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Angeklagter hatte "positives Gefühl" für NSU

Martin Lejeune4. Juni 2013

Die lang erwartete Aussage eines Angeklagten, der dem Nationalsozialistischen Untergrund die Tatwaffe besorgt haben will: Sie ist der Höhepunkt des fünften Prozesstages gegen mutmaßliche NSU-Mitglieder und Unterstützer.

Angeklagter Carsten S. am 14. Mai 2013 beim Eintreffen im Gericht in München (Foto: Reuters)
NSU-Prozess zweiter Auftakt: Carsten S.Bild: REUTERS/Kai Pfaffenbach

"Wohlleben fragte mich, ob ich den drei Untergetauchten helfen könne", beginnt Carsten S. seine Aussage vor dem Oberlandesgericht in München am Dienstagabend (04.06.2013). Ralf Wohlleben war ein führender Funktionär der rechtsextremen Partei NPD; jetzt sitzt er direkt neben S. auf der Anklagebank in München. Der 33-jährige Carsten S. ist aus der Neonazi-Szene ausgestiegen und derzeit im Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamts (BKA). Mit "den Dreien" sind die mutmaßlichen Mitglieder der Terrorgruppe NSU gemeint, die neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin mit einer Pistole vom Typ "Ceska" erschossen haben sollen: die beiden verstorbenen Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sowie die ebenfalls in München Angeklagte Beate Zschäpe.

Carsten S. hält den Kopf nach vorn gesenkt, während er die Nachfrage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl beantwortet: Er habe die drei unterstützt, obwohl er bereits aus der Presse erfahren habe, dass sie untergetaucht seien.

Die zwei Uwes baten ihn, so S. weiter, dem Trio ein Telefon zur Verfügung zu stellen, damit sie Wohlleben über Termine und Gesprächsinhalte informieren konnten. Er habe auch Geldüberweisungen getätigt. "Ich habe nichts selbst entschieden, sondern alles mit Wohlleben besprochen", bekennt der Angeklagte. Die Mailbox des Anschlusses hörte er dann alle zwei Wochen für Wohlleben ab, um so zwischen den Untergetauchten und ihren Helfern Nachrichten zu vermitteln. Wohlleben, im eleganten schwarzen Hemd und bordeauxroten Pullover, spitzt die Lippen, presst seine beiden Hände zu einer Faust zusammen. Zschäpe spielt nervös mit dem Ladekabel des Handys ihres Rechtsanwalts.

Carsten S. (Mitte) wird im Februar 2012 von Beamten der Bundespolizei abgeführtBild: dapd

Einbrüche und Verstecke

Carsten S. berichtet, wie er auf Anweisung von Böhnhardt und Mundlos in die Wohnung Zschäpes eingebrochen sei, um Akten und Ausweispapiere zu entfernen. Auch hätten er und Wohlleben für das Trio ein Motorrad besorgt.

"Als nächstes kam der Wunsch nach der Waffe", sagte Carsten S. Ein Raunen geht durch den Saal. Auf diesen einen Satz haben Nebenkläger und Zuschauer lange gewartet. "Können Sie sich denn noch konzentrieren?", fragt Götzl den Angeklagten, denn es wird zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Stunden verhandelt. Gericht und Verteidiger hatten sich zuvor eine stundenlange Antragsschlacht geliefert. Götzl ist drauf und dran, die Verhandlung zu vertagen. Doch S. signalisiert mit einem deutlichen Nicken, dass er weiter aussagen will.

S. erinnert sich ziemlich gut, dass vom Trio der Wunsch nach einer leichten Handfeuerwaffe deutschen Fabrikats mit Munition kam. "Wohlleben schickte mich daraufhin zum Szeneladen von Andreas S., der mir die Waffe aushändigte. Der hat mir die Waffe sogar noch unter den Sitz meines Wagens geschoben", erinnert sich S. Wohlleben tippt nun hochkonzentriert jedes Wort in seinem Laptop mit. S. erzählt: "Ich bin mit der Waffe im Zug nach Chemnitz gefahren. Die beiden Uwes haben mich vom Bahnhof abgeholt. Die beiden sind mit mir in ein Café im Einkaufszentrum gegangen." Wohlleben tippt weiter und spitzt die Lippen. Zschäpe beißt ihre Zähne aufeinander und notiert auf einem karierten College-Block die Aussage.

Beate Zschäpe im NSU-Prozess am Dienstag (04.06.2013)Bild: Reuters

Arglose Sympathie

S. gesteht, dass die beiden Uwes mit ihm vom Café aus in ein leerstehendes Haus auf einer Baustelle gegangen seien, wo er ihnen die Waffe nebst Schalldämpfer übergeben habe. "Einer der beiden Uwes hat sofort an Ort und Stelle den Schalldämpfer auf die Pistole geschraubt, um auszuprobieren, ob auch alles passt. Er hantierte mit der Waffe. Ich nahm das Geld und ging allein zurück zum Bahnhof." Die 2500 Mark habe er Wohlleben ausgehändigt, der davon unter anderem Telefonkarten für das Trio gekauft habe. Zschäpe rutscht tiefer in ihren Sitz. Sie wirkt angespannt, mit beiden Händen umfasst sie ihren Hals.

"Haben Sie denn gefragt, wofür die Waffe sein soll, als der Wunsch nach der Beschaffung einer Pistole an Sie herangetragen wurde?" hakt Richter Götzl nach. "Nein", entgegnet S. Er stockt und setzt mit weinerlicher Stimme hinzu: "Aber ich hatte so ein grundsätzlich positives Gefühl, was die drei betrifft. Ich hatte das Gefühl, die drei seien in Ordnung." Entsetztes Murmeln im Publikum auf der Empore. Auch Götzl ringt um Fassung und will wissen: "Wieso denn ein gutes Gefühl, wenn Sie Waffe, Munition und Schalldämpfer besorgen sollten?" - "Na ja, es ging ja immer nur um so harmlose Sachen." - "Aber was wussten Sie denn über die drei, was die damit vorhatten?" fragt Götzl. "Nichts", antwortet S. "Ich wusste nicht mal, wo die wohnten oder was die machten." - Der Richter wundert sich: "Aber bei dem Schalldämpfer, den Sie besorgen sollten, fängt man da nicht an, nachdenklich zu werden?" S. schweigt. "Aber was haben Sie mit Wohlleben bezüglich der Tatwaffe gemacht?", will Götzl schließlich wissen. S. sagt, er habe sich die Waffe gemeinsam mit Wohlleben nach dem Kauf noch einmal genau angeschaut, bevor er sie schließlich bei sich zu Hause versteckte, bis er sie dem mutmaßliche NSU-Trio brachte. Und Carsten S. präzisiert: "Wohlleben trug schwarze Wildlederhandschuhe, als er die Waffe kontrollierte."

Angeklagter Ralf Wohlleben beim zweiten Prozessauftakt im MaiBild: Reuters/Kai Pfaffenbach
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