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Urteil im Auschwitz-Prozess erwartet

Ben Knight/phi14. Juli 2015

Jetzt geht er doch schneller zu Ende als gedacht: Schon an diesem Mittwoch soll das Urteil fallen im Prozess gegen Oskar Gröning, den so genannten Buchhalter von Auschwitz. Aus Lüneburg berichtet Ben Knight.

Oskar Gröning mit seinen Anwälten Hans Holtermann und Susanne Frangenberg (Foto: picture-alliance/dpa/A. Heimken)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken

Es ging etwas hektisch zu im Lüneburger Landgericht am letzten Verhandlungstag. Weil der Angeklagte Oskar Gröning schon 94 Jahre alt ist, sind die Verhandlungen auf drei Stunden je Prozesstag begrenzt. Nachdem Richter Franz Kompisch die Schlussplädoyers der Vertreter der Nebenklage gehört hatte, erteilte er direkt Grönings Anwalt Hans Holtermann das Wort. Der hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, sein Schlussplädoyer schon am Dienstag zu präsentieren.

Ganz zum Schluss der Sitzung erhielt dann der Angeklagte das Wort. "Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte", zitierte Gröning einen Vertreter der Nebenklage. "Das ist mir bewusst. Ich bereue aufrichtig, dass ich diese Erkenntnis nicht viel früher und konsequenter umgesetzt habe."

37 Jahre später

Zur Überraschung vieler kündigte Richter Kompisch schließlich sein Urteil für Mittwoch früh an. Auf einen Freispruch hofft die Verteidigung. Sie machte geltend, dass Gröning den Holocaust nicht im strafrechtlichen Sinne gefördert habe. Die Anwälte Hans Holtermann und Susanne Frangenberg (im Bild oben mit ihrem Mandanten Gröning) konzentrierten sich in ihren Plädoyers auf die Tatsache, dass gegen Gröning bereits im Jahr 1978 ermittelt worden sei, und damals die Ermittlungen eingestellt wurden. Die Verteidiger machten auch geltend, dass Gröning sowohl 1978 als auch im aktuellen Prozess mit den Behörden zusammengearbeitet habe.

Bild: Reuters/P. Ulatowski

Der Prozess in Lüneburg war erst durch einen Präzedenzfall möglich geworden: der Verurteilung von John Demjanjuk in München 2011. Auch Demjanjuk, einst Wächter im Todeslager Sobibor, sah sich selbst nur als kleines Rädchen im Getriebe der Nazi-Tötungsmaschinerie.

Frangenberg argumentierte, dass die Verzögerung von 37 Jahren Grönings Verteidigungs-Möglichkeiten eingeschränkt habe. Damals wäre Gröning nach herrschender Rechtsprechung aufgrund einer anderen Bewertung freigesprochen worden, so die Anwältin. Zudem wäre es noch leichter gewesen, bestimmte Dokumente ausfindig zu machen. Gröning selbst hatte ausgesagt, dass er drei Mal versucht habe, sich aus Auschwitz weg versetzen zu lassen. Beweise dafür konnte er jedoch nicht vorlegen. Ein Historiker im Zeugenstand hatte Grönings Aussage in Frage gestellt – Versetzungsgesuchen von gesunden Offizieren an die Front sei stets entsprochen worden.

Nazis und Neonazis

Anwalt Mehmet Daimagüler fasste mit seinem Plädoyer am eindrücklichsten zusammen, welche Motive die Nebenkläger im Prozess bewegten. Das Urteil werde zwar keine Gerechtigkeit und keinen Rechtsfrieden herstellen, sagte Daimagüler, der beim NSU-Prozess in München die Familien zweier türkischer Mordopfer vertritt. Für die Nebenkläger und Auschwitz-Überlebenden sei der Lüneburger Prozess jedoch wichtig, damit sie am Ende ihres Lebens vielleicht etwas Frieden finden könnten. Er sei zudem wichtig für die deutsche Gesellschaft, in der Rassismus und Neonazismus immer noch präsent seien.

Anwalt Mehmet DaimagülerBild: picture alliance / dpa

Im Interview mit der DW zog Daimagüler Parallelen zwischen dem Lüneburger Auschwitz-Prozess und dem Münchener Prozess gegen die rechtsextremistische Terrorgruppe NSU. "Es geht in beiden Fällen um ein Versagen des Staates", so der Anwalt. "In Lüneburg ging es um die Frage, was wir getan haben, um die Nazi-Zeit zu verstehen. Da hat der Staat zu wenig getan, zu wenig Aufklärung betrieben. Und in München steht die Frage im Raum: Was hat der Staat getan, um einen Teil seiner Bevölkerung zu schützen, in diesem Fall Migranten. Und wieder müssen wir sagen: zu wenig."

Der Münchner NSU-Prozess dauert weiter an. Wenn in Lüneburg an diesem Mittwoch ein Urteil fällt, dann wird zumindest der Angeklagte Gröning Gewissheit über sein Schicksal haben. Für den so genannten "Buchhalter von Auschwitz" hat die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert.

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