Mit fremder Flagge
1. August 2012Heiteres Personal, das die Gäste verwöhnt und sicher zu ihrem Urlaubsziel begleitet. Als Kulisse der deutschen Fernsehserie "Das Traumschiff" herrschte an Bord der MS Deutschland heile Welt. In der Realität sah das vor kurzem noch anders aus. Kapitän und Besatzung lehnten sich massiv gegen Pläne ihrer Reederei auf: Auf dem letzten noch unter deutscher Flagge fahrenden Kreuzfahrtschiff sollte zukünftig die maltesische Fahne wehen.
Der Grund: die geplanten Kürzungen der staatlichen Fördermittel für die Reederei. An Bord gelten immer die Gesetze des Landes, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Die Reederei lenkte aufgrund der Proteste schließlich ein, doch an der Situation auf den Ozeanen wird das nichts ändern.
Flagge zeigen kostet Geld
Durch das Umflaggen können Personalkosten gesenkt werden, sowohl bei Personen-, als auch bei Handelsschiffen. "Es geht immer um Kosteneinsparungen, weil die Flaggstaaten verschiedene Tariflöhne und unterschiedliche Vorschriften haben, wie die Besatzung zusammengesetzt sein muss", erklärt Stefan Oeter, Professor für Völkerrecht der Uni Hamburg im Gespräch mit der DW. Besonders gerne wechselten die Reeder der nördlichen Hemisphäre zu Flaggstaaten wie Liberia, Antigua und Barbuda oder auch Panama. "Die klassischen Billigflaggen sind Drittweltstaaten, die nur relativ niedrige Gebühren für die Registrierung erheben und die die Schiffseigner auch sonst nicht mit vielen Auflagen behelligen", sagt Oeter.
Umflaggen - eine weltweit gängige Praxis, die aber in Deutschland besonders ausgeprägt ist, wie Max Johns, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Reeder, gegenüber der DW erläutert. Von knapp 4000 Schiffen fahren im Moment nur 500 unter deutscher Flagge. "Das liegt daran, dass es in anderen Ländern eine wesentlich intensivere Schifffahrtsförderung gibt, wenn die Schiffe unter der Heimatflagge bleiben", erklärt Johns. In Italien würden beispielsweise die gesamten Lohnnebenkosten durch den Staat erstattet. Die Schiffe der deutschen Kreuzfahrtfirma "Aida" fahren unter italienischer Flagge - sehr zur Freude der Touristen, die weniger bezahlen müssen.
Umflaggen auch innerhalb Europas üblich
Außerdem wird in Deutschland - anders als etwa in Staaten wie Zypern, Malta oder Gibraltar - vorgeschrieben, dass eine bestimmte Anzahl europäischer Besatzungsmitglieder an Bord sein muss. Das lässt die Personalkosten weiter steigen. Reeder, deren Schiffe unter anderer Flagge fahren, beschäftigen dagegen besonders gerne philippinisches Personal, das nicht so teuer und dennoch gut ausgebildet ist.
Um die Kostennachteile auszugleichen, stelle die Bundesregierung 2012 der Schifffahrt rund 60 Millionen zur Verfügung, erklärt Max Johns. Dies decke aber hächstens ein Drittel der Mehrkosten. Das Umflaggen ist für ihn eine Notwendigkeit: "Wenn ein deutsches Schiff im Liniendienst zwischen Malaysia und Australien zehn oder 20 Prozent mehr Kosten hat als die Konkurrenz, kann es keinen vernünftigen Preis anbieten und bekommt die Ladung nicht", so Johns.
Bürokratische Hürden gibt es beim Umflaggen normalerweise nicht. Der Reeder stellt einen Antrag, in dem er die Gründe für den Wechsel benennt. Schließlich muss noch die Behörde des zukünftigen Flaggstaats zustimmen. Ein Grund für den leichten Wechsel der Flagge ist sicherlich, dass die Flagge keine Auswirkungen darauf hat, in welchem Staat der Schiffseigner seine Steuern zahlt. Hat die Firma, die das Schiff betreibt, ihren Sitz in Deutschland, zahlt sie auch hier weiter Steuern, selbst wenn ihr Schiff unter maltesischer Flagge fährt.
Die Besatzung der MS Deutschland muss sich darüber vorerst keine Gedanken mehr machen. Im Moment liegt das Schiff im Hafen Londons und wartet darauf, dass es die deutschen Olympia-Teilnehmer nach Hause bringen kann.