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Politik

US-Atomwaffen für Südkorea?

Fabian Kretschmer
3. September 2017

Nach dem neuen Atomtest Nordkoreas fordern Südkorea und Japan härtere Sanktionen gegen das Regime in Pjöngjang. Südkoreas Präsident Moon Jae In will die Stationierung von strategischen US-Waffen diskutieren.

Der südkoreanische Präsident Moon Jae In
Der südkoreanische Präsident Moon Jae In bei einem Treffen des Nationalen SicherheitsratesBild: picture-alliance/AP Photo/Yonhap

Für den nordkoreanischen Propaganda-Apparat war es ein gelungener Coup: Am Morgen verkündete Machthaber Kim Jong Un über die staatliche Nachrichtenagentur KCNA, dass das Land nun über Wasserstoffbomben verfüge, die sich mit Interkontinentalraketen bestücken ließen. Während Experten noch über den Wahrheitsgehalt von Kims kühner Behauptung rätselten, schien das nordkoreanische Militär um 12.00 Uhr Ortszeit den Beweis schnellstmöglich nachzuliefern - mit einem neuerlichen Atomtest.

Nordkoreas mittlerweile sechster Atomtest ist der bislang mit Abstand stärkste. Im Vergleich zum letzten Test vor genau einem Jahr setzte die Explosion bis zu zehnmal mehr Energie frei. Laut US-Angaben folgten auf die Detonation Erdbeben der Stärke 6,3 auf der Richter-Skala. Deren Auswirkungen waren sowohl im russischen Wladiwostok deutlich zu spüren als auch in der chinesischen Grenzstadt Yanji. Selbst in Südkorea gingen bei den Behörden 31 Anrufe von beunruhigten Bürgern ein. Minuten später folgte ein weiteres Nachbeben - mutmaßlich ausgelöst durch den Zusammenbruch des unterirdischen Tunnels auf dem Testgelände.

Auf Konfrontationskurs: Machthaber Kim Jong UnBild: Reuters/KCNA

Sprengkraft deutet auf Wasserstoffbombe

Nach ersten Schätzungen soll die Sprengkraft rund zehn Kilotonnen betragen haben. All das deutet tatsächlich auf eine Wasserstoffbombe hin. Sollten sich Nordkoreas weitere Angaben bewahrheiten, dass es die Sprengköpfe auf eine Interkontinentalrakete montieren könne, dann wären künftig auch Teile des US-Festlands bedroht. Dementsprechend werteten viele Experten den nordkoreanischen Atomtest als "Meilenstein" für die nukleare Abschreckungsstrategie des politisch isolierten Landes.

Südkoreas Präsident Moon Jae In hat nach einem nationalen Sicherheitstreffen zu weiteren UN-Sanktionen gegen Nordkorea aufgerufen, die das Land "vollständig isolieren" sollen. Der Regierungssprecher des japanischen Premier Shinzo Abe sprach sich dafür aus, auch den Handel mit Öl-Produkten nach Nordkorea künftig zu unterbinden. Damit würden die Sanktionen quasi die letzte Lebensader des nordkoreanischen Regimes treffen.

Atompilz der "Ivy Mike" - Am 1. November 1952 zündeten die USA auf einem Testgelände die weltweit erste WasserstoffbombeBild: picture-alliance/dpa/US Department of Energy

Dennoch ist fraglich, ob Sanktionen das Atomprogramm überhaupt noch stoppen können. Laut einer Stellungnahme der Nachrichtenagentur KCNA sollen alle Bauteile der Wasserstoffbombe in Nordkorea selbst hergestellt worden sein. Man könne "so viele machtvolle Atomwaffen entwickeln", wie man wolle. Victor Cha, der vor kurzem von der Trump-Regierung als Botschafter nach Seoul entsandt wurde, resümierte unlängst: Im Nordkorea-Konflikt gebe es "keine guten Optionen, sondern nur schlechte".

"Beschwichtigungspolitik funktioniert nicht"

Südkoreas Präsident Moon Jae In hat nun auf militärischer Ebene angekündigt, die Stationierung von strategischen US-Waffen in Südkorea zu diskutieren. Zwar hat Moon seine Pläne nicht konkretisiert, dennoch liegt der Verdacht nahe, dass es sich dabei um Atomwaffen aus Washington handeln könnte. Die zwei größten Oppositionsparteien in Südkorea fordern dies bereits immer lauter.

"Südkorea findet nun heraus, wie ich ihnen gesagt habe, dass Beschwichtigungspolitik mit Nordkorea nicht funktioniert. Sie verstehen nur eine Sprache", twitterte US-Präsident Donald Trump. Für ihn ist es der erste Atomtest seiner Amtszeit. Erst im April wurde er von Reportern gefragt, ob ein solcher eine militärische Reaktion der USA auslösen würde. Seine Antwort damals: "Ich weiß es nicht. Wir werden sehen."

Erst am Samstag hat Trump seine Verbündeten in Südkorea vergrault - indem er, inmitten der Atomkrise, einen Ausstieg aus dem gemeinsamen Freihandelsabkommen vorbereiten lässt. Laut "Washington Post" haben sich führende Mitarbeiter, darunter Trumps Sicherheitsberater H.R. McMaster und Pentagonchef James Mattis dagegen ausgesprochen. Trump stört sich jedoch an dem einseitigen Handelsdefizit der USA.

Hat Kim überreizt? Nordkoreas Machthaber besucht eine NuklearwaffenfabrikBild: Reuters/KCNA

Ärger über Trump

Wegen solch taktischer Aussetzer wurde der Immobilien-Tycoon zuletzt oft gescholten. Kritiker werfen ihm vor, dass seine Nordkorea-Strategie vor allem von verbalen Eskalationen und Sprunghaftigkeit gekennzeichnet sei. Letztendlich unterscheidet sie sich im Ergebnis jedoch nicht fundamental von der Politik seiner Vorgängerregierungen: Nordkorea soll mit wirtschaftlichem Druck und militärischen Drohungen zum Einlenken gebracht werden.

Dass die Drohungen wohl auch künftig - trotz des Liebäugelns mit einem Erstschlag - nicht in die Tat umgesetzt werden, hängt zum einen mit den 50 Millionen Südkoreanern zusammen, die zur Hälfte in der Artilleriereichweite des nordkoreanischen Militärs leben. Zudem ist das Atomarsenal des Kim-Regimes an weitgehend unbekannten Standorten verteilt, weit unter der Erde. Mit einem Militäreinsatz lässt sich das Nuklearproblem nur schwerlich lösen. 

Die Bewohner Seouls reagierten wie immer weitgehend gelassen auf den nordkoreansichen Atomtest: Im Stadtzentrum fand wie geplant ein K-Pop-Konzert statt, und auch in sozialen Medien war die Bedrohung durch den nördlichen Nachbarn kein dominierendes Gesprächsthema.

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