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"Eine Schande für die Demokratie"

Kirstin Hausen24. Juni 2013

Die Empörung ist groß in Silvio Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" nach dem Schuldspruch für ihren Chef. Der Imageschaden ist enorm. Die praktischen Folgen auf die italienische Politik sind jedoch gering.

Silvio Berlusconi (Archivfoto: picture alliance)
Silvio BerlusconiBild: picture-alliance/ROPI

Silvio Berlusconis Verurteilung zu sieben Jahren Haft und das lebenslange Verbot, öffentliche Ämter auszuüben, sorgt für Zündstoff in der italienischen Politik. Berlusconis Parteifreunde Maurizio Gasparri und Fabrizio Cichitto nennen das Urteil "eine Schande für die Demokratie" und geben ihrer Empörung auf sämtlichen Fernsehkanälen Ausdruck.

Politiker des linken Lagers wie Nichi Vendola, Präsident der Region Apulien, nehmen den Schuldspruch dagegen zum Anlass, Berlusconi zum Rückzug aus der Politik aufzufordern. Vor dem Justizpalast in Mailand jubeln mehrere Dutzend Bürgerinnen und Bürger, die Staatsanwältin Ilda Boccassini zu ihrer gelungen Rekonstruktion der Ereignisse in Berlusconis Villa in Arcore und auf dem Mailänder Polizeipräsidium gratulieren. Berlusconi hat sein Amt missbraucht, um Karima El-Mahroug, Spitzname Ruby, aus dem Polizeigewahrsam zu befreien und er hat sie für sexuelle Dienstleistungen bezahlt, als sie noch minderjährig war. Das sieht das Gericht als erwiesen an.

Anwälte gehen in Berufung

Die Mienen von Berlusconis Verteidigern waren versteinert während der Urteilsverkündung, doch sie sind überzeugt davon, dass ein Berufungsgericht das Urteil nicht bestätigen wird. Als erstinstanzliches Urteil wird weder Berlusconis siebenjährige Haftstrafe rechtskräftig noch das lebenslange Verbot, öffentliche Ämter auszuüben. Berlusconi muss seinen Sessel im Senat also nicht räumen. In praktischer Hinsicht hat das Urteil im Ruby-Prozess keine Auswirkungen auf die politische Karriere von Silvio Berlusconi. Doch der Imageschaden ist enorm. Es wird Berlusconis Fernsehsendern zusehends schwerer fallen, ihn als unschuldig darzustellen. Wie bereits nach Verurteilungen in der Vergangenheit hat sich Berlusconi noch nicht zu Wort gemeldet. Im Vorfeld hatte er sich aber bereits als "Verfolgter der Justiz" bezeichnet.

Richter politisch motiviert?

Die Mailänder Richter, allen voran die Staatsanwältin Ilda Bocccassini, hätten Berlusconi aus politischen Gründen gerne im Gefängnis, so die These der Verteidigung. Doch alle Bemühungen, Prozesse gegen ihren Mandanten aus Mailand in andere Städte zu verlegen, sind vom unabhängigen Richterrat abgeschmettert worden. So auch im Falle Ruby. Die Marokkanerin, inzwischen verheiratet mit einem fast 50-jährigen Unternehmer und Mutter eines kleinen Mädchens, hat abgestritten, mit Silvio Berlusconi Sex gehabt zu haben. Sie macht derzeit Ferien in Mexiko und ist für niemanden zu sprechen.

Richterin Giulia Turri verkündet das UrteilBild: Reuters

Weitere Urteile stehen noch aus

Das Urteil im Ruby-Prozess sorgt für Wirbel, weil es härter ausgefallen ist als die geforderte Strafe der Anklage. Doch es wird nicht viel ändern im Politikbetrieb. Und es ist bereits die dritte Verurteilung in wenigen Monaten für Silvio Berlusconi. Schuldig gesprochen wurde er auch im Unipol-Prozess, wo es um Beihilfe zur Veröffentlichung abgehörter Telefonate seiner politischen Gegner ging, und im Prozess um den An- und Verkauf von Fernsehrechten zu künstlich überhöhten Preisen.

Doch der Prozess, den Berlusconi am meisten fürchtet, läuft noch. Es geht um Steuerbetrug. Berlusconi ist bereits in zweiter Instanz zu vier Jahren Haft und fünf Jahren Amtsverbot verurteilt worden. Die dritte und letzte Instanz prüft nur noch auf Verfahrensfehler - und sollten keine vorliegen, wird dieses Urteil rechtskräftig. Dann müsste Berlusconi sein derzeitiges Amt als Senator niederlegen, was für seine Partei schwerer wiegt als die Haftstrafe. Denn die würde er aufgrund seines Alters sowieso nicht absitzen müssen.

Einige der von Berlusconi ins Parlament gehievten Parteikollegen sind so empört, dass sie drohen, im Falle einer definitiven Verurteilung ihres Chefs der Regierungskoalition die Zustimmung zu entziehen. Doch dazu werde es nicht kommen, meint Roberto Speranza von der Demokratischen Partei: "Die Probleme einer einzelnen Person werden nicht über die Regierung entscheiden. Und Gerichtsurteile sollten nicht kommentiert, sondern respektiert werden." Daran hält sich im Falle Ruby jedoch niemand.

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