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Politik

Unterstützung für Santos und den Frieden

9. Mai 2018

Kurz vor der kolumbianischen Präsidentenwahl kommt Amtsinhaber Juan Manuel Santos nach Berlin. Der Besuch könnte vor allem dem Friedensvertrag in dem über 50 Jahre vom Bürgerkrieg zerrissenen Land nutzen.

Angela Merkel und Juan Manuel Santos in Berlin 05.11.2014
Kanzlerin Merkel und Präsident Santos in Berlin (Archivbild von 2014)Bild: Reuters/Hannibal

Was geschieht mit dem landwirtschaftlichen nutzbaren Boden, wenn die Friedensvereinbarung in Kolumbien hält? Welche Ansprüche werden dann die Kleinbauern stellen? Bislang war es für sie aufgrund der Gewalt schlicht sinnlos, für größere Rechte bei der Nutzung des Bodens einzutreten. Nun aber, da die Waffen schweigen, ist die Frage wieder aktuell. Klar ist, dass ihr Anliegen bei den großen Landbesitzern auf wenig Gegenliebe trifft.

Es sind Fragen wie diese, die dazu beitragen, dass die Friedensvereinbarung in Kolumbien auch nach der Unterzeichnung im Spätsommer 2016 weiterhin umstritten ist. Der Frieden zwingt das Land zu einer ganz neuen Ordnung, die nach einem halben Jahrhundert Gewalt  ganz neue Probleme aufwirft. Für das gesamte Land ist die Friedensvereinbarung ein Fortschritt. Das schließt nicht aus, dass es Menschen gibt, die mehr, und solche, die weniger davon profitieren. Wieder andere, wie womöglich die Großgrundbesitzer, könnten materiell als Verlierer aus der Vereinbarung hervorgehen.

Darum haben sie großes Interesse daran, den Nutzen der Friedensvereinbarung zu leugnen oder zumindest kleinzureden. Darüber ist diese auch zu einem Teil populistisch verzerrten Thema im kolumbianischen Wahlkampf geworden. Immer wieder kam es auch zu kleineren Ausbrüchen von Gewalt. Bei de Präsidentenwahl Ende Mai - bei der es um die Santos-Nachfolge geht - entscheide sich darum auch, ob die Kolumbianer den Lauf der Geschichte ändern könnten, heißt es in der in Medellín erscheinenden Zeitung "El Espectador". "Das ist nur möglich, wenn wir den Friedensvertrag bestehen lassen."

Stationen einer Reise

Insofern ist es zumindest in Teilen eine richtungsweisende Wahl, vor der der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos diese Woche nach Berlin kommt, wo er Angela Merkel trifft. Von der deutschen Hauptstadt aus wird er die Kanzlerin auf einer Reise nach Assisi begleiten, die dort den Friedenspreis "Lampe des Friedens" entgegennimmt. Santos wurde im Vorjahr damit ausgezeichnet. Zuvor wird er den Deutschen Katholikentag in Münster besuchen.

"Frieden jetzt!" Demonstration vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin (Oktober 2016)Bild: DW/S. Lozano

Die Auftritte in Assisi und Münster könnten Santos, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren darf, bei seinem Anliegen unterstützen, die Friedensvereinbarung zu wahren, sagt Sabine Kurtenbach vom GIGA-Institut für Lateinamerikastudien im Hamburg. Zwar sei es unwahrscheinlich, dass der Vertrag komplett aufgekündigt werde. Allerdings könnte die Umsetzung ins Stocken geraten. "Für den Fall, dass sich bei den Wahlen ein Kritiker oder Gegner des Friedensabkommens durchsetzt, ist die deutsche Bundesregierung gefragt, auf eine Fortsetzung des Friedensvertrags zu drängen."

Deutschlands Engagement in Kolumbien

Zwar habe Deutschland nie direkt in den Friedensprozess eingegriffen. Es habe diesen aber strukturell unterstützt, so Kurtenbach, indem es etwa dazu beigetragen habe, den Dialog zwischen Regierung und Zivilgesellschaft zu fördern. Vor der Wahl komme es darum darauf an, gute Überzeugungsarbeit zu leisten. So könnte die Bundesregierung noch einmal erklären, warum das erzielte Ergebnis so bedeutsam sei. "Denn bei aller Kritik, die man im Einzelnen an dem Abkommen haben kann, hat dieses doch zumindest zwischen Regierung und FARC 50 Jahre Gewalt in Kolumbien beendet. Ob das dauerhaft ist, wird sich zeigen. Aber es ist doch zumindest ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin."

Deutschland hat sich lange Zeit für den Friedensprozess engagiert. Zudem setzte sich die Bundesrepublik unter anderem für die Unterstützung der Binnenvertriebenen ein, sowie für Gesundheits- und Wasserversorgung, Schulen, Transport und Verkehr. Im Jahr 2017 ließ Deutschland nach Angabe des Auswärtigen Amtes 4,88 Millionen Euro in die Humanitäre Hilfe fließen. Im Jahr davor - die Gewalt war offiziell noch nicht beendet - waren es 7,96 Millionen Euro. Insgesamt flossen nach Auskunft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 327 Millionen Euro in die Entwicklungszusammenarbeit. Auch die deutschen Hilfswerke, die politischen Stiftungen sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sind in Kolumbien engagiert.

"Friedensprozesse sind möglich"

In Berlin betrachte man Kolumbien seit langem als politischen Partner, erläutert Lateinamerika-Experten Kurtenbach das Engagement Deutschlands für das lateinamerikanische Land. Das habe sich auch gezeigt, als das Auswärtige Amt mit Tom Königs einen Sonderbeauftragten für den Kolumbianischen Friedensprozess ernannte und dieser insbesondere Akteure aus der Zivilgesellschaft zu unterstützen versuchte. Deutschland habe schon vor den Verhandlungen kontinuierlich das Thema Frieden in Kolumbien auf der Tagesordnung zu halten. Auch habe man versucht, die zivile Konfliktbearbeitung zu fördern. "Schon deswegen hat Deutschland ein großes Interesse daran, dass dieser Prozess nicht scheitert."

Nun liege der Bundesrepublik vor allem daran, das Friedensabkommen zu erhalten, sagt Kurtenbach. "Dieses Anliegen ist eingebettet in die Politik der Europäischen Union und der Vereinten Nationen." Die wollten am Beispiel von Kolumbien noch einmal eines zeigen: dass Friedensprozesse möglich sind und man langanhaltende und komplexe Gewaltkonflikte beenden kann.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika