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Unternehmer rechnen mit der Türkei

Henrik Böhme6. Oktober 2004

Für die Wirtschaftsvertreter in Deutschland wie in der Türkei gibt es eigentlich keinen Zweifel: Von einem EU-Beitritt des Landes am Bosporus würden beide Seiten profitieren.

Gut für die Wirtschaft: eine EU mit der Türkei

Auch, wenn die Türkei auf manchen Gebieten noch Nachholbedarf hat - eines steht fest: Die Marktwirtschaft hat längst Fuß gefasst zwischen Istanbul und Diayrbakir. Die wirtschaftlichen Folgen eines möglichen türkischen EU-Beitritts sind auf jeden Fall verkraftbar - was schon daran liegt, dass die Wirtschaftsleistung des Landes momentan gerade zwei Prozent der Europäischen Union ausmacht.

Vorteile für beide

Türken wie Deutsche versprechen sich rosige wirtschaftliche Aussichten: einen gegenseitigen gigantischen Absatzmarkt und riesige Investitionsmöglichkeiten. Kemal Sahin, Präsident der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, ist optimistisch. "Wir erwarten, dass die türkische Wirtschaft schnell wächst. Dadurch werden auch Handelsbeziehungen beschleunigt." Die Handelsbeziehungen können sich schon jetzt sehen lassen: Allein im ersten Halbjahr haben die deutschen Exporte in die Türkei um satte 50 Prozent zugelegt. Umgekehrt fanden mehr türkische Produkte den Weg nach Deutschland - auch wenn hier nur ein kleineres Plus von fünf Prozent zu Buche steht.

Kein Wunder, dass der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Groß- und Außenhandel, Anton Börner, einem türkischen EU-Beitritt hauptsächlich Vorteile abgewinnen kann. "Hierdurch werden erhebliche Investitionen bei der Infrastruktur ausgelöst, von denen deutsche Firmen überproportional profitieren werden. Die zu erwartenden Mehrkosten für Deutschland in Höhe von geschätzten zwei Milliarden Euro werden hierdurch bei weitem überkompensiert", erklärt Börner.

Es gibt einiges zu tun

Der Investitionsbedarf ist groß: Geschätzte 10.000 Autobahn-Kilometer fehlen ebenso wie 30.000 Kilometer Schienennetz und vernünftige Häfen. Millionen Wohnungen sind dringend sanierungsbedürftig. Fraglich ist allerdings, ob angesichts der hohen Staatsquote das private Kapital wirklich so reichlich fließen wird.

Sahin bleibt gelassen und verweist auf eine Studie der niederländischen ABN-Amro-Bank. Die sagt der Türkei allein für die Phase der Beitrittsverhandlungen fünf bis sechs Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen voraus. Dennoch gebe es noch einiges zu tun, betont Außenhandels-Präsident Anton Börner . Ein Problem sei der starke türkische Agrarsektor mit immerhin 14 Prozent der Wirtschaftsleistung und sogar 45 Prozent der Erwerbstätigen. "Eine 1:1-Übertragung der heutigen Agrarpolitik der EU ist daher zum Ende des Beitrittsprozesses nicht denkbar."

Migrationsfrage

Offen und mit vielen Ängsten behaftet ist auch die Frage, wie viele türkische Arbeitskräfte nach einem EU-Beitritt des Landes auswandern werden. Schätzungen nennen Zahlen zwischen einer halben und vier Millionen Menschen. Aber auch hier versucht Kemal Sahin, selbst türkischer Unternehmer in Deutschland, die Bedenken zu zerstreuen: "Mit der EU-Perspektive wird die Türkei ein Riesenwachstum haben in den nächsten zehn Jahren. Und in dieser Phase mit diesem hohen Wachstum werden in der Türkei viele, viele Arbeitsplätze entstehen." Sahin rechnet sogar damit, dass viele seiner Landsleute, die heute in Deutschland eine Arbeit haben, angesichts solch guter Perspektiven den Weg zurück in ihre Heimat finden werden.

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