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Die Stadt, mein Garten

Anne Höhn
3. Dezember 2018

Die Städte der Welt wachsen, die Ressourcen für den Anbau von Nahrung für ihre Bewohner schwinden. Können bepflanzte Hochhausdächer und urbane Landwirtschaft das Problem künftig lösen?

Urbane Garten der "StadtFrüchtchen" in Bonn
Bild: DW/A. Höhn

Miriam Brink rupft ein glattes, dunkelgrünes Blatt ab, kaut kurz darauf herum und überlegt. "Staudensellerie!", diagnostiziert die Hobbygärtnerin und bricht vorsichtig drei, vier der hellgrünen Stauden unter dem Blattwerk ab. Für frisches Gemüse muss Brink nicht auf den Markt gehen oder vor die Stadt fahren. Seit anderthalb Jahren gärtnert die Initiatorin der "StadtFrüchtchen" in der Bonner Altstadt. Gemeinsam mit einer Freundin hat sie die brach liegende Fläche gefunden, gepachtet und in einen urbanen Garten verwandelt. 30 Mitglieder hat die Initiative mittlerweile. Zusammen pflegen sie 20 Hochbeete auf rund 80 Quadratmeter Fläche. Selbst im Spätherbst ist die Ernte reichhaltig: Staudensellerie, Kohlrabi, Wirsing und eine vereinzelte satt gelbe Tomate. 

Der urbane Garten hat mittlerweile zahlreiche Kooperationspartner. Einer davon ist der Wissenschaftsladen (WiLa) in Bonn. Ein Thema, das sich der WiLa auf die Fahne geschrieben hat, ist die städtische Agrikultur. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik betreibt er das SAIN-Projekt. Ziel ist es, Themen und Anliegen in der Gesellschaft aufzugreifen und diese in die Wissenschaft zu speisen. Die Ergebnisse werden dann wieder der Zivilgesellschaft zur Verfügung gestellt.

So könnten die Farmen der Zukunft aussehen: Ein Entwurf der schwedischen Firma Plantagon aus dem Jahr 2014Bild: Plantagon/Sweco

Urbane Landwirtschaft: Utopie oder echte Alternative?

Eine Lösung glaubte bereits 1999 der ehemalige Professor an der Columbia Universität in New York Dickson Despommier gefunden zu haben: Vertical farming. Das Prinzip: Nutzpflanzen sollen in hohen, mehrstöckigen Gebäuden innerhalb der Stadt angebaut werden. Eine solche Wolkenkratzer-Farm soll auf diese Weise zehntausende Menschen mit Nahrung versorgen können. 

Um die Jahrtausendwende schien die Idee noch nicht realisierbar. Mittlerweile forschen Länder auf der ganzen Welt an der Methode oder wenden sie bereits an. Vorreiter in Europa auf diesem Gebiet sind die Niederlande. In der niederländischen Stadt 's-Hertogenbosch gründeten Wissenschaftler bereits 2010 das PlantLab. Laut Website wächst hier auf 3000 Quadratmetern in drei Stockwerken unter der Erde fast jede erdenkliche Nutzpflanze. Der Anbau generiert einen deutlich höheren Output als die herkömmliche Landwirtschaft, denn in den geschützten Räumen kann ganzjährig geerntet werden. Das produzierte Gemüse wird gleich in der Stadt verzehrt, ohne einen weiten Transportweg zurückzulegen. "Grown locally, planet friendly", wirbt das Unternehmen.

Wilfried Bommert von der Berliner Denkfabrik Institut für Welternährung sieht die hochtechnisierte Obst- und Gemüse-Produktion in Städten kritisch: "Die Umsetzung von vertikalen Farmen in Wolkenkratzern ist möglich, aber die Unterhaltung ist sehr kostenintensiv. Ein Salatkopf von dort würde um die zwei Dollar kosten, anstatt einem oder weniger. Es ist also klar, dass das nur für ein wohlhabenden Publikum attraktiv ist." Für Städte in ärmeren Regionen der Erde ist das keine Lösung, da muss eine kostengünstigere Alternative her. Im kenianischen Nairobi wurde deshalb in der dicht besiedelten, armen Region Kebira erstmals der sogenannte Sackgarten erprobt. Die Erde dort ist nicht gut, also pflanzen die Bewohner Gemüse in Säcken mit geeigneter Erde an. 15 Euro kostet der Sack mit Erde inklusive Saatgut und alle drei bis sechs Tage kann geerntet werden. Die französische Hilfsorganisation Solidarités hatte das Projekt 2008 gestartet.

Die französische Hilfsorganisation Solidarités hatte 2008 das Projekt Sackgärten in einem Slum von Nairobi gestartetBild: picture-alliance/dpa

Europas Städte müssen umdenken

Aber auch europäische Städte werden sich künftig Gedanken machen müssen, davon ist Bommert überzeugt: "Die Klimaveränderung verschiebt unsere Produktionsstandorte. Europa importiert drei Viertel aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die immer stärker von Dürre oder Überschwemmungen geplagt werden, und die nicht mehr ewig als Reservoire zur Verfügung stehen werden." Das werde vor allem der globale Süden merken, prognostiziert Bommert. „Aber auch in Deutschland merken wir das ja schon: Die Ernte im Sommer dieses Jahres ist in Deutschland zu 50 Prozent ausgefallen." Die Städte müssten sich von den bisherigen großen Produktionskreisläufen lösen. "Urbane Agrikultur muss ein Teil der Stadtpolitik werden", fordert Bommert. Berlin beispielsweise, hätte dafür gute Voraussetzungen.

Neue Gärten braucht die Stadt

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"Die Stadtflächen alleine reichen nicht", sagt Stephanie Bock vom Deutschen Institut für Urbanistik "Bei einer Stadt von der Größe Berlins können wir nicht alle freien Flächen landwirtschaftlich nutzen und selbst wenn, wären es zu wenige, um die ganze Stadt zu versorgen." Eine Kombination aus konventioneller Landwirtschaft und urban farming müsse her. Urbane Gärten der Zivilgesellschaft seien ein Schritt in einer komplexen Umstellung des Produktionssystems.

Für Miriam in Bonn ist ihr Garten vor allem ein Weg nachhaltige Lebensmittelproduktion in der Stadt vorzuleben. Ob sie sich irgendwann ausschließlich aus dem Garten ernähren wird, weiß sie noch nicht. "Aber ein Wunsch wäre es", sagt sie. "Wenn nicht jetzt, dann wenigstens für die nachfolgende Generation."