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Reise

Wale gesucht, Delfine gefunden

5. Januar 2019

Kaum irgendwo auf der Welt kann man so gut Wale beobachten wie vor den Kanarischen Inseln im Atlantik. DW-Reporterin Christina Deicke ist an Bord gegangen, um den Riesen der Meere einmal live zu begegnen.

Gran Canaria Wal- und Delfinbeobachtungstour
Skipper Ivan López hat die Lage im Blick: "Das hier ist definitiv besser als ein Bürojob", findet er.Bild: DW/C. Deicke

Einhundert Augenpaare starren aufs Wasser. Seit knapp einer Stunde sind wir mit der "Spirit of the Sea" unterwegs, um Wale zu beobachten. Doch bislang tut sich - nichts. Zwei Stunden soll die Tour dauern. Los ging es in Puerto Rico im Süden Gran Canarias, der drittgrößten der sieben kanarischen Inseln. An Bord sind viele Familien mit Kindern, die - wie ich -  einmal in ihrem Leben einen Wal sehen möchten. 

Die Kanarischen Inseln im Atlantischen Ozean vor der Westküste Afrikas sind dafür einer der besten Spots der Welt. Denn hier halten sich die Meeressäuger das ganze Jahr über auf, am liebsten im windgeschützten Südwesten der Inseln, wo sie reichlich Nahrung finden: Die Passatwinde sorgen für günstige Strömungen und treiben besonders viel Plankton dorthin.

Auch fallen die Küsten steil ab, was gut für Wale ist, die ihr Futter in der Tiefe suchen. Dort leben Riesenkalmare, von denen sich etwa die Pottwale ernähren. Von rund 90 bekannten Walarten sind vor den Kanaren bisher 33 gesichtet worden - Biologen nennen das rekordverdächtig.

Nehmen Sie lieber Tabletten!

Irgendwann bin ich mir sicher, im Gewirr der Wellen einen schwarzen Walrücken entdeckt zu haben - doch das angestrengte Starren ruft wohl optische Täuschungen hervor. Da ist nichts.

Gleich zu Beginn der Tour hatte Crewmitglied Regina Heiligers um Geduld gebeten: "Wir wissen nicht, wann und ob wir überhaupt etwas sehen werden - immerhin sind es Wildtiere und dies ist der Ozean, kein Delfinarium." Wer übrigens seekrank werde, solle rechtzeitig nach einer Tüte fragen.

Die gelbe Flagge ist eine Art Gütesiegel: Dieser Touren-Anbieter hat eine offizielle Lizenz für Wal-BeobachtungenBild: DW/C. Deicke

Das Meer sieht zwar ruhig aus, doch das Schiff schaukelt heftig. Ich habe Achterbahn-Feeling und bin froh, Pillen gegen Seekrankheit eingeworfen zu haben. Schon nach zehn Minuten übergibt sich das erste Kind.

Der Natur verbunden

Skipper Ivan López nimmt jetzt das Fernglas zur Hand und hält Ausschau nach kreisenden Vögeln oder Fontänen, die die Wale durch ihr Blasrohr ausstoßen. Seit 13 Jahren fährt er Touristen etwa 15 Kilometer weit aufs Meer hinaus: "Ich liebe alle Tiere. Aber nicht als Haustier in Gefangenschaft. Sie sollten frei in der Wildnis leben."

Die wilde Tierwelt rund um die Kanaren faszinierte auch Javier Zaera. Der Venezolaner kam als Segel- und Surflehrer nach Gran Canaria. Anfang der 1990er Jahre begann er, Walbeobachtungstouren anzubieten und war damit der Erste auf der Insel.

Es geht ihm dabei nicht nur ums Geschäft. Er und seine Crew melden jede Walbeobachtung mit Art und Anzahl der Tiere sowie den Ort der Sichtung dem Institut für Meeresforschung an der Universität in Las Palmas. So leisten sie einen Beitrag zur Forschung. Immer wieder befreien sie Meeresschildkröten, die sich in Plastik verfangen haben.

