher Unternehmen in Kroatien belaufen sich auf 1,7 Milliarden Dollar, was 24 Prozent der ausländischen Investitionen insgesamt ausmacht. (...)

In Wirtschaftskreisen wird der Besuch von Kanzler Schröder als Bemühen Deutschlands gewertet, größeren ökonomischen Einfluss in Südosteuropa zu erhalten. Die deutsche Wirtschaft ist in der kroatischen bereits tief verwurzelt. Und eine Erweiterung auf die übrigen südosteuropäischen Staaten und die dortigen Märkte, wo 20 Millionen Menschen leben, ist durchaus für deutsche Investoren attraktiv – insbesondere für das Bankwesen, Telekommunikation, Medien, Touristik-Unternehmen und für Handelsketten. (...)

Um ausländisches Kapital anzuziehen, müssten in Kroatien vor allem die Gerichte und die Verwaltung besser arbeiten – deutsche Unternehmen möchten nicht jahrelang darauf warten, bis ein mit Verfahren überschütteter Richter die Eigentumsrechte für ein Grundstück klärt, was es zu kaufen gedenkt. Nichts desto trotz gehört Deutschland bereits zu den wichtigsten Partnern für Kroatien, so Thomas Gindele, Direktor der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer. "Der mit Abstand größte deutsche Investor ist die Telekom, die 51 Prozent der Aktien des früheren staatlichen Unternehmens "Kroatische Telekommunikation", HT, hält, gefolgt von diversen kleineren und mittleren Investitionen. Zum Bespiel hat im ehemaligen Kriegsgebiet, in Glina, Hipp, ein Hersteller von Kindernahrung, eine Fabrik eröffnet. In Osijek hat die Firma Meggle in ein Milchverarbeitungswerk investiert. Und in Pula hat die Firma Schott ein Glaswerk.

Gindele zufolge sollten mittelständische Unternehmen – insbesondere Banken – mehr Engagement zeigen: "Wir haben zwei Banken aus Deutschland, die hier investieren und auch Filialen eröffnet haben. Den übrigen Markt dominieren österreichische und italienische Banken, sie haben eine Wachstumsrate und Renditen, die kaum noch in Mittel- und Westeuropa erzielt werden können". (md)