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US-Abschiebungen nach El Salvador: Gefangen im Terrorknast

Viola Träder
17. April 2025

In den USA ist eine juristische Schlammschlacht um Abschiebungen nach El Salvador entbrannt. Experten warnen: Das Abkommen zwischen Trump und Nayib Bukele sei "illegal". Nur: Hilft das den Betroffenen?

Häftlinge, deren Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt sind, sitzen mit kahlgeschorenen Köpfen in weißen T-Shirts auf dem Boden im CECOP-Gefängnis in El Salvador, ein schwarz gekleideter Aufseher steht in ihrer Mitte, umrandet werden sie von Polizisten in dunkler Schutzkleidung
Mehr als 250 Migranten wurden im März von den USA ins salvadorianische Hochsicherheitsgefängnis CECOT abgeschoben - laut US-Regierung handelt es sich angeblich um Mitglieder krimineller BandenBild: El Salvador Presidency/Handout/Anadolu/picture alliance

Schon seit Donald Trumps Amtsantritt im Januar fürchten sich irregulär in die USA eingewanderte Migrantinnen und Migranten verstärkt vor ihrer drohenden Abschiebung. Jetzt hat diese Bedrohung eine neue Dimension angenommen: die Möglichkeit, in einem Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador zu landen.

Seit März 2025 hat die Regierung von Donald Trump insgesamt 271 salvadorianische und venezolanische Migranten aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen, um sie im Megagefängnis CECOT in El Salvador inhaftieren zu lassen. Washington behauptet, die Menschen seien Mitglieder krimineller Organisationen, doch Beweise konnte man dafür bislang nicht vorlegen.

Offenbar auch Unschuldige aus den USA abgeschoben

Stattdessen warnen Angehörige und Menschenrechtsorganisationen, dass sich unter den Abgeschobenen auch Unschuldige befinden, die nicht vorbestraft sind. Der symbolträchtigste Fall ist der des Salvadorianers Kilmar Ábrego García. Er war, so stellt es die US-Regierung zunächst dar,  wegen eines "Verfahrensfehlers" ausgewiesen worden.

Die Abschiebung von Kilmar Abrego Garcia hat in den USA Proteste und Kontroversen ausgelöstBild: Alex Wong/GETTY IMAGES NORTH AMERICA/AFP/Getty Images

Ábrego Garcia war US-Medien zufolge wohl 2011 als Teenager auf der Flucht vor Bandengewalt illegal in die USA eingereist. Sein Asylantrag wurde zwar 2019 abgelehnt, aber er erhielt Schutz vor Abschiebung wegen drohender Verfolgung und eine Arbeitsgenehmigung. Dennoch wurde der 29-jährige Familienvater Mitte März festgenommen und kurz darauf abgeschoben.

Die US-Regierung spricht mittlerweile nicht mehr von einem Verfahrensfehler, sondern behauptet nun, Ábrego Garcia sei Mitglied der berüchtigten Bande MS-13. Seine Anwälte bestreiten das.

Bis heute weigern sich der US-Präsident und sein salvadorianischer Amtskollege Nayib Bukele, Garcia freizulassen und in die Vereinigten Staaten zurückzubringen. Trump ignoriert damit sogar eine entsprechende Anordnung des Obersten Gerichtshofs der USA.

Stattdessen spielt der US-Präsident mittlerweile sogar öffentlich mit dem Gedanken, auch bestimmte US-Amerikaner in CECOT einsperren zu lassen.

Das CECOT - zu deutsch: "Zentrum zur Eindämmung des Terrorismus" - ist das größte Hochsicherheitsgefängnis Lateinamerikas. Es wurde im Januar 2023 eröffnet und hat Platz für 40.000 Inhaftierte, die unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen überwacht werden. 

Keine Informationen über die Identität der Abgeschobenen 

Ana María Méndez Dardón, Direktorin für Zentralamerika bei der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation WOLA, weist darauf hin, dass die Identität und der Aufenthaltsort der seit März aus den USA Abgeschobenen derzeit unbekannt sind. Es ist also nicht klar, ob die Menschen  tatsächlich im CECOT oder in einem anderen salvadorianischen Gefängnis festgehalten werden.

"Ohne ihre Identität zu kennen, ist es schwierig zu überprüfen, ob sie wirklich vorbestraft sind. Deshalb haben acht US-Kongressabgeordnete inmitten dieser schweren Menschenrechtskrise einen Brief an Außenminister Rubio geschickt und ihn aufgefordert, den Kongress über die Details der Vereinbarung zu informieren", erklärt Dardón der DW. 

El Salvadors Präsident Nayib Bukele war im April zu Besuch bei US-Präsident Donald TrumpBild: Kevin Lamarque/REUTERS

Keine Transparenz über das Abschiebe-Abkommen 

"Das Abkommen wurde nicht veröffentlicht, was einen schweren Verstoß gegen die Grundsätze der Transparenz und Rechenschaftspflicht darstellt", erklärt Irene Cuellar, Regionalreferentin des Amerika-Büros von Amnesty International (AI). "Aus Presseberichten geht jedoch hervor, dass die USA der salvadorianischen Regierung für ein Jahr sechs Millionen Dollar für die Inhaftierung dieser Menschen überweisen", berichtet Cuellar der DW.