Javier Zaera vor der "Spirit of the Sea", die er extra für die Touren bauen ließBild: DW/C. Deicke

Wal-Tourismus ist beliebt 

Längst ist Javier nicht mehr der Einzige, der auf Gran Canaria Waltouren anbietet. Auf der Nachbarinsel Teneriffa konkurrieren besonders viele Anbieter um die Touristen und setzen sich so gegenseitig unter Erfolgsdruck. Die Tiere werden regelrecht verfolgt und eingekreist.

Zwar gibt es auf den Kanaren seit 1996 strenge Regularien für die Walbeobachtung: "Es kontrolliert nur niemand, ob sie eingehalten werden", sagt Javier. Pro Jahr werden laut der internationalen Tierschutzorganisation IFAW weltweit 1,75 Milliarden Euro mit dem Wal-Tourismus umgesetzt, 13 Millionen Menschen gehen auf Beobachtungstour.

Glücksgefühle auf dem Meer

Auf dem Schiff steigt die Spannung. "Aufregend, oder?" fragt eine Niederländerin, ihren Sohn auf dem Schoß. "Ja", antworte ich. Nur: wo sind sie? Immer noch: Sonne, Wind, blaues Meer - keine Wale.

Jetzt greift Skipper Ivan zum Mikro und verkündet: "Ladies und Gentleman, in weiter Ferne sehen wir nun die Fontäne eines Wals." Ich suche hektisch am Horizont: Wo? Wo? Dann sehe ich den senkrechten Strich über dem Wasser. Gleich verschwindet er wieder. Da ist also ein Wal - leider wirklich sehr weit weg. Das Schiff hält darauf zu.

Immer gut festhalten: Beim Anblick der Delfine sind die Passagiere begeistertBild: DW/C. Deicke

Und dann plötzlich gerät der Ozean in Bewegung: Vor, neben und hinter unserem Schiff zischen Delfine durchs Wasser, springen aus den glitzernden Wellen, überholen das Boot. Jubeln an Bord, staunende Ausrufe, Finger zeigen auf die grauen glatten Körper. "Wir haben Glück!", ruft Ivan begeistert ins Mikro: "Das ist eine Delfinfamilie von etwa 600 Tieren."

Alle fotografieren wie verrückt - gar nicht so einfach, wenn man sich permanent mit einer Hand an der Reling festkrallen muss. Der Seegang ist nun noch stärker als in Küstennähe.

Fasziniert beobachte ich die Tiere. Sie schwimmen in Paaren und Gruppen, schießen nach oben, tauchen ab, wirken irgendwie vergnügt und aufgedreht. Die Delfine hier in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen, macht etwas mit mir - ich habe Glücksgefühle. Auch den anderen an Bord scheint es so zu gehen.

Delfine sind übrigens auch Wale: Die Meeressäuger gehören zu den ZahnwalenBild: DW/C. Deicke

Leider ist es recht schnell vorbei: "Delfine sind geschützt und es ist nicht erlaubt, länger als 20 Minuten in ihrer Nähe zu bleiben", meldet sich Ivan wieder, "darum müssen wir in fünf Minuten zurückkehren."

Wasser an Deck - keine Panik!

Die will ich nutzen, um vom unteren Deck aus zu fotografieren. Ich schwanke die Treppe hinab. Hier ist landunter. Eine Welle schwappt über den Bug, ich stehe fast bis zum Knöchel im Wasser. "Tsunami, Tsunami!", warnt Ivan vor jeder stärkeren Bewegung. Er klingt fröhlich, darum mache auch ich mir keine Sorgen.

Doch das hier hat definitiv Abenteuer-Charakter: Leute torkeln, Kinder kreischen, meine Kamera knallt gegen eine Stange. Ich hangele mich auf einen Sitz. Ein Junge beugt sich über die Reling und übergibt sich - minutenlang. "Heute ist es etwas unruhig", sagt Regina und verteilt wacker Tüten: "Aber das ist eben der Atlantik!"

Begeistert taumle ich im Hafen an Land. Wale habe ich zwar nicht gesehen, aber ich war dicht dran! Sollte ich wieder einmal auf Gran Canaria sein, versuche ich es erneut. Wer übrigens auf dieser Tour - was selten vorkommen soll - weder Wale noch Delfine sieht, darf kostenlos noch einmal mitfahren.

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