Grünes Gewölbe: Mehrjährige Haftstrafen für Juwelendiebe
16. Mai 2023
Vier Jahre nach dem Raub von Schmuckstücken aus dem Grünen Gewölbe in Dresden ist am Dienstag das Urteil gefallen. Fünf Angeklagte wurden zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, der sechste wurde freigesprochen.
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Barockes "Weihnachtswunder" im Grünen Gewölbe
Drei Jahre nach dem spektakulären Juwelenraub aus dem Grünen Gewölbe in Dresden ist ein Großteil der Schätze zurück. Das Museum spricht von einem "Weihnachtswunder". Doch wichtige Werke bleiben verschwunden.
Die gestohlene Juwelengarnitur gehörte zu den Sehenswürdigkeiten des Grünen Gewölbes, darunter der Brillantschmuck der Königinnen, ein Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens oder auch ein diamantenbesetzter Degen. Den Versicherungswert des Diebesgutes schätzten die Ermittler auf rund 114 Millionen Euro, der kunsthistorische Wert dürfte um ein Vielfaches höher sein.
Bruststern des Weißadlerordens
Zu den 31 Stücken, die von der Polizei sichergestellt wurden, gehört auch dieser Bruststern. Er wurde zwischen 1746 und 1749 von dem Schweizer Juwelenkünstler Jean Jacques Pallard aus Brillanten, Rubinen, Gold und Silber gefertigt. August der Starke, sächsischer Kurfürst und Herzog, später auch polnischer König, verlieh ihn an etwa 40 Ritter des Weißen Adlers-Ordens.
Zum Diebesgut gehörte auch diese Aigrette, ein Haarschmuck in der Form einer Sonne. Sie wurde von 1782 bis 1807 gefertigt und gehört in das Ensemble mit Brillantschmuck der Königinnen. Die Aigrette besteht aus 127 Brillanten und aus Silber.
Die Klinge dieses Degens aus dem 18. Jahrhundert sowie einige der hier abgebildeten Brillanten an seinem Griff bleiben vermisst. Der Degen besteht aus Silber, Gold und Stahl. Die Diebe hatten den Degen ohne die Scheide mitgenommen.
Sachsens Herrscher August der Starke (1670-1733) wollte in Dresden ein Gesamtkunstwerk schaffen. Zwischen 1723 und 1730 ließ er einen barocken Prunkbau errichten, mit dem er seine Vision von Reichtum und Macht ausdrücken wollte. Das Grüne Gewölbe ist ein Kleinod des Barock - voller Kunstschätze, deren Wert nicht zu beziffern ist.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert
Weißsilberzimmer
Das Weißsilberzimmer ist einer von acht Räumen im Grünen Gewölbe. Der Besuch gleicht einer Zeitreise in den Barock - vorbei an rund 3000 freistehenden Objekten. Bereits 1724 waren die Räume des Grünen Gewölbes für das Publikum öffentlich zugänglich - wie heute auch nur in kleinen Gruppen und, so der Wunsch des Königs, "mit sauberer Kleidung".
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert
August der Starke: Kunstmäzen und Prunkliebhaber
August der Starke lässt seine Residenz Dresden nach französischem Vorbild ausbauen. Er hält Hof im Stile Ludwigs XIV. und ruiniert damit die sächsischen Finanzen. In einem Kuppelsaal des Grünen Gewölbes ist das Wappen des Kurfürsten und Herzogs von Sachsen zu sehen.
Bild: Oliver Killig/dpa/picture-alliance
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Die Richter am Landgericht Dresden verhängten Freiheitsstrafen zwischen vier Jahren und vier Monaten und sechs Jahren und drei Monaten. Der sechste Angeklagte wurde freigesprochen, er konnte ein Alibi für die Tatnacht vorweisen. Bei der Verhandlung ging es um einen der aufsehenerregendsten Juwelendiebstähle Deutschlands. Am 25. November 2019 waren mehrere Täter in den frühen Morgenstunden durch ein vergittertes Fenster in das historische Grüne Gewölbe eingedrungen. Mit einer Axt schlugen sie 56 Mal auf eine Glasvitrine ein und erbeuteten daraus 21 Schmuckstücke aus der Zeit Augusts des Starken (1670-1733).
Die Kunstschätze waren mit insgesamt insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten besetzt, darunter der "Sächsische Weiße", ein Diamant mit 48 Karat. Gemeinsam bilden die Schmuckstücke den sächsischen Staatsschatz, den die Herrscherfamilie der Wettiner über mehrere Generationen zusammengetragen hat. Gesamtwert: mehr als 116 Millionen Euro.
Bei ihrer Aktion verursachten die Täter mehr als eine Million Euro Schaden. Neben den Zerstörungen im Grünen Gebäude setzten sie einen Stromverteilerkasten in der Altstadt in Brand und zündeten in der Tiefgarage eines Wohnhauses eines der Fluchtautos an, um ihre Spuren zu verwischen. Dabei wurden zahlreiche weitere Autos zerstört oder beschädigt.
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Razzia, Deal und Rückgabe der Juwelen
Nach einer Groß-Razzia mit 1600 Polizisten überführte eine nach dem Raub gebildete Sonderkommission im November 2020 mehrere Mitglieder des Berliner Remmo-Clans, einer arabischstämmigen Großfamilie. Insgesamt sechs Tatverdächtige wurden bis August 2021 festgenommen. Sie waren zum Zeitpunkt des Überfalls zwischen 22 und 28 Jahren alt. Einer von ihnen musste sich bereits 2020 wegen des Einbruchdiebstahls im Berliner Bode-Museum verantworten und wurde rechtskräftig verurteilt.
Im August 2022 kam es zu einem Deal zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung: Rückgabe der Schmuckstücke gegen Straferleichterung. Dieser führte am 16. Dezember 2022 kurz vor Mitternacht zur Rückgabe des Schmucks in einer Berliner Anwaltskanzlei. Im Januar 2023 gaben fünf der sechs Angeklagten ihre Beteiligung an dem Raub zu und zeigten Reue. Die Verteidigung verlangte für sie Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe und verwies auf mangelnde Sicherheitsmaßnahmen des Museums, die die Tatausführung "zumindest begünstigt" hätten.
Nach wie vor fehlen drei der Schmuckstücke, andere sind unvollständig und wurden durch falsche Lagerung oder das Entfernen einzelner Teile beschädigt. Die bei dem Raub beschädigte Brillanten-Epaulette etwa mit dem "Sächsischen Weißen" und die Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste bleiben weiter verschwunden. Der Arbeitsaufwand für die Restaurierung wird auf rund 126.000 Euro beziffert, den Ersatz der fehlenden Steine nicht eingerechnet. Der Freistaat Sachsen hatte vor Gericht Schadensersatz in Höhe von fast 89 Millionen Euro geltend gemacht - für die noch fehlenden und beschädigten Schmuckstücke sowie für Reparaturen.