Sie spricht daher sogar von einem "erzwungenen Verschwinden" der Abgeschobenen. Denn diesen würde weder Kontakt zu ihren Familien noch Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährt. 

Ihrer Meinung nach öffnet der Pakt "die Tür zur Normalisierung institutioneller Gewalt als Instrument des Migrationsmanagements und der Außenpolitik". Darüber hinaus, so Cuellar weiter, "greift er direkt die Grundpfeiler jeder Demokratie an: die Unschuldsvermutung, ein ordentliches Gerichtsverfahren und das absolute Verbot willkürlicher Inhaftierung".

US-Abschiebungen sind "illegal und beispiellos"

Menschen aus den USA auszuweisen, um sie dann in einem zentralamerikanischen Gefängnis festzuhalten, "ist völlig illegal und beispiellos", erklärt auch die salvadorianische Anwältin Leonor Arteaga Rubio, Programmdirektorin der Stiftung für Rechtsstaatlichkeit (DPLF).

"In einer Demokratie sollte das Gericht eine sofortige Freilassung dieser Menschen anordnen. Aber in El Salvador gibt es keine Unabhängigkeit der Gewalten, das Gericht macht, was Bukele will", sagt sie und fügt hinzu, dass "keine Demokratie ein solches Modell unterstützen, geschweige denn nachahmen sollte".

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Und doch geht Anwältin Rubio davon aus, dass das Abkommen "lange Zeit Bestand haben wird". Sowohl Trump als auch Bukele wollten die Botschaft aussenden, "dass jeder, der als Feind von Trump gilt, in Bukeles Gefängnis geschickt werden kann, das wie ein schwarzes Loch funktioniert, ein neues Guantánamo, aus dem es keinen Ausweg gibt." In El Salvador könne kein Richter dem Einhalt gebieten. "Das Gesetz in diesem Gefängnis ist das von Bukele, mit Trumps voller Unterstützung".

Trump gegen die Gerichte?

Und in den USA? Auch dort ist zumindest ungewiss, wie das juristische Tauziehen um Kilmar Ábrego Garcia enden wird. Denn die US-Regierung weigert sich beharrlich, Schritte für eine Rückführung des Salvadorianers einzuleiten. Im Gegenteil: Sie wirft dem 29-Jährigen weiter vor, ein kriminelles Bandenmitglied zu sein, ohne dafür Belege zu liefern.

"Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass er eine Straftat begangen hat, und auch von den Vereinigten Staaten wurden keine Beweise dafür vorgelegt", bekräftigte Chris Van Hollen, der demokratische Senator des Bundesstaates Maryland, in dem Ábrego Garcia lebt.

Recherchen von US-Medien lassen auch Zweifel an der kriminellen Vergangenheit anderer, bereits nach El Salvador abgeschobener Migranten aufkommen. Vor diesem Hintergrund wirf Van Hollen der Trump-Regierung Lüge vor und kritisiert, dass sich die Trump-Regierung einfach über richterliche Anordnungen hinwegsetze.

Der Oberste Gerichtshof der USA: Wird Donald Trump sich einem Richterspruch beugen?Bild: Kevin Mohatt/REUTERS

Dies gilt womöglich auch für die juristische Vorgabe, wonach die bisher mehr als 200 nach El Salvador Abgeschobenen juristisch nicht "als Gruppe" betrachtet werden dürfen, sondern dass jeder Fall einzeln geprüft werden muss. Trumps Reaktion: Das würde hundert Jahre dauern, die Gerichte seien völlig "außer Kontrolle".

"Juristischer Schwebezustand"

Es besteht also durchaus die Gefahr, dass weder auf salvadorianischer noch auf US-amerikanischer Seite die Gerichte über das Schicksal der Abgeschobenen entscheiden. Ihr Schicksal hänge deshalb allein vom "politischen Willen" der beteiligten Behörden ab, sagt Roberto López Salazar, Koordinator der Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Observatorio Universitario de Derechos Humanos, OUDH) der Zentralamerikanischen Universität José Simeón Cañas. 

Damit der Fall nicht in einem juristischen Schwebezustand verbleibe und womöglich in Straflosigkeit ende, sei nun internationaler Druck nötig, meint López Salazar.

Und Irene Cuéllar von Amnesty International fügt hinzu: "Solange es keine wirklichen politischen oder rechtlichen Konsequenzen gibt, wächst das Risiko, dass dieses Modell der Migrationskontrollpolitik auch in andere Staaten exportiert wird."

Dieser Beitrag wurde aus dem Spanischen adaptiert und um aktuelle Entwicklungen erweitert von Thomas Latschan.