Unter Syriens Minderheiten wächst die Angst vor Gewalt
4. Mai 2025
Seit das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad unter dem Ansturm einer von der Rebellenmiliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) angeführten Offensive zusammenbrach, müssen die religiösen und ethnischen Minderheiten wieder sektiererische Gewalt fürchten.
Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppierungen erschweren die Bemühungen der Übergangsregierung unter Führung des ehemaligen HTS-Befehlshabers Ahmed al-Scharaa, das Land nach dem Sturz Assads wiederaufzubauen. Bei der Machtübernahme im Dezember hatte Al-Scharaa den Schutz von Minderheiten zugesichert.
Syrien ist ein Vielvölkerstaat, der laut Zahlen des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen und der US-Regierung im Jahr 2024 etwa 24,3 Millionen Einwohner zählte. Rund 70 Prozent der Syrer sind sunnitische Muslime und gehören damit der vorherrschenden Glaubensrichtung des Islam an. Etwa drei Prozent sind schiitische Muslime.
Im Land leben jedoch noch viele weitere Glaubensgemeinschaften und Volksgruppen, von denen einige nach mehr als 54 Jahren Diktatur um ihre Sicherheit fürchten.
Alawiten
Schätzungen zufolge machen die Alawiten, eine esoterisch geprägte islamische Sekte, etwa zehn Prozent der Bevölkerung Syriens aus. Sie gelten als die größte Minderheit in Syrien. Ein Großteil der Alawiten lebt an der syrischen Mittelmeerküste, unter anderem in den Provinzen Latakia und Tartus.
Die Familie Assad gehörte der Gemeinschaft der Alawiten an und ihre Mitglieder sind nun besorgt, dass diese Verbindung sie nach dem Sturz von Baschar al-Assad zur Zielscheibe machen könnte.
Im März führte ein Angriff von Assad loyal ergebenen Kräften auf die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung zu tödlichen Vergeltungsschlägen, die sich auf die Küstenregionen konzentrierten und im schlimmsten Blutvergießen seit Dezember 2024 mündeten.
Unabhängigen Beobachtungsstellen zufolge war die Mehrzahl der 1700 getöteten Zivilisten Alawiten.
Drusen
Etwa drei Prozent der syrischen Bevölkerung sind Drusen. Sie leben überwiegend im Süden des Landes, im Gebiet Dschabal ad-Duruz nahe der jordanischen Grenze. Die Mehrzahl der Drusen lebt in Syrien, aber auch im benachbarten Libanon und in Israel gibt es Gemeinden. Die Drusen sind Araber und sprechen arabisch, sind jedoch weder Muslime, noch Christen, noch Juden, sondern gehören der drusischen Glaubensgemeinschaft an.
Führende Persönlichkeiten der Drusen in Syrien haben wiederholt ihre Unterstützung für ein geeintes Syrien betont. Grund zur Sorge gaben in jüngster Vergangenheit Zusammenstöße zwischen der drusischen Gemeinschaft und bewaffneten Gruppierungen, von denen einige möglicherweise mit der Übergangsregierung in Verbindung stehen.
Medienberichten zufolge wurden während des mehrere Tage währenden bewaffneten Konflikts etwa 100 Personen getötet, darunter sowohl Zivilisten als auch bewaffnete Milizionäre. Ausgelöst worden war der Konflikt durch eine Tonaufnahme, in der ein Mitglied der drusischen Gemeinschaft angeblich den Propheten Mohammed beleidigte. Laut der deutschen Nachrichtenagentur dpa konnte das syrische Innenministerium jedoch keine Belege für derartige Beleidigungen finden.
Christen
Neuesten Zahlen der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) zufolge bezeichnen sich etwa zehn Prozent der Syrer als Christen. Zu den christlichen Glaubensgemeinschaften zählen die Griechisch-orthodoxe Kirche, die Syrisch-orthodoxe Kirche, die Maroniten, die Syrisch-katholische Kirche, die Römisch-katholische Kirche und die Griechisch-katholische Kirche. Die Mehrzahl der Christen lebt rund um die syrische Hauptstadt Damaskus, in den Städten Aleppo, Homs und Hama sowie in den Provinzen Latakia und Hasaka.
Seit 2011, dem Beginn Bürgerkrieges, kam es laut Daten der EUAA aus dem Jahre 2024 zu mehr als 100 Angriffen auf christliche Gemeinden und Gläubige durch Regierungstruppen sowie durch den Islamischen Staat (IS) und mit ihm affiliierte Gruppierungen.
Angaben der EUAA zufolge wird davon ausgegangen, dass sich weniger als ein Viertel der Christen, die vor Beginn des Bürgerkriegs in Syrien lebten, noch im Land befindet. Viele von ihnen haben in Europa und den USA Flüchtlingsstatus beantragt.
Kurden
Die Kurden stellen mit rund 2,5 Millionen Menschen die größte ethnische Minderheit Syriens. Sie leben größtenteils in einem Gebiet, das häufig als Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien bezeichnet wird. Das Gebiet wird von syrischen Kurden kontrolliert, die im März einem Waffenstillstandsabkommen mit der syrischen Übergangsregierung zustimmten.
Kürzlich forderten die Kurden, dass Syrien künftig dezentral regiert werden solle, die Übergangsregierung wies diese Forderung jedoch zurück.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.