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Firmen in der Pflicht

Ulrike Mast-Kirschning2. Januar 2013

Globales Wirtschaften geht oftmals mit Menschenrechtsverletzungen einher. Jetzt sollen Unternehmen mehr soziale Verantwortung übernehmen. Bislang war das vor allem eine freiwillige Selbstverpflichtung.

Ein Mann im Jackett trägt eine Weltkugel (Foto: Joachim Wendler)
Bild: Fotolia/Joachim Wendler

In der globalisierten Wirtschaft zählt meist nur der Preis. Der Wettlauf um das billigste Produkt entscheidet über Marktvorteile und Rendite von Unternehmen. "Dieser Wettbewerb hat aber für andere oftmals einen hohen Preis", sagt Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung in Berlin. Denn billig sei das Produkt in vielen Fällen nur, "weil man Menschen ausbeutet, die Umwelt ausbeutet, den übrigbleibenden Dreck und Schrott irgendwo billig abladen kann". Das geschehe dann oft in Ländern außerhalb Europas: dort, wo die Regierungen Dinge zulassen, die in Europa in der Regel so nicht akzeptiert werden.

Dabei gibt es längst Ansätze, um die Situation zu verbessern: Die Richtlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Unternehmen, nationale Strategien, wie das Corporate Social Responsibility-Konzept (CSR) in Deutschland, und der neue Vorstoß der EU zur "Sozialen Verantwortung von Unternehmen", vor allem aber die UN-Richtlinien für Menschenrechte und Unternehmen. Solange dabei aber das Prinzip der Freiwilligkeit vorherrsche, gebe es keine Veränderung, meint Maier. Damit rechnet er nur, "wenn die Einhaltung dieser Regeln auch unabhängig überprüft und bei Verstößen auch sanktioniert wird." Anlass für mehr Verbindlichkeit sieht seit den UN-Richtlinien offenbar auch die EU-Kommission: Sie regte für die Mitgliedsstaaten die Überarbeitung nationaler Corporate Social Responsibility-Konzepte an.

Moderne Arbeitsbedingungen für unfaire Löhne - Arbeiter füllen Zemetsäcke in ChinaBild: AP
Jürgen Maier, Geschäftsführer des "Forums Umwelt und Entwicklung"Bild: Forum Umwelt und Emtwicklung

Ohne Überprüfung

Bislang hätten allerdings vor allem Nichtregierungsorganisationen und Journalisten Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards angeprangert, erklärt Maier. "Und wenn das für das Image von Unternehmen problematisch wird, dann handeln die auch", konstatiert er. Aber diese Kontrollfunktion sei de facto die Aufgabe von NGOs - sie werde bislang "nicht etwa von der UN, der Bundesregierung oder der EU-Kommission wahrgenommen."

Das müsse sich ändern, fordert auch Cornelia Heydenreich von German Watch in Berlin und meint damit verbindlichere Regelungen, die Unternehmen auch in die Pflicht nehmen würden: Zum Beispiel müssten diese sorgfältig abschätzen, welche menschenrechtlichen Risiken bei unternehmerischen Entscheidungen entstehen können. Zu Menschenrechtsverletzungen könnte es unter anderem bei Investitionen in der Agrarwirtschaft kommen, wenn die bislang im betreffenden Gebiet ansässige Bevölkerung vertrieben werde.

Aber auch andere Fälle sind denkbar: "Wenn ein Touristikunternehmen ein neues Hotel bauen lässt, muss es eben nicht nur die Arbeitsbedingungen der Hotelangestellten im Blick haben", erläutert Michael Windfuhr, Experte beim Deutschen Institut für Menschenrechte. Er müsse auch die Auswirkungen auf die Fischer im jeweiligen Ort bedenken, denen durch eine neue Hotelanlage unter Umständen der Zugang zum Strand versperrt werde. Eine weitere Frage der Menschenrechte sei, ob die Freizeitanlage vielleicht zu viel Wasser verbraucht, das den umliegenden Gemeinden fehlt.

Menschenrechte sind nicht optional

Mit dem bisherigen Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) in Deutschland seien solche Probleme nicht zu lösen, betont der Menschenrechtsexperte. CSR sei zwar interessant, weil es sich mit Aktivitäten von Unternehmen im Bereich Umweltschutz und kulturelles Engagement beschäftigt und damit einen zusätzlichen Aspekt gesellschaftlicher Leistung oder Verantwortlichkeit von Unternehmen abdecke neben den UN-Leitprinzipien für Menschenrechte in der Wirtschaft. John Ruggie, der das Konzept über Jahre entwickelt hatte, "zielt dagegen mit seinen Menschenrechtsprinzipien auf das Unmittelbare ab, auf das, was eine Firma auf keinen Fall verletzen darf", erklärt Windfuhr.

Ausbeutung für einen Hungerlohn - Tagelöhner in IndienBild: picture-alliance/dpa

Unterstützt wird das von der UN beschlossene Ruggie-Konzept auch durch die Industrieländer. Sie hatten angesichts der Globalisierung die Verantwortung der Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte in der gesamten Produktions- und Lieferkette ebenfalls in ihre Richtlinien aufgenommen. Allerdings mangelt es auch hier an einer wirksamen Umsetzung – so die Kritik der Nichtregierungsorganisationen. Das Profit-Interesse sei meist doch größer als das Interesse an den Menschenrechten.

Sammelunterkunft für nepalesische Arbeiter in KatarBild: Sam Tarling

Verfahren zur Umsetzung gesucht

Wenn jetzt im Zuge der von der EU angeregten Debatte über eine nationale Umsetzung dieser UN-Leitprinzipien und damit zugleich über eine höhere Verbindlichkeit der CSR-Konzepte nachgedacht werde, komme es auf den intelligenten Mix an, fordert Cornelia Heydenreich von German Watch. Den sieht Michael Windfuhr vom DIMR vor allem in der Klärung von praktischen Verfahrensfragen. Bei der Überprüfung der Produktions- und Lieferketten durch die Unternehmen stelle sich zum Beispiel die Frage: "Kann man das dem Unternehmen ganz allein überlassen oder ist es nicht auch wichtig, dass es gewisse Mindeststandards gibt? Wie sollen solche Prüfverfahren für eine größtmögliche Sorgfaltspflicht aussehen?"

Die Bundesregierung müsse sehr interessiert sein an der Klärung solcher Fragen, sagt Windfuhr. Denn: "Der Staat muss abschätzen, welche Auswirkungen seine Handlungen auf die Menschenrechte haben, wenn er deutsche Unternehmen, die im Ausland tätig sind, mit Exportkrediten oder Investitionsgarantien fördert."

Viel Diskussionsstoff für Bundesregierung, Unternehmen und Zivilgesellschaft in den kommenden Monaten. Die EU-Kommission hat die Mitgliedsstaaten aufgefordert, bis spätestens 2013 überarbeitete CSR-Konzepte vorzulegen. Inwieweit dabei aus eher ethisch ausgerichteten Selbstverpflichtungen jetzt menschenrechtliche Mindeststandards werden, bleibt abzuwarten